Dass Landgericht Stuttgart stellt klar, daß Verstöße gegen die Aufbewahrungspflicht von Waffen während der Reise nicht strafbar sind.
Es geht um § 13 Abs. 9 AWaffV.
Die Aufbewahrung von Waffen während der Reise ist ständiges Thema innerhalb der Jägerschaft und bei sonstigen Waffenbesitzern. Während der Schüsseltreiben wird es heiß diskutiert. Auch in diesem Blog war es schon Thema: Aufbewahrung von Waffen während der Reise
In dem Beitrag hatten wir die rechtlichen Bedingungen dargestellt und erläutert.
Gefährlich fanden wir insbesondere die Ansicht der Staatsanwaltschaft Stuttgart, wonach gem. § 52 Abs. 3 Nr. 7a WaffG auch Verstöße gegen die Aufbewahrungspflichten während der Reise mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bedroht seien.
Wir hingegen sehen die Strafbestimmungen als verfassungswidrig an und haben plakativ formuliert:
Hier zeigt sich die Liederlichkeit des Gesetzgebers, der ein Ergebnis unter Strafe stellen will und sich nicht die Mühe macht zu bestimmen, welche konkreten Anforderungen der Waffenbesitzer zu erfüllen hat.
Die Staatsanwaltschaft wollte es wissen und beantragte den Erlaß eines Strafbefehls. Aufgrund unseres Einspruchs kam es dann zur Verhandlung vor dem Amtsgericht.
Sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft waren mit dem daraufhin ergangenen Urteil nicht so ganz zufrieden und legten Berufung ein. Uns war die Strafe wegen § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG zu hoch und das Gesetz kennt nun mal keine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Verletzung der Aufbewahrungspflichten. Die Staatsanwaltschaft wollte Blut sehen, sann auf eine höhere Strafe und Verurteilung wegen Vorsatzes.
Die Verhandlung vor dem Landgericht Stuttgart war dann spannend.
Ich hatte die Gelegenheit unsere Ansicht genauer auszuführen. Das Gericht konnte ich überzeugen, die Staatsanwaltschaft nicht; sie ist in die Revision gegangen.
Das Urteil des Landgericht Stuttgart vom 06.09.2019 – 38 Ns 36 Js 95151/18 – ist daher noch nicht rechtskräftig.
Die entscheidenden Passagen zur Unbestimmtheit der Norm sind nachfolgend wiedergegeben. Den Volltext der Entscheidung finden Sie: hier!
e) Indessen ist dieser Verstoß gegen §§ 52 Abs. 3 Nr. 7a, 36 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5, WaffG, 13 Abs. 9 AWaffV nach Auffassung der Kammer nicht unter Strafe gestellt.
i. Die Kammer hat den Sachverhalt als noch der Privilegierung gemäß § 13 Abs. 9 AWaffV unterworfen betrachtet. Die – wenngleich mehrtägige – Abwesenheit des Angeklagten begründet noch keine stationäre Aufbewahrung der Waffen, für die deutlich schärfere Pflichten gemäß § 13 Abs. 1 AWaffV bestehen.
ii. Soweit in der Literatur – Rechtsprechung liegt zu dieser Rechtsfrage, soweit ersichtlich, noch nicht vor – die Auffassung vertreten wird, das Gesetz enthalte ohnehin nur eine Strafbestimmung für den Verstoß gegen die stationäre Aufbewahrung von Waffen (s. Gade, WaffG, 2. Aufl., 2018, § 52, Rz. 58a ff), findet diese im Wesentlichen aus der Gesetzeshistorie abgeleitete Interpretation jedenfalls im Wortlaut der Norm keine Stütze. Die Ausführungen in den einschlägigen Drucksachen zu der Gesetzesbegründung sind dazu nicht eindeutig (s. BR-Drucksache 61/17; BT-Drucksache 18/11239). Allerdings enthält auch der einzige andere geläufige Kommentar zu der aktuellen Gesetzeslage zumindest keinen Hinweis auf die Strafbarkeit eines Verstoßes gegen die Aufbewahrungspflichten für Waffen im Falle einer vorübergehenden Aufbewahrung (Münchener Kommentar zum StGB/Heinrich, 3. Aufl. 2018, WaffG, § 52, Rn 93f.).
iii. Die Entscheidung dieser Rechtsfrage kann jedoch dahinstehen, da es nach Auffassung der Kammer § 13 Abs. 9 AWaffV bereits an einer hinreichenden Bestimmtheit fehlt, um Anknüpfungspunkt für eine Strafnorm zu sein.
Art. 103 Abs. 2 GG statuiert für Strafnormen u.a. einen Bestimmtheitsgrundsatz, demzufolge jedermann vorhersehen können soll, welches Verhalten verboten und mit welcher Strafe es bedroht ist (z.B. BVerfG Besohl, v. 23.7.2010 – 2 BvR 2559/08, 105, 491/09). Maßstab für die Klarheit der Norm ist dabei der Verständnishorizont des Bürgers als Normadressat (z.B. BVerfG Beschl, v. 21.9.2016 – 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 (3649). Danach muss der Bürger dem Gesetzestext – ohne an dieser Stelle auf das Problem der inhaltlichen Ausfüllung einer Strafnorm mittels einer Verordnung einzugehen – entnehmen können, was ihm noch erlaubt ist und wodurch er sich gegebenenfalls schon strafbar macht. Das Bestimmtheitsgebot unterliegt jedoch Einschränkungen. So führte das BVerfG zu den Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot aus: „Das Gebot der Bestimmtheit darf nicht übersteigert werden; die Gesetze würden sonst zu starr und kasuistisch und könnten der Vielgestaltigkeit des Lebens, dem Wandel der Verhältnisse oder der Besonderheit des Einzelfalles nicht mehr gerecht werden.[…] Das Strafrecht kann deshalb nicht darauf verzichten, allgemeine Begriffe zu verwenden […] Das Gebot der Gesetzesbestimmtheit bedeutet also nicht, dass der Gesetzgeber gezwungen ist, sämtliche Straftatbestände ausschließlich mit rein deskriptiven, exakt erfassbaren Tatbestandsmerkmalen zu umschreiben …. Generalklauseln oder unbestimmte, wertausfüllungsbedürftige Begriffe im Strafrecht sind deshalb nicht von vornherein verfassungsrechtlich zu beanstanden“ (BVerfG Besohl, v. 21.6.1977 – 2 BvR 308/77, BVerfGE 45, 363 (371). Daher lässt das Bundesverfassungsgericht Ein
schränkungen des Bestimmtheitsgebots zu und zwar abgestuft je nach der Schwere der angedrohten Strafe, dem besonderen Fachwissen bei bestimmten Kreisen von Normadressaten und der Existenz einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe in Strafnormen (s. dazu die Übersicht bei Dannecker in Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2007, § 1 StGB, Rz. 185ff).
An diesem Maßstab gemessen ist § 13 Abs. 9 AWaffV zu unbestimmt, um den Normadressaten hinreichend zu verdeutlichen, welche Pflichten sie zur Vermeidung einer Strafbarkeit erfüllen müssen.
Insoweit ist zu beachten, dass der Strafrahmen des § 52 Abs. 3 WaffG eine Strafandrohung von drei Jahren vorsieht, im Rahmen der gesetzlich zulässigen Freiheitsstrafen also eher im unteren Bereich angesiedelt ist. Auch ist der Kreis der Normadressaten, also der Waffenbesitzer, relativ klein und verfügen diese regelmäßig über Fachwissen zu dem sachgerechten Umgang mit Waffen. Schließlich ist die Vielgestaltigkeit der äußeren Umstände bei einem zulässigen Waffentransport zu beachten, wegen der sich die vom Normgeber verlangten Verhaltensweisen nur schwer in konkret formulierte, aber allgemeingültige Anforderungen kleiden lassen.
Dies erlaubt nach den Vorgaben der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung eine gewisse Freiheit bei der Formulierung eines Straftatbestands.
Indessen formuliert § 13 Abs. 9 AWaffV, dass der Verpflichtete bei einer vorüber gehenden Aufbewahrung von Waffen und Munition außerhalb der Wohnung diese „unter angemessener Aufsicht aufzubewahren oder durch sonstige erforderliche Vorkehrungen gegen Abhandenkommen oder unbefugte Ansichnahme zu sichern hat“. Somit enthält die Norm zum einen mit „angemessener Aufsicht“ und „erforderlichen Vorkehrungen“ zwei völlig offene Tatbestandsmerkmale, die die Verhaltensanforderungen an den Normadressaten in keiner Weise konkretisieren. Die Vorstellungen davon, was gerade noch oder eben nicht mehr „angemessen“ bzw. „erforderlich“ ist, können sich auch innerhalb des Kreises der Normadressaten über eine größere Bandbreite erstrecken. Vorgegeben wird lediglich das Ziel des von dem Waffenbesitzer geforderten Verhaltens, nämlich ein Abhandenkommen, also
den Verlust, oder eine unbefugte Ansichnahme, d.h. den Zugriff Dritter auf die Waffen bzw. Munition, zu verhindern. Die Zielvorgabe hilft dem Normadressaten jedoch bei der Bestimmung, was ihm im Einzelnen abverlangt wird, nicht. Da es letztendlich keine absolute Sicherheit gegen einen Verlust oder den Zugriff Dritter auf eine Waffe geben und der Gesetzgeber diese daher nicht einfordern kann, bleibt der Waffenbesitzer auf der Grundlage des § 13 Abs. 9 AWaffV auch bezüglich des Grades an von ihm zu bewirkender Sicherheit in einem breiten Bereich möglicher Maßnahmen im Ungewissen, was von ihm unter Androhung von Strafe im Falle einer Pflichtverletzung zur Sicherung seiner Waffen verlangt wird. Dies ist mit dem Bestimmtheitsgebot nicht mehr vereinbar. Denn jedenfalls Grundsätze und Beispiele, wie eine Waffe während eines Transports aufzubewahren sei, lassen sich formulieren, um dem Normadressaten zumindest eine Richtlinie an die Hand zu geben, auf welche Weise und mit welchem Grad an Sicherheit er deren Aufbewahrung zu bewirken hat. Um die Vielgestaltigkeit der Sachverhalte abzudecken kann der Normgeber dann diese Beispiele in einem Tatbestand mit einem Zusatz wie „oder in gleich sicherer Weise“ versehen. Der Vergleich mit der Ausgestaltung der Vorschriften zu der sicheren Aufbewahrung von Waffen am Wohnsitz des Waffenbesitzers, die minutiöse Vorgaben zur Bauweise des Waffenbehältnisses enthalten, veranschaulicht den Mangel an Bestimmtheit bei der Formulierung des § 13 Abs. 9 AWaffV besonders deutlich. Schließlich hilft dem Normadressaten der Umstand, dass nur ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Aufbewahrungspflichten strafbar ist, nicht weiter. Da ihm die tatsächlichen Umstände, unter den er seine Waffen gegebenenfalls unter Missachtung der „erforderlichen“ Vorkehrungen verwahrt hat, bekannt sind, könnte er nur einen Irrtum über die Erforderlichkeit von weitergehenden Vorkehrungen geltend machen, der in der Regel zu einem vermeidbaren Verbotsirrtum führen und daher seine Strafbarkeit nicht berühren würde.
Volltext des Urteils LG Stuttgart v. 06.09.2019 – 38 Ns 36 Js 95151/18 –
Wir haben die Entscheidung gefeiert. Wann hat man schon mal die Gelegenheit, ein Gericht von der Verfassungswidrigkeit einer Norm überzeugen zu können?