1.
Die Tat des Angeklagten war nicht nach dem BNatSchG gerechtfertigt oder erlaubt.
a)
Das Handeln des Angeklagten unterfällt keinem der Ausnahmetatbestände des § 43 BNatSchG a. F. Zwar erlaubt § 43 Abs. 6 BNatSchG a. F. abweichend von § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG a. F. die Inbesitznahme verletzter oder krankerTiere, dies aber nur, um sie gesund zu pflegen und unverzügiich wieder freizulassen. Ist eine Gesundpflege mit dem Ziel der Wiederaussetzung hingegen nicht möglich, ist das verletzte bzw. kranke Tier bei der zuständigen Behörde abzugeben (vgl. Erbs/Kohlbaas-Dr. Stöckel/Dr. Müller, § 43 Rdnr. 13; Kratsch in Schumacher/Fischer-Hüftle, Bundesnaturschutzgesetz, 2. Aufl. zu § 45 n.F. Rdnr. 21 ). Ein Recht zur Tötung verletzter Tiere folgt aus § 43 Abs, 6 BNatSchG a. F. gerade nicht, es folgt daraus eine Pflicht zur Abgabe an die zuständige Behörde.
b)
Im Gegensatz zu § 41 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG a.F., der den Mindestschutz aller wildlebenden Tiere und Pflanzen sichern soll, enthält § 42 BNatSchG a.F. (ebenso wie § 44 BNatSchG n.F.) als Schutzvorschrift für besonders geschützte Arten keine Eingriffsbefugnis ,,aus vernünftigem Grund“. Daher kann im Schutzbereich des § 42 BNatSchG a.F. das Ergebnis einer bloßen Güter- und Interessenabwägung grundsätzlich nicht genügen, um einen Eingriff zu rechtfertigen (vgl. Erbs/Kohlhaas – Dr. Stöckel/Dr. Müller, BNatSchG, § 42 Rdnr. 5). Die Verbote des § 42 BNatSchG sind daher vom Beweggrund und der Motivation des Handelnden unabhängig und schließen eine Eingriffsbefugnis auch dann aus, wenn in anderen Fällen ein „vernünftiger Grund“ zum Eingreifen anerkannt werden könnte (vgl. Kratsch in Schumacher/Fischer – Hüftle, BNatSchG, 2. Aufl., zu § 44 a.F. Rdnr. 9).
2.
Der Angeklagte war auch nicht gem. § 22a Abs. 1 BJagdG berechtigt, den angeschossenen Wolf zu töten bzw. dies zu versuchen.
Das Jagdrecht findet auf Wölfe keine Anwendung, weil der Wolf kein jagdbares Wild im Sinne von § 2 Abs. 2 BJagdG ist. Da der Wolf zudem ausdrücklich im Artenschutzrecht genannt wird, ist das Artenschutzrecht spezieller und geht dem Jagdrecht vor (vgl. Erbs/Kohlhaas-Dr. Stöckel, § 39 Rdnr. 13 d). Hieraus folgt, dass ein Jäger die Verbote des § 42 BNatSchG a. F. zu beachten hat und, weil er sich insoweit außerhalb des Anwendungsbereichs des Jagdrechts befindet, grundätzlich jedem anderen Normadressaten des BNatSchG gleichsteht.
3.
Das Verhalten des Angeklagten war auch nicht gemäß §§ 1 Satz 2, .17 Nr.1 TierschG aus vernünftigem Grund gerechtfertigt, weil das TierschG das Artenschutzrecht jedenfalls unter den hier vorliegenden Umständen nicht verdrängt.
Aus der Unberührtheitsklausel des § 39 Abs. 2 BNatSchG a. F. ergibt sich, dass ein genereller Vorrang des Tierschutzrechts nicht besteht. Es ist vielmehr im Einzelfall der Vorrang einer Norm des Tierschutz- oder des Artenschutzrechts zu prüfen. Entscheidend ist dabei der Schutzzweck der Norm (vgl. Erbs/Kohlhaas- Dr. Stöckel, § 39 Rdnr.8) Soweit es um die Tötung eines Tieres geht, also die Arterhaltung im Vordergrund steht, sind die artenschutzrechtlichen Vorschriften anzuwenden; soweit es um die Methode der Tötung geht, also der Tierschutz im Vordergrund steht, sind die tierschutzrechtlichen Vorschriften einschlägig (vgl. Erbs/Kohlhaas- Dr. Stöckel/BNatSchG, § 39 Rdnr. 8).
4.
Das Verhalten des Angeklagten erfüllt auch nicht dle rechtlichen Merkmale eines aus dem Grundgedanken von §§ 1 Satz 2, 17 Nr. 1 TierSchG und § 22a Abs. 1 BJagdG entwickelten Rechts, ein verletztes Tier zu töten, um es vor Schmerzen oder Leiden zu bewahren.
Ein solches Recht könnte überhaupt nur eingreifen, wenn die Tötung erfordrlich ist. Erforderlich ist die Tötung eines verletzten Tieres aber erst dann, wenn es nicht eingefangen und einer tierärztlichen Versorgung zugeführt werden kann und alle lebensrettenden Maßnahmen ergriffen worden sind (vgl. Lorz/Metzger, Tierschutzgesetz,
6. Aufl.·, § 1 Anhang Rdnr.· 76; Ort/Reckewell in Kluge, Tierschutzgesetz, § 17 Rdnr. 174; OLG Karlsruhe; NJW 1991 S. 116 f.).
Der Angeklagte hat aber keinerlei Versuch unternommen, eine tierärztliche Versorgung, ggf. durch Kontaktaufnahme zu anderen Jagdteilnehmern oder dem Jagdveranstalter zu organisieren und er hat auch sonst keine Anstalten unternommen, seiner Meldepflicht nach § 43 Ab. 6 BNatSchG a.F. nachzukommen und die zuständige Behörde über das verletzte Tier zu informieren. Der Angeklagte hat nicht einmal eine Nachschau vorgenommen, bevor er geschossen hat. Zwischen ihm und dem gesondert Verfolgten … befand sich eine freie abgeerntete Ackerfläche, sodass er durch Rufen oder in die Luft schießen auf sich hätte aufmerksam machen können. Schließlich hat sich der Angeklagte nach dem Schuss, im Widerspruch zu § 22 a BJagdG (vgl. Schuck, BJagdG, § 22 a, Rdnr. 3), auch nicht vom Tod des Tieres überzeugt. Er hat durch seinen Schuss dem Wolf vielmehr eine weitere Verletzung zugefügt, dadurch die Schmerzen und Leiden des Tieres noch erhöht und es danach fast vier Stunden verletzt liegen lassen, ohne auch in dieser Zeit irgendeine der notwendigen Maßnahmen zu veranlassen.
Der Senat braucht danach nicht darauf einzugehen, ob die Tötung eines streng geschützten Tieres unter ganz besonders engen Voraussetzungen ausnahmsweise gerechtfertigt sein kann (in diese Richturg wohl Schmidt/Lüders: Der Schutzstatus der Wölfe in Deutschland – Aktueller Stand und Perspektiven S. 34, 43), denn solche Voraussetzungen liegen nicht vor.
5.
Der Angeklagte handelte auch nicht ohne Schuld. Soweit er irrtümlich der Meinung gewesen ist, zu einer Tötung des Wolfes berechtigt zu sein, hat er sich in einem ersichtlich vermeidbaren Verbotsirrtum i. S .v. § 17 StGB befunden.
Nach den Feststellungen des Landgerichts wusste der Angeklagte, dass ein Wolf nicht bejagt werden darf. Bei näherem Nachdenken wäre er aufgrund seines besonderen Wissens als Jäger auch ohne Weiteres zu der Einsicht gekommen, dass das Töten eines -Wolfes, im Gegensatz zu jagdbarem Wild, auch dann nicht erlaubt oder gerechtfertig tsein kann, wenn dieser Wolf verletzt ist. Zwar hätten die Zeugen K und Ni , im Gegensatz zu dem Zeugen B näch eigenen Angaben den Wolf ebenfalls „erlöst“. Sie hätten es aber in dem Wissen getan, dass dies nicht erlaubt ist, sie wussten also um das Verbot. Wenn der Angeklagte es, wie er meint, nicht wusste, so war dieser lrrtum vermeidbar.
Wir sind sehr vorsichtig mit Richterschelte. Ich kann aber nicht nachvollziehen, warum sich der Senat nicht sachverständig hat beraten lassen. Auch ohne sachverständigen Rat über den Ablauf einer Drückjagd sollte einem Oberlandesgericht ein Blick in die UVV Jagd gut zu Gesichte stehen, ehe es diese dagegen verstoßende Verhaltensalternativen aufstellt. Ich bin ja gespannt, ob bei den nächsten Jungjägerausbildungen diese Hinweise aufgenommen werden:
Meine Sympathien hat der Verurteilte. Er hat versucht, die Kreatur von ihrem Leid zu erlösen. Diese Verhalten war ethisch alternativlos.