Beiträge

Politikverdrossenheit

Provinzposse aus der Hauptstadt. Verschlafen reibe ich mir die Augen ob der Überschrift auf der ersten Seite der Berliner Morgenpost:

Nußbaum fordert Gewerbesteuer für Freiberufler
Quelle: BM 20.05.2009

Habe ich bei der Föderalismusreform etwas verschlafen? Nein, der Herr Senator braucht Geld. Kaum im Amt, werden Forderungen an die Bundespolitik erhoben; beruhigt lehne ich mich zurück und lasse mich überraschen:
Weiterlesen

ROTFL: AGH Schleswig Holstein

Der 2. Senat des Anwaltsgerichtshof Schleswig-Holstein – 2 AGH 6/07 – besetzt mit drei Rechsanwälten und zwei Vorsitzenden Richtern am Oberlandesgericht hat zugeschlagen! Da haben doch tatsächlich Rechtsanwälte für sich mit einer Zeitungsanzeige geworben:

KÜNDIGUNG?
TERMIN NOCH HEUTE!
Rechtsanwälte für Arbeitsrecht

Ein Kollege war entsetzt und machte eine „Eingabe“ bei der Rechtsanwaltskammer. Es kam, wie es wohl kommen mußte: Die Schleswig-Holsteinische Rechtsanwaltskammer untersagte den Rechsanwälten mit Bescheiden vom 12.09.2007 und 26.09.2007 unter Verwendung der Bezeichnung „Rechtsanwälte für Arbeitsrecht“ für ihre Kanzlei zu werben. Dagegen stellte einer der Rechtsanwälte einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der am 15.10.2007 per Telefax einging und das Aktenzeichen 2 AGH 6/07 erhielt. Knapp anderthalb Jahre später fiel die Entscheidung. Aber völlig anders als zu erwarten war!

Bereits am 25.11.2002 hat der BGH – AnwZ (B) 8/02 – der Berliner Rechtsanwaltskammer die Leviten gelesen:

1. Die Bundesrechtsanwaltsordnung verleiht dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer
nicht das Recht, festgestellten Verstößen gegen berufsrechtliche Bestimmungen mit einer Unterlassungsverfügung zu begegnen.

In den Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK-Mitt. 2003, 23) lautet der 2. Leitsatz der Redaktion dazu:

2. Derart weitgehende, einschneidende Eingriffsmöglichkeiten
würden der Stellung des RA nicht gerecht, da dieser unabhängiges
Organ der Rechtspflege ist und als solches nicht in
einem allgemeinen Abhängigkeits- oder Unterordnungsverhältnis
zum Kammervorstand steht.

Die Entscheidung ist in zahlreichen juristischen Publikationen veröffentlicht. Im Beschluß des AGH kann man leider nicht nachlesen, warum der Senat von der Entscheidung des BGH abgewichen ist.

Nach der Rechtsprechung des BGH wären die „Bescheide“ auch nicht in Teilbereichen aufrecht zu erhalten gewesen – BGH 14.07.2003 AnwZ (B) 59/02:

1. Eine Rechtsanwaltskammer kann nicht einen Bescheid, soweit er eine Regelung trifft (hier: Untersagung der Briefkopfgestaltung einer Anwaltskanzlei), teilweise zurücknehmen und ihn im übrigen, soweit er „Beratungen und Belehrungen“ enthält, aufrechterhalten.

Dem AGH jedenfalls waren die BRAK-Mitteilungen bekannt, denn er zitiert aus ihnen eine Entscheidung des BVerfG wonach die Werbung des Rechtsanwaltes nicht irreführend sein darf und stellt fest, daß die Werbung als Rechtsanwälte für Arbeitsrecht nicht nur irreführend, sondern auch verwechslungsfähig ist. Die Argumentation ist verblüffend und erinnert an einen circulus vitiosus:

Hier liegt nicht nur eine Irreführung vor, sondern auch die Gefahr der Verwechslung mit Fachanwaltschaften. Die Bezeichnung „Rechtsanwälte für Arbeitsrecht“ ist für den unbefangenen Rechtssuchenden sogar weitergehend als die Bezeichnung „Fachanwälte für Arbeitsrecht“. Eine größere Annäherung an die Bezeichnung „Fachanwälte für Arbeitsrecht“ ist begrifflich nicht denkbar. Eine Zulässigkeit dieser Form von Werbung entwertet den Begriff des Fachanwaltes völlig. Die Werbung ist auch irreführend. Auf diese Art der Werbung kann irrigerweise angenommen werden, dass hier Spezialisten tätig sind oder zumindest Fachanwälte. Beides liegt nicht vor.

Den Weg zum BGH wollte der AGH nicht eröffnen:

Die Zulassung der Beschwerde kam nicht in Betracht, da es sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung handelt, § 223 Abs. 3 BRAO.

Wer hätte das nach der Begründung gedacht?

Die anwaltlichen Richter am AGH sind 1975, 1979 und 1983 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden, der jüngste ist Fachanwalt.

AGH Schleswig-Holstein 2 AGH 6/07

Beschluss

In der Anwaltsgerichtshofsache der Rechtsanwälte XY
gegen die Schleswig-Holsteinische Rechtsanwaltskammer

wegen: Anfechtung

hat der Schleswig-Holsteinische Anwaltsgerichtshof am 05.02.2009 beschlossen:

Der Antrag des Antragstellers, die Bescheide der Antragsgegnerin vom 12.09.2007 und 26.09.2007 zum Aktenzeichen … aufzuheben, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die ursprünglich zur gemeinsamen Berufsübung in einer Kanzlei verbundenen Antragsteller haben ihre Kanzlei zum 31.12.2008 aufgelöst und beantragt, das Aktivrubrum zu ändern auf…

Angefochten sind die Bescheide der Antragsgegnerin vom 12.09.2007 und 26.09.2007, wonach es den Antragstellern untersagt ist, unter Verwendung der Bezeichnung „Rechtsanwälte für Arbeitsrecht“ für ihre Kanzlei in… zu werben.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung datiert vom 15.10.2007 und wurde am gleichen Tage per Telefax eingereicht und ging schriftlich am 17.10.2007 ein.

Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.09.2007 enthält lediglich die Mitteilung einer Rechtsauffassung der Antragsgegnerin, mit der auch rechtliches Gehör gewährt wurde.

Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.09.2007 enthält die Untersagungsverfügung und droht berufsaussichtsrechtliche Maßnahmen an. Der Bescheid vom 26.09.2007 stellt also die anzufechtende Verfügung dar. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist damit rechtzeitig und zulässig, § 223 I BRAO.

II.

Die Antragsteller schalteten am 01.09.2007 die nachstehende Anzeige in der Zeitung mit der Bezeichnung „Rechtsanwälte für Arbeitsrecht“.

(Es folgt die Wiedergabe der Anzeige)

Aufgrund der Eingabe eines Kollegen teilte die Antragsgegnerin den Antragstellern mit, dass diese Werbeanzeige gegen die Berufspflichten nach § 7 ABS. 1 Satz 2 BORA verstoße.

Die berufsrechtliche Möglichkeit der Werbung und der Angabe von Teilbereichen der Berufstätigkeit samt eventueller Spezialisierungshinweise nach § 7 Abs. 1 Abs. 2 BORA werde begrenzt durch das Irreführungsverbot des „§ 7 Abs. 2 BORA. Danach seien entsprechende Benennungen unzulässig, soweit sie die Gefahr einer Verwechslung mit Fachanwaltschaften begründen oder sonst irreführend sind. Die Bezeichnung „Rechtsanwälte für Arbeitsrecht“ begründe die Verwechslungsgefahr mit der nur auf Antrag unter Nachweis der besonders theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen im Arbeitsrecht verliehenden Fachanwaltschaft. Der Rechtslaie sei regelmäßig nicht in der Lage, aus der Begriffsführung „Rechtsanwälte für Arbeitsrecht“ den wesentlichen Unterschied zur geprüften Fachkompetenz des „Fachanwaltes für Arbeitsrecht“ zu erlassen. Damit sei die Irreführungsgefahr gebeten.

Hiergegen wenden sich die Antragsteller mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Die von den Antragstellern verwendete Form der Werbung sei vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst und stünde nicht im Widerspruch zu § 7 Abs. 1 und Abs. 2 BORA. Eine Anlehnung an die Bezeichnung Fachanwalt aufgrund der Bezeichnung „Rechtsanwälte für Arbeitsrecht“ läge nicht vor. Eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § z Abs. BORA sei nicht zu befürchten.

III.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung war zurückzuweisen.

1) Eine Berichtigung des Rubrums kam nicht in Betracht. Die Auflösung der gemeinsamen Kanzlei ist auf die Beteiligtenstellung der Antragsteller im vorliegenden Verfahren ohne Auswirkung.

2) Die Bezeichnung „Rechtsanwalt für Arbeitsrecht“ ist gem. § 7 Abs. 2 BORA unzulässig, da sie die Gefahr einer Verwechslung mit dem „Fachanwalt für Arbeitsrecht“ begründet und irreführend ist.

Eine Kollision dieser Norm mit Art. 12 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 28.07.2004 (BRAK Mitteilung 5/2004 Seite 231 ff.) festgestellt, dass sich ein Verbot der Selbstdarstellung von Verfassungs wegen nicht rechtfertigen lässt, sofern die Angaben „nicht irreführend sind“.

Hier liegt nicht nur eine Irreführung vor, sondern auch die Gefahr einer Verwechslung mit Fachanwaltschaften. Die Bezeichnung „Rechtsanwälte für Arbeitsrecht“ ist für den unbefangenen Rechtssuchenden sogar weitergehend als die Bezeichnung „Fachanwälte für Arbeitsrecht“. Eine größere Annäherung an die Bezeichnung „Fachanwälte für Arbeitsrecht“ ist begrifflich nicht denkbar. Eine Zulässigkeit dieser Form von Werbung entwertet den Begriff des Fachanwaltes völlig. Die Werbung ist auch irreführend. Aud diese Art der Werbung kann irrigerweise angenommen werden, dass hier Spezialisten tätig sind oder zumindest Fachanwälte. Beides liegt nicht vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 223 IV i. V. m. “ 201 BRAO.

Die Zulassung der Beschwerde kam nicht in Betracht, da es sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung handelt, § 223 Abs. 3 BRAO.

Grundrechtsabwägung zu lasten des Verteidigers

Es ist schon die zweite Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG v. 03.04.2009 – 1 BvR 654/09) mit der das Interesse der Presse an einer Bildberichterstattung über den Verteidiger höher bewertet wurde als das Interesse des Verteidigers, nicht abgelichtet zu werden.

Die angegriffene Entscheidung des Vorsitzenden einer großen Strafkammer in Berlin:

Ferner ordnete er an, dass der Angeklagte und sein Verteidiger auch weiterhin nicht gezwungen werden, sich vor Aufruf der Sache im Sitzungssaal aufzuhalten und sich Foto- oder Filmaufnahmen zu stellen.

Weiterlesen

Lügende Anwälte

Dem Berliner Anwaltsblatt 03/2009 liegt eine 16-seitige Broschüre eines Sekretariatsservice bei. Ein wahres Schnäppchen!

Das neue Vorzimmer für Ihre Kanzlei
Wir nehmen Ihre Anrufe diskret im Namen Ihrer Kanzlei entgegen und bearbeiten diese genau nach Ihren Vorgaben und Wünschen.
Quelle: Anwaltssekretariat

Schon für eine monatliche Grundgebühr ab 39 € klingelt es nicht im Büro Ihres Anwalts, sondern in einem Callcenter, das sich mit dem Namen der Anwaltskanzlei meldet und Sie bestens geschult nach Ihren Wünschen befragt. Manche nennen es diskret, ich nenne es Betrug. Der Anrufer weiß nicht, daß er mit einem anonymen Mitarbeiter eines Callcenters telephoniert, den der Anwalt nicht einmal persönlich kennt, geschweige denn, ihn in der täglichen Arbeit kontrollieren und überwachen kann. Derselbe Callboy telephoniert ein paar Minuten später im Auftrag des gegnerischen Kollegen mit dessen Mandanten?

Voller Grauen möchte ich dies für eine klare Werbung nutzen: Unsere Anrufer können sehen, mit wem sie sprechen. Ihre Informationen bleiben in der Kanzlei! Wenn Sie eine der Rufnummern unserer Kanzlei anwählen, sprechen Sie mit einem der gut bezahlten Mitarbeiter der Kanzlei und nicht mit einem Unbekannten, der sich nur mit dem Kanzleinamen meldet.

Der Anwalt, der sich eines solchen Service bedient und seine Mandanten derart täuscht, verstößt nach meiner Ansicht gegen das Berufsrecht, das Verbot der Lüge. Ich möchte keinen Anwalt, der mich schon beim ersten Anruf belügen läßt und noch nicht einmal sein Berufsrecht derart auslegt.

Wobei dies natürlich auch ein Auswahlkriterium für den Mandanten darstellen kann :-)