Das 3. Waffenrechtsänderungsgesetz und die Zuverlässigkeit sind auf unserem LawBlog Dauerthema:
3. WaffRÄndG, insbesondere die Verstöße gegen das Trennungsgebot zwischen Geheimdiensten und Polizeibehörden.
Jetzt ist auf einmal auch eine breitere Öffentlichkeit an dem Thema interessiert:
- Mit welchen Mitteln gehen wir gegen den politischen Gegner vor?
- Wie können wir Bürger davon abhalten, Mitglied der Alternative für Deutschland (AfD) zu werden?
- Oder widersprechen solche Überlegungen unserem Rechtsstaat, insbesondere dem Parteienprivileg des Grundgesetzes, Art. 21 GG?
Ausgangspunkt ist die Entscheidung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die AfD als Verdachtsfall einzustufen.
Diese Entscheidung könnte in der Folge dazu führen, daß die Mitglieder der AfD im Regelfall als waffenrechtlich unzuverlässig eingestuft werden und als Jäger oder Sportschützen ihre waffenrechtlichen Erlaubnisse zurückgeben müssen, die ansonsten widerrufen bzw. eingezogen würden.
[lwptoc skipHeadingLevel=“h5,h6″]
Rechtslage Zuverlässigkeit vor dem 20.02.2020
§ 5 Abs. 2 Nr. 3
Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht,
bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder unterstützen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt haben, die
a) gegen die verfassungsmäßige Ordnung … gerichtet sind. …
Rechtslage Zuverlässigkeit seit dem 20.02.2020
§ 5 Abs. 2 Nr. 3 b) WaffG
Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht, …
3. Bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren
a) Bestrebungen einzeln verfolgt haben, die
aa) gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind, …
b) Mitglied in einer Vereinigung waren, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, oder
c) eine solche Vereinigung unterstützt haben, …
Begründung der Regelung zur Änderung der Zuverlässigkeit
Diese Vorschrift wurde aufgrund der Beschlußempfehlung des Ausschuss für Inneres und Heimat (4. Ausschuss) vom 11.12.2019 – Bundestags-Drucksache 19/15875 eingeführt.
In der einleitenden Begründung wird erklärt: „Die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung soll künftig zur waffenrechtlichen Regelunzuverlässigkeit führen, auch wenn diese Vereinigung noch nicht verboten ist.“ (Seite 4 der BT-Drs.)
Das Adverb „noch“ gibt zu interessanten Spekulationen Anlaß!
Warum ist es dem Satz hinzugefügt? „… noch nicht verboten ist.“ Offenkundig sollte etwas anderes ausgedrückt werden als „ … auch wenn diese Vereinigung nicht verboten ist.“
Den Abgeordneten des Bundestages wurde suggeriert: Es geht um die Fälle, in denen ein Verbotsverfahren zumindest auf dem Weg ist. Diese Intention hat im Gesetzeswortlaut, wie wir oben sehen, keine Entsprechung gefunden; ist aber bei der Auslegung als Wille des Gesetzgebers zu berücksichtigen.
Aber schon die weitere Begründung läßt mich wieder schaudern und das „noch“ wird in Klammern gesetzt, zur Bekräftigung oder als Einschränkung?
„3.
Der Ausschuss betont, dass alle geeigneten Maßnahmen ergriffen werden müssen, um zu verhindern, dass Verfassungsfeinde und Extremisten legal in den Besitz von Schusswaffen gelangen können. Die gesetzlichen Grundlagen hierzu werden durch den Gesetzentwurf erweitert. So kann künftig Mitgliedern verfassungsfeindlicher Vereinigungen auch dann die Waffenerlaubnis verweigert bzw. entzogen werden, wenn die betreffende Vereinigung (noch) nicht verboten ist.“ (Seite 24 der BT-Drs.)
Absolut konsensfähig! Aber wer sind die Verfassungsfeinde, wer ist ein Extremist? Da wirft jeder Einäugige dem anderen Einäugigkeit vor. Und vorbei ist es mit dem Konsens.
Regelungslücke Un-Zuverlässigkeit ohne Aktivitäten
Der Gesetzgeber meint, es habe bisher eine Regelungslücke gegeben, des es zu schließen galt:
„Nach § 5 Absatz 2 Nummer 3 sind ferner Antragsteller als in der Regel waffenrechtlich unzuverlässig anzusehen, wenn sie individuell oder als Mitglied einer Vereinigung bestimmte verfassungsfeindliche Ziele verfolgt oder unterstützt haben. Wenn hingegen zwar die Mitgliedschaft in einer solchen Vereinigung – die nicht bereits verboten ist – bekannt ist, über dortige Aktivitäten aber keine nachweislichen Erkenntnisse vorliegen, begründet dies gegenwärtig nicht die Regelunzuverlässigkeit.“ (Seite 36 der BT-Drs.)
Das war die Abkehr vom erforderlichen Nachweis der verfassungsfeindlichen Betätigung des Antragstellers, die Mitgliedschaft oder Unterstützung soll nunmehr ausreichen. Dafür wird auch eine Begründung angegeben:
„Dies ist sachgerecht, weil die Mitgliedschaft in einer solchen Vereinigung typischerweise einschließt, dass diese Person nachhaltig die verfassungsfeindlichen Ziele der Vereinigung teilt, also die Ablehnung der Grundsätze der Verfassungsordnung zum Ausdruck bringt. Die mitgliedschaftliche Einbindung in die Vereinigung ist dazu sogar eher gewichtiger aussagekräftig als eine bloße Unterstützung von außen und daher zumindest ebenso geeignet, Zweifel daran zu begründen, dass eine Person mit Waffen verantwortungsvoll umgeht. Auch zu ihrem Nachweis soll daher, wie bisher schon bei der Verfolgung der aufgezählten Bestrebungen, ausreichend sein, dass Tatsachen die entsprechende Annahme rechtfertigen, d.h. schon der tatsachengegründete Verdacht ist versagungsbegründend (bereits risikovermeidender Ansatz).“ (Seite 36 der BT-Drs.)
Bei einer Vereinigung denkt man zunächst an alle möglichen Gruppen, beispielsweise an Rockergangs (OMCG) aber nicht an Parteien.
Nun, das Parteiengesetz (§ 2 Abs. 1 Satz 1 PartG) definiert eine Partei als Vereinigung von Bürgern. Und dem Gesetzgeber des 3. WaffRÄndG war dies ausweislich der Änderungsbegründung bekannt:
„Der Begriff der „Vereinigung“ als Oberbegriff umfasst sowohl Vereine im Sinne des Vereins- als auch Parteien im Sinne des Parteiengesetzes (vgl. § 2 Absatz 1 des Parteiengesetzes).“ (Seite 36 der BT-Drs.)
Der Gesetzgeber hat eingesehen, daß das zu weitgehend ist und hat in der Begründung eine deutliche Einschränkung des Anwendungsgebietes vorgenommen:
Beschränkung auf festgestellte verfassungsfeindliche Bestrebungen durch das BVerfG
„Unter den geänderten § 5 Absatz 2 Nummer 3 fallen auch Parteien, bei denen das Bundesverfassungsgericht im Parteiverbotsverfahren nach Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes festgestellt hat, dass sie auf die Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung abzielende Bestrebungen verfolgen, deren Verbot mangels Anhaltspunkten, die die Zielerreichung zumindest möglich erscheinen lassen, jedoch nicht ausgesprochen wurde.“ (Seite 36 der BT-Drs.)
Das kann m.E. nur bedeuten, daß von § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) WaffG nur verbotene Parteien und diejenigen Parteien betroffen sind, bei denen das BVerfG verfassungsfeindliche Bestrebungen festgestellt hat; sonst bedürfte es dieser Klarstellung nicht. Die Zuverlässigkeit sonstiger Parteimitglieder ist nicht in Frage gestellt. Etwas anderes ließe sich auch mit dem Parteienprivileg des Art. 21 GG nicht vereinbaren.
Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann niemand die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen. Insofern kommt dieser Entscheidung konstitutive Bedeutung zu. (BVerfG Leitsatz 1, Urteil v. 21.03.1961 – 2 BvR 27/60)
Diese Entscheidung ist durch die Änderung des Art 21 GG seit dem 20.07.2017 nicht obsolet. Nunmehr entscheidet das BVerfG auch über die Frage, ob Parteien nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Das BVerwG hat in seiner Entscheidung v. 19.06.2019 – 6 C 9/18 (RN 17) – ausdrücklich darauf verwiesen, daß die Neuregelung des GG auf seine Entscheidung noch nicht anwendbar sei.
Spannungsverhältnis zwischen § 5 Abs. 2 Nr. 2 b) und § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) WaffG
Durch die oben dargestellte Gesetzesänderung hat sich bezüglich der Parteien eine absurde Situation ergeben.
In der Regel unzuverlässig ist:
- Wer Mitglied in einer Partei ist, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nach § 46 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes festgestellt hat (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 b) WaffG) oder
- bei wem Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß er Mitglied in einer Partei ist, die Bestrebungen verfolgt, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 b) WaffG).
§ 5 Abs. 2 Nr. 3 b) WaffG läßt den Verdacht einer Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei genügen; § 5 Abs. 2 Nr. 2 b) WaffG setzt das Parteienprivileg um und fordert die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Partei durch das BVerfG, um die Regelunzuverlässigkeit zu vermuten. Die Diskussion um das Spannungsverhältnis nach der alten Rechtslage, lex specialis oder nicht [], hat sich damit erledigt. § 5 Abs. 2 Nr. 2 b) WaffG hat keinen eigenständigen Regelungsgehalt mehr. Die nachgewiesene Mitgliedschaft bestätigt die Vermutung der Mitgliedschaft.
Das Parteienprivileg
Wir haben es in diesem Beitrag bereits erwähnt, das Parteienprivileg, und auf den Leitsatz der Entscheidung des BVerfG 2 BvR 27/60 verwiesen. Es schützt die Partei in ihrem Bestand, solange ihre Verfassungswidrigkeit nicht festgestellt ist. Bis zu diesem Zeitpunkt darf die Partei in ihrer politischen Tätigkeit nicht behindert werden. Ihren Ursprung hat das Prinzip in Art. 21 GG.
Letztlich geht es darum, daß eine politische Partei nicht ohne ihre Mitglieder und Funktionäre existieren kann und deshalb wegen des Schutzes der Parteien keine rechtlichen Nachteile daran geknüpft werden dürfen, Mitglied einer Partei zu sein, die nicht verboten wurde.
Für die Frage der Zuverlässigkeit ist dieses Thema in der Rechtsprechung in zwei Fällen hochgekocht.
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.09.2009- 6 C 28/08 – betraf ein Mitglied der Deutschen Volksunion, die nicht verboten war. Das Gericht hat sich hier ausführlich mit dem Parteienprivileg beschäftigt, meint aber, die Parteien seien durch eine waffenrechtliche Sonderbehandlung ihrer Mitglieder nicht beeinträchtigt:
“ Dagegen beeinträchtigt die Annahme einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit eines Parteimitglieds oder -anhängers nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG die von Art. 21 GG geschützte Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung nicht in rechtserheblicher Weise. Zwar kann grundsätzlich das, was dem Mitglied oder Anhänger einer Partei an parteioffizieller oder parteiverbundener Tätigkeit von Verfassungs wegen gestattet ist, nicht in anderen Rechtsbereichen mit nachteiligen Folgen verknüpft werden, soll nicht die Rechtsordnung zu sich selbst in Widerspruch treten (s. in diesem Sinne bereits BVerfG, Beschlüsse vom 27. Juni 1961 – 1 BvR 486/59 – BVerfGE 13, 46 <52> und vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 – BVerfGE 39, 334 <357 f.>). Dieser Grundsatz erleidet aber dann eine Ausnahme, wenn der Gesetzgeber aufgrund anderer Verfassungssätze verpflichtet oder jedenfalls berechtigt ist, eine abweichende Regelung zu treffen.“ (BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 – 6 C 29/08 –, Rn. 21, juris)
Zunächst die Bestätigung des Grundsatzes, daß Parteimitglieder aus ihrer Mitgliedschaft keine nachteiligen Rechtsfolgen hinzunehmen haben. Um sodann im nächsten Satz den Hammer der konkurrierenden Grundrechte herauszuholen:
„wohl aber die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG herzuleitende allgemeine staatliche Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit, die den Gesetzgeber berechtigt, Gründe für eine regelmäßig anzunehmende waffenrechtliche Unzuverlässigkeit auch im Verhältnis zu Mitgliedern und Anhängern politischer Parteien aufzustellen und auszugestalten.“
Das BVerwG hat dann zurückverwiesen weil nicht klar war, ob die vom Kläger verfolgten Bestrebungen verfassungswidrig waren und ob nicht der lange beanstandungsfreie Waffenbesitz die Vermutung der Unzuverlässigkeit widerlegt. Damals galt noch der Grundsatz, daß der Betroffene die Bestrebungen verfolgt oder unterstützt haben mußte (siehe oben 1.1 alte Rechtslage). Nach neuer Rechtslage soll bereits die Mitgliedschaft ausreichen.
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.06.2019 – 6 C 9/18 – betraf ein Mitglied der NPD, die nicht verboten ist.
Der Entscheidung voraus gingen Entscheidungen des Sächsischen Oberverwaltungsgericht v. 16. März 2018 – 3 A 556/17 – und die Ausgangsentscheidung des Verwaltungsgerichtes Dresden
Vorinstanz VG Dresden – 4 K 286/16
Das Verwaltungsgericht Dresden beschäftigte sich in seiner Entscheidung vom 23.06.2016 – 4 K 286/16 ausführlich mit der Problematik des Parteienprivilegs, gab der Klage des Parteimitgliedes statt und widersprach ausdrücklich der Entscheidung des BVerwG in der DVU-Sache. Und das mit ziemlich markanten Worten:
„Etwas anderes folgt auch nicht aus der Schutzpflichtendimension des Art. 2 Abs. 2 GG, welche vom Bundesverwaltungsgericht (aaO, Rdnr. 21) als Rechtfertigung dazu herangezogen wird, eine Ausnahme vom Verbot zu statuieren, an die parteioffizielle Tätigkeit in nicht verbotenen Parteien nachteilige Folgen zu knüpfen. Abgesehen davon, dass Umfang und Reichweite der staatlichen Schutzpflichten weitgehend unbestimmt sind, führt diese Art von Ausnahme zur Aushöhlung des Parteienprivilegs. Denn das – bisher unbewiesene – Argument der Gefährlichkeit eines bestimmten Verhaltens und der Notwendigkeit, die Allgemeinheit waffenrechtlich davor zu schützen, lässt sich auf eine Vielzahl anderer Fälle von Betätigungen und Verhaltensweisen übertragen, deren Ausübung durch politisch missliebige Parteien und deren Mitglieder als inopportun erscheinen mag. Würde man dem folgen, bliebe vom materiellen Gehalt des Parteienprivilegs so gut wie nichts mehr übrig (Wiedemann/Snowadsky, aaO, 106). Es spricht für sich, dass es in den Gesetzesmaterialien zu § 5 Abs. 2 und 3 WaffG nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür gibt, dass der Gesetzgeber beabsichtigt hat, das Parteienprivileg über Art. 2 Abs. 2 GG einzuschränken. Aufgabe der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist es, den Staat in seine rechtsstaatlichen Schranken zu weisen, nicht aber vorauseilend eigene Rechtspolitik zu betreiben.“ (VG Dresden, Urteil vom 23. Juni 2016 – 4 K 286/16 –, Rn. 23, juris)
Dem ist aus meiner Sicht nichts mehr hinzuzufügen. Anders jedoch das Bundesgericht.
Auseinandersetzung mit dem Parteienprivileg in BVerwG 6 C 9/18
Ausdrücklich stellt das Gericht zunächst darauf ab, daß auf seine Entscheidung noch nicht die Änderung des Art. 21 GG anzuwenden sei, mit der dem BVerfG die Kompetenz der Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei außerhalb des Parteiverbotsverfahrens eingeräumt wurde. Seit der Änderung kann in einem gesonderten Verfahren [] die Verfassungswidrigkeit auch in den Fällen festgestellt werden, in denen ein Verbot nicht in Frage kommt.
Seitdem gilt m.E. noch mehr der oben zitierte Leitsatz des BVerfG, daß bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts niemand die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen kann.
Zunächst behauptet das Gericht, ein zielgerichteter Eingriff in die Freiheit der politischen Betätigung der betreffenden Partei liege nicht vor, da waffenrechtliche Erlaubnisse für eine solche Betätigung ohne Relevanz sind. Wirklich? Das Gericht kratzt noch die Kurve und relativiert:
„Allerdings ist eine mittelbare bzw. faktische Beeinträchtigung nicht auszuschließen, wenn die Aussicht der Nichterteilung oder des Widerrufs einer waffenrechtlichen Erlaubnis bei einem Teil der Anhänger der Partei dazu führen kann, von Aktivitäten für die Partei abzusehen.“
Ich erlaube mir die Prognose, daß kaum ein Jäger bereit sein wird, die Jagd für seine politische Betätigung aufzugeben. Und auch unter den Sportschützen wird sich wohl nur ein geringer Anteil derjenigen finden, der für seine Teilhabe an der politischen Meinungsbildung seinen Sport aufzugeben bereit ist.
Jäger und Sportschützen können nur noch in den anderen Parteien Mitglied werden, ohne ihre waffenrechtlichen Erlaubnisse zu verlieren? Die Mitgliedschaft in der AfD und Jäger oder Sportschütze zu sein ist inkompatibel?
Den Behörden steht bei der Erteilung der waffenrechtlichen Erlaubnisse im Regelfall kein Ermessen zu, § 4 Abs. 1 WaffG. Der Bürger hat einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Erlaubnisse, sofern die Voraussetzungen erfüllt werden. Die vom BVerwG (im DVU-Urteil) in Bezug genommenen Entscheidungen betrafen Ermessensentscheidungsfälle.
Das Gericht vertieft die Problematik nicht, sondern zieht sich auf seine zehn Jahre zurückliegende Entscheidung zurück und zeigt wieder die Keule der Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit:
„Von dem Grundsatz, dass eine von Verfassungs wegen erlaubte parteioffizielle oder parteiverbundene Tätigkeit von Mitgliedern oder Anhängern einer Partei nicht in anderen Rechtsbereichen mit nachteiligen Folgen verknüpft werden kann (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 27. Juni 1961 – 1 BvR 486/59 – BVerfGE 13, 46 <52> und vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 – BVerfGE 39, 334 <357 f.>), ist jedoch eine Ausnahme zu machen, wenn der Gesetzgeber aufgrund anderer Verfassungssätze verpflichtet oder jedenfalls berechtigt ist, eine abweichende Regelung zu treffen.“ (BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2019 – 6 C 9/18 –, BVerwGE 166, 45-64, Rn. 18)
Sebastian Roßner hat auf die Wertungswidersprüche zu Recht hingewiesen:
„Die Rechtsprechung des BVerwG ist auch aus einem anderen Grunde nicht überzeugend. Denn wenn die Zweifel an der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit gerade dadurch begründet werden, dass die Partei verfassungsfeindlich ist, welcher der Betreffende angehört, werden die zuständigen Behörden und Gerichte immer wieder dazu gezwungen, die betreffende Partei politisch-inhaltlich zu bewerten und an diese Bewertung ggfs. negative rechtliche Konsequenzen zu knüpfen. Dies ist aber nach dem sogenannten Parteienprivileg aus Art. 21 Abs. 2 und neuerdings auch aus Abs. 3 GG den Verfassungsrichtern vorbehalten.“
Verfassungsmäßige Ordnung
Der Begriff verfassungsmäßige Ordnung ist mehrdeutig, bezeichnet beispielsweise auch die Gesamtheit aller Rechtsnormen, die formell und materiell im Einklang mit der verfassungsmäßigen Ordnung stehen (vgl. BVerfGE 6, 32 <37 f.>). Wer eine Änderung einer Vorschrift des BGB anstrebt, verstößt sicherlich nicht gegen die verfassungsgemäße Ordnung im Sinne der Regelungen zur Zuverlässigkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) WaffG.
Exkurs WaffRNeuRegG
Eingeführt wurde der Begriff in das WaffG durch das WaffRNeuRegG 2002.
Der Gesetzentwurf der BReg sah die Formulierung vor
„3. einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt haben, „
Der Bundesrat fand das nicht konkret genug und beanstandete dies:
„Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG-E soll ein Tatbestand der Regelunzuverlässigkeit bereits dann eingreifen, wenn der Betroffene – einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung – verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt oder in den letzten fünf Jahren verfolgt hat. Es erheben sich angesichts des weit gefassten Tatbestands Zweifel, ob die Grundrechtsbeschränkung (jedenfalls des Grundrechts auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Artikel 2 Abs. 1 GG) hinreichend verfassungsrechtlich legitimiert ist, namentlich dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Rechnung trägt (s. im Übrigen zum „Entscheidungsmonopol“ des Bundesverfassungsgerichts bei der Verwirkung von Grundrechten: Jarass in Jarass/Pieroth, GG-Komm., 5. Aufl. 2000, Artikel 18 Rn. 3 m. w. N.; s. weiter zum „Parteienprivileg“ Artikel 21 Abs. 2 GG). Kriterien für eine – einschränkende – Auslegung des Merkmals des „Verfolgens (verfassungsfeindlicher Bestrebungen)“ sind nicht ersichtlich; ausweislich der Begründung (S. 103) soll „jedwede – individuelle oder kollektive – verfassungsfeindliche Betätigung“ genügen. Eine (verfassungskonforme) Konkretisierung des Tatbestandes erscheint geboten. Hierfür bietet sich eine Anlehnung an die Vorschrift des § 86 Nr. 2 AuslG (und zugleich an die – in der Begründung (S. 103) wohl angesprochenen – Oberbegriffe in § 4 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 BVerfSchG bzw. § 92 Abs. 3 StGB) an.“ (BT-Drs. 14/7558 Seite 105)
Der Bundesrat schlug folgende Formulierung vor:
„3. einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt haben, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind,“
Die BReg stimmte den Bedenken zu [], wollte jedoch den Rekurs auf Art. 9 Abs. 2 GG.
Gewollt ist die in Art. 9 Abs. 2 GG genannte verfassungsmäßige Ordnung , die die freiheitliche demokratische Grundordnung meint, also die grundlegenden demokratischen Prinzipien.
Freiheitlich demokratische Grundordnung
Das ist immer noch wenig konkret. Hilfreich ist hierzu der vom BRat herangezogene § 4 Abs. 2 BVerfSchG
(2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen:
a) das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
b) die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
c) das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
d) die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
e) die Unabhängigkeit der Gerichte,
f) der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und
g) die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.
Fazit Zuverlässigkeit
Bis zur Rechtsänderung durch das 3. WaffRÄndG 2020 war derjenige regelmäßig waffenrechtlich unzuverlässig, bei dem Tatsachen die Annahme rechtfertigten, daß er Bestrebungen verfolgte oder unterstützte, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind. Solange keine nachweislichen Erkenntnisse vorlagen konnte die Zuverlässigkeit nicht abgesprochen werden.
Seit der Gesetzesänderung bestimmt § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) WaffG, daß derjenige die waffenrechtliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht besitzt, bei dem Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß er Mitglied in einer Vereinigung ist, die Bestrebungen verfolgt, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind.
Die mangelnde Zuverlässigkeit ergibt sich also bereits aus dem Verdacht der Mitgliedschaft in einer solchen Vereinigung; nachweisliche Erkenntnisse über die dortigen Aktivitäten des Mitgliedes sind nicht mehr erforderlich.
Parteien sind Vereinigungen im Sinne des Gesetzes.
Art. 21 Abs. 4 GG bestimmt, daß ausschließlich das BVerfG die Verfassungswidrigkeit einer Partei feststellt. Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann niemand die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen; die Mitgliedschaft darf in anderen Rechtsbereichen nicht mit nachteiligen Folgen verknüpft werden.