Beiträge

Denk logisch, BFH!

Es ist denklogisch ausgeschlossen, dass ein am 3. Februar 2014 vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des BFH ausgefertigter und am frühen Nachmittag des 3. Februar 2014 von der Kanzlei des BFH per Briefpost abgesandter Zulassungsbeschluss dem P an dessen über 600 km entferntem Kanzleisitz noch am selben Tage zugestellt worden sein kann.
Quelle: BUNDESFINANZHOF Urteil vom 17.11.2015, X R 3/14

Filosofie sex, sätzen!

Sau auf dem Teufelsberg mit Funkturm im Hintergrund

Städter und Natur – Zwei Welten begegnen sich in Berlin

Ich bin in Berlin geboren und lebe jetzt seit über 35 Jahren wieder in Berlin. Hier ist alles anders.

Liebe Berliner, dieser Beitrag ist nicht für Euch geschrieben. Er ist für die anderen. Welche anderen? Die anderen!

Die anderen, die mit der Natur leben und nicht meinen, sie seien naturliebend, weil sie den BUND mit Beiträgen versorgen. Die anderen, die noch eine Eiche von einer Kastanie unterscheiden können und Wildschweine nicht nachts auf dem Parkplatz füttern.

Halten Sie das für möglich oder für einen verspäteten Aprilscherz:

Der Vermieter ist gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet, die Mietsache und den Mieter durch geeignete Maßnahmen vor dem Eindringen von Wildschweinen auf dem Grundstück zu schützen.
LG Berlin 21.12.2015 – 67 S 65/14

Es geht um eine Wohnanlage in Berlin, direkt an einem Waldgebiet gelegen. Der Mieter hat erfolgreich durchgesetzt, daß der Vermieter das gesamte Grundstück einzäunen muß.

Darüber hinaus ist die Beklagte nach dieser Vorschrift verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu treffen, um das Eindringen von Wildschweinen auf das Grundstück zu verhindern. Entgegen der Ansicht des Amtsgericht erfassen die den Vermieter grundsätzlich treffenden Schutzpflichten vorliegend nicht nur den räumlichen Bereich der Mietsache, also der gemieteten Wohnung mitsamt der Terrasse als solche, sondern darüber hinaus ist er auch verpflichtet, Schutzvorkehrungen gegen eine darüber hinausgehende Gefährdung und Beeinträchtigung hinsichtlich der allgemein den Mietern zugänglichen Wohnanlage insbesondere der Gemeinschaftsflächen (Grünflächen, Bestandsflächen, Eingangsbereiche, etc.) zu ergreifen. Auch diese sind gegen das bei gewöhnlichen, der örtlichen Lage entsprechenden Verhältnissen nicht nur vereinzelt vorkommende wiederholten Eindringen von Wildschweinen zu schützen, um einen gefahrlosen Zugang zu den mit gemieteten Gemeinschaftsflächen zu gewährleisten.

Der von den Klägern substantiiert dargelegte Zustand entspricht nicht mehr dem allgemeinen Lebensrisiko – auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich um eine Wohnanlage am Waldrand handelt. Zum einen befindet sich die Anlage in einem Wohngebiet und nicht unmittelbar im Tegeler Forst. Ferner ist von dem sich wiederholenden Auftreten von Wildschweinen auf der Anlage auch außerhalb des Biotops auszugehen. Der diesbezügliche Klägervortrag ist ausreichend, um auch ohne Beweisaufnahme annehmen zu können, dass eine ausreichend konkrete Gefahr in dem räumlichen Bereich der Mietsache droht.

Obwohl, wenn ich richtig darüber nachdenke: Berlin hat wie alle Großstädte ein Rattenproblem. Und auch von den Tauben gehen erhebliche Gefahren für meine nicht vorhandenen Enkel aus. Vielleicht sollte ich den Vermieter verpflichten, die Mietsache und mich durch geeignete Maßnahmen vor dem Eindringen von Ratten und Tauben auf dem Grundstück zu schützen. Tür zu reicht wohl nicht.

Fast hätte ich es vergessen:

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch bedarf es einer Überprüfung durch das Revisionsgericht im Hinblick auf die Rechtsfortbildung oder die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung.

 

Halteverbotsschild muß gut sichtbar aufgestellt sein

Overstekende Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden.

Es ist nicht einer Meinung mit dem Oberverwaltungsgerichts Berlin -Brandenburg, Urteil vom 7. Mai 2015 – 1 B 33.14

Das OVG urteilte noch: Bevor er sein Fahrzeug endgültig abstellt, müsse er den leicht einsehbaren Nahbereich auf das Vorhandensein solcher Verkehrsregelungen überprüfen und dafür ggf. auch eine gewisse Strecke nach beiden Richtungen abschreiten.

Ober sticht Unter:

Schild muss beim Heranfahren klar sichtbar sein

Ab sofort gilt: Verkehrszeichen für Parkverbote oder Halteverbote müssen so aufgestellt sein, „dass ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei ungestörten Sichtverhältnissen während der Fahrt oder durch einfache Umschau beim Aussteigen ohne Weiteres erkennen kann, dass ein Ge- oder Verbot durch ein Verkehrszeichen verlautbart wurde“, wie die Vorsitzende Richterin Renate Philipp sagte.
Quelle: Berliner Morgenpost 07.04.2016

Ein schöner Erfolg. Auch für den Kollegen Rechtsanwalt Marc Wesser. Uns bekannt als mit Florett und Säbel vertrauter Vertreter von geschassten Bankangestellten.

Der Aktenscan ist das Nebenprodukt – Neues zur Nr.7000 Nr.1a RVG-VV

Mit hanebüchener Begründung wird seit Inkrafttreten der modernisierten Nr.7000 Nr.1a RVG-VV die Erstattung von Kopien aus den Gerichtsakten bei Nutzung eines handelsüblichen (Multifunktions-)Kopierers, wie er in jeder Kanzlei und jedem Gericht steht, abgelehnt.

Das LG Berlin, Beschl. v. 23.07.2015 – (537 KLs) 255 Js 381/14 (28/14) hat es auf die technikfremde Spitze getrieben:

Da der Verteidiger die Akten zuerst gescannt und dann ausgedruckt hat, sind Ausdrucke nicht erstattungsfähig. Vielmehr dienen diese Ausdrucke lediglich der Arbeitserleichterung für den Verteidiger.

Diese „missverständliche“ Passage findet sich seither gebetsmühlenartig in den (ablehnenden) Kostenfestsetzungsbeschlüssen. Absurd bleibt sie aber trotzdem:

Jeder moderne Kopierer scannt zunächst das Dokument, um sodann den Scan zu drucken.

Eine andere Reihenfolge als Scan –> Druck ist heute nicht mehr möglich. Druck –> Scan ist Museum.

Wir haben daher in einem Verfahren des erweiterten Schöffengerichts nachdem die Akten bei uns „gescannt“ wurden, folgende Anträge gestellt:

Die Notwendigkeit der Herstellung eines vollständigen Ausdrucks der durch den Verteidiger „gescannten“ Gerichtsakte festzustellen;

hilfsweise, einen vollständigen Ausdruck der auf der beigefügten DVD (Aktenscan) enthaltenen Dateien zu fertigen;

weiter hilfsweise, ein vollständiges Doppel der Akten in Papierform für die Dauer des Verfahrens zur Verfügung zu stellen oder

hilfsweise das Kammergericht zu ersuchen, in Amtshilfe das beantragte Aktendoppel zu fertigen.

Im taufrischen Beschluss findet der Vorsitzende des erweiterten Schöffengerichts deutliche Worte (Bild anklicken vergrößert):

Kopierbeschluss_anonym_k_Seite_1

Kopierbeschluss_anonym_k_Seite_2

Beinahe jeder der heute erhältlichen handelsüblichen Kopierer (einschließlich der beim Amtsgericht Tiergarten und beim Landgericht Berlin Vorgehaltenen) erstellt allerdings erst eine elektronische Datei des zu kopierenden Dokumentes, die dann anschließend ausgedruckt wird. Diese temporär gespeicherten Scandateien können aus einem Photokopierer ausgelesenen und auf einem PC oder einem Rechner des Herstellers Apple lnc. mittels geeigneter Programme problemlos sichtbar gemacht werden. Würde man also dem Wortlaut der zuvor zitierten Entscheidung des Landgerichts Berlin folgen, hätte das zur Konsequenz, dass für die Vorschrift Nr. 7000 Nr. 1 a) W RVG kein Anwendungsbereich eröffnet ist, da nach dem heute maßgeblichen technischen Standard eine Photokopie nicht ohne vorherigen Scan hergestellt werden kann. Eine derartige Auslegung der Vorschrift verbietet sich daher. Sie ist vielmehr so zu interpretieren, dass unter Zuhilfenahme von im Handel erhältlichen Kopiergeräten selbstverständlich Photokopien gefertigt und abgerechnet werden können. Wenn ein Verteidiger dann die Scandaten eines Kopiergerätes ausliest und sich für eigene weitere Zwecke nutzbar macht, führt dies nicht zum Erlöschen des Erstattungsanspruchs, sondern stellt letztlich einen vom Gesetzgeber in Kauf genommenen zusätzlichen Nutzen für den Verteidiger dar, für den er natürlich neben der Gebühr Nr. 7000 Nr. 1 a W RVG keine weitere Vergütung abrechnen darf. (Herv. hier)
Beschluß AG Tiergarten (215 Ls) 255 Js 772/13 (4/16) v. 24.03.2016

Ich erwarte trotzdem einen Kampf mit dem Rechtspfleger, aber für den bin ich nun gerüstet!

Was bleibt ist die bisherige Erstattungsunfähigkeit des reinen Aktenscans.

Leider habe ich es versäumt zu beantragen, mir die Akte bereits digitalisiert zur Verfügung zu stellen.

Das nächste Mal!

Der Strafverteidiger als Bittsteller

Es ist nicht auszurotten, die Angewohnheit mancher Kollegen, statt Anträge zu stellen, Bitten zu äußern.

Das haben auch schon die Behörden erkannt und sehen den Strafverteidiger als Bittsteller.

Wir beantragen, uns Akteneinsicht zu gewähren. Nicht ein Standard-Verfahren, in dem die Zeitabläufe keine besondere Rolle spielen, sondern mit vorangegangener Durchsuchung der Räume und Beschlagnahme von Wertgegenständen, also einem massiven Eingriff in die Grundrechte des Mandanten.

Und was bekommen wir als Antwort, mit dickem Siegel beglaubtigt (klicken Sie auf das Bild!)?

AE-Antwort_anonym

Im völlig verquasten Deutsch wird uns eine Frage beantwortet, die wir nicht gestellt haben. Ich will nicht wissen, ob die Akten versandt sind. Ich will die Akten!

Mein Antrag wird zum Gesuch umgedeutet. Was sagt mein Lieblingswörterbuch dazu?

d) in der neueren entwicklung wird gesuch in erster linie für diejenige form der bitte oder aufforderung gebraucht, die auf dem umständlicheren schreibverkehr beruht: haben uns auf das unterthänigste gesuch des legazionsrathes Jean Paul Friedrich Richter in Baireuth gnädigst bewogen gefunden etc. Badische verlagsprivilegien für Jean Paul Werke 1. einl. 41. und so gewöhnlich im canzleistil.

Vielleicht hat der Staatsanwalt unseren Beitrag zum Kanzleistil verinnerlicht?

Oder ist er ein schlichteres Gemüt und verwendet den Begriff wie der Duden?

Schreiben, das eine Privatperson an eine Behörde oder an jemanden mit entsprechender Befugnis richtet, um in einem bestimmten Fall eine Bewilligung oder Genehmigung zu erhalten

Kommt dem Herrn Staatsanwalt unser Antrag ungelegen, so ist das bedauerlich, stört vielleicht die Kreise, ändert aber nichts daran, daß er über den Antrag entscheiden muß und nur im gesetzlich eng geregelten Fall negativ entscheiden darf.

Darüber hinaus ist die „Vertagung“ auch nicht im Interesse der Strafverfolgunsbehörde. Ohne Akteneinsicht keine Einlassung des Beschuldigten. Und die Einlassung des Beschuldigten – zumindest wenn sie aus der Feder eines Strafverteidigers erfolgt – verkürzt das Verfahren häufig erheblich und erspart u.U. aufwendige weitere Ermittlungen.

Glaubt der Staatsanwalt tatsächlich, daß mein Mandant nach einer Durchsuchung und umfangreichen Beschlagnahmen jetzt abwarten will? Hat er sich im Baustein vergriffen und wollte die Akten eigentlich zurückfordern? Hallo! Es geht um verfahrensrechtliche Grundrechte des Beschuldigten und seines Verteidigers und nicht die Bequemlichkeit eines Staatsanwaltes und seines Apparates.

Zur Ehrenrettung: In den meisten Fällen fragt der Staatsanwalt bei uns an, ob wir abwarten wollen oder er die Akten zurückfordern soll. Und manches Mal kann man dem Mandanten dann informieren: „Warten wir noch ab, die Akten sind bei XY und es ist in Ihrem Interesse abzuwarten.“