Umgehung des Gegenanwaltes Verstoß gegen UWG

§ 12 Abs. 1 der Berufsordnung für Rechtsanwälte bestimmt:

Der Rechtsanwalt darf nicht ohne Einwilligung des Rechtsanwalts eines anderen Beteiligten mit diesem unmittelbar Verbindung aufnehmen oder verhandeln.

Eine eindeutige Regelung, die dem Schutz des gegnerischen Mandanten dient, der nicht direkt kontaktiert werden soll und damit unter Umständen zur Abgabe benachteiligender Erklärungen bewegt wird, die er bei vorheriger Beratung mit seinem Rechtsanwalt nicht abgeben würde (Hartung, BORA §12 RN 2).

In den Kommentierungen liest man allenthalben, daß ein Verstoß gegen dieses berufsrechtliche Verbot keine wettbewerbsrechtliche Folge habe. Begründet wird dies mit Entscheidungen zum alten UWG vor 2004.

Diese Ansicht ist wohl nicht mehr haltbar. Angeblich sei das Verbot keine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG.

Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Auflage 2008, Randnummer 11.34, definiert:

Als Marktverhalten ist jede Tätigkeit auf einem Markt anzusehen, durch die ein Unternehmer auf die Mitbewerber, Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer einwirkt.

Damit regelt § 12 BORA eindeutig, wie der Marktteilnehmer Rechtsanwalt nicht auf den Verbraucher einwirken darf. Es ist eine die freie Berufsausübung massiv einschränkende Regelung, die nur durch die überwiegenden Gemeinwohlbelange der Verbraucher gerechtfertigt ist. Wenn eine Norm, die regelt, wie die anwaltliche Dienstleistung zu erbringen ist (nämlich nicht in der direkten Auseinandersetzung mit dem Gegner, sofern dieser anwaltlich vertreten ist) keine Regelung des Marktverhaltens darstellt, welche Norm soll dann noch eine Marktverhaltensregelung darstellen?

Dieses Ziel wollte der Gesetzgeber auch mit der UWG-Novelle erreichen:

Neu in das UWG aufgenommen wird die Regelung des § 1 als Schutzzweckbestimmung. Geschützt werden insbesondere die Angebotsfreiheit der Wettbewerber und die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher. Hierdurch wird vor allem auch die Stellung, die dem Verbraucher im Rahmen des Lauterkeitsrechts zukommt, unterstrichen. Das UWG schützt nämlich auf Grund eines von der Rechtsprechung angenommenen Funktionswandels nicht nur den Mitbewerber, sondern ebenso den Verbraucher (z. B. Urteil des BGH GRUR 1999, 751 ff. [Güllepumpen] m. w. N.). Gleichzeitig wird an der von der Rechtsprechung entwickelten Schutzzweck-Trias festgehalten, wonach das UWG die Mitbewerber, die Verbraucher und Belange der Allgemeinheit schützt. An dem bisherigen Prinzip, unlauteres Handeln im Wettbewerb durch eine Generalklausel zu untersagen, wird damit auch nach der Reform festgehalten, da sich dieses Prinzip des deutschen Lauterkeitsrechts bewährt hat.
BTDrs 15/1487
, (Seite 13)

Ein paar Seiten weiter setzt sich die Begründung konkret mit dem Wettbewerbsverstoß durch Rechtsbruch auseinander:

Der Tatbestand der Nummer 11 betrifft die Fälle des Wettbewerbsverstoßes durch Rechtsbruch. Es ist allerdings mit Blick auf den Schutzzweck nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechts, Gesetzesverstöße generell zu sanktionieren. Daher ist die Vorschrift so gefasst, das nicht jede Wettbewerbshandlung, die auf dem Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift beruht, wettbewerbswidrig ist. Vielmehr wurde eine Beschränkung danach vorgenommen, dass der verletzten Norm zumindest eine sekundäre Schutzfunktion zu Gunsten des Wettbewerbs zukommen muss. Es wird dementsprechend nur ein Verstoß gegen solche Normen erfasst, die zumindest auch das Marktverhalten im Interesse der Marktbeteiligten regeln. Dies entspricht der neueren Rechtsprechung zu § 1 UWG a. F.
(aaO Seite 19, Hervorhebung durch den Verf.)

Ein Verstoß gegen § 12 BORA wird regelmäßig im Interesse der Mandanten hart bestraft. Hartung aaO, RN 24 verweist zurecht darauf, daß ein Verstoß regelmäßig nicht mit einer Rüge des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer geahndet werden kann, sondern als besonders schwerwiegender Verstoß gegen anwaltliches Berufsrecht von der Generalstaatsanwaltschaft mit anwaltsgerichtlichen Maßnahmen geahndet wird – „sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände eine mildere Beurteilung rechtfertigen.“

Es wird Zeit diesen Kollegen Anwälten das Umgehen des Gegenanwaltes zu verleiden. Das Wettbewerbsrecht ist dafür das richtige Mittel. Ich freue mich schon auf einen groben Fall, um vor einem OLG das neue Recht im Interesse der lauteren Kollegen durchzusetzen.

Die bisher bekannt gewordenen obergerichtlichen Entscheidungen OLG Nürnberg vom 27.07.2004 – 3 U 2102/04 – und OLG Köln vom 10.01.2003 – 6 U 181/02 – überzeugen jedenfalls aus den oben genannten Gründen nicht. Die ZK 16 des Landgerichtes Berlin -16 O 284/08 – hat im einstweiligen Verfügungsverfahren seine ablehnende Haltung sparsam begründet:

Gründe
§ 12 BORA ist keine Marktverhaltensregel im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG (OLG Nürnberg NJW 2005, 158; OLG Köln NJW 2003, 783; Hartung/Römermann, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 4. Auflage, §12 BO, Rn. 26; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 26. Aufl, UWG § 4 Rn.11.85; Link in: Ullmann JurisPK-UWG, § 4 Nr. 11, Rn. 153). Der gegenteiligen Ansicht des Antragstellers kann nicht beigetreten werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der Verfahrenswert entspricht 2/3 des Wertes der Hauptsache.

Schauen wir einmal.

2 Kommentare
  1. Andre Lanius
    Andre Lanius sagte:

    Hallo,

    etwas ähnliches ist mir letzte Woche passiert. Ich bin mit meinen Vermieter in einem Rechtstreit und das schon mitlerweile seit ca. 2 Jahren. U.a. geht es um sehr viele Mängel und um Nebenkostenabrechnungen, die ich am einklagen bin. Letzte Woche bekam ich von dem Anwalt meines Vermieters einen Direkt-Brief mit einer lächerlichen Rechnung von einem Monteur, der mal da war, um ein wenig an der Heizung rumzuschrauben. Allerdings wusste dieser Anwalt auch schon seit langer Zeit, wer mich rechtlicht vertritt. Immerhin hatte dieser Anwalt einen öfteren schriftwechsel mit meinen Anwalt. Morgen rufe ich bei meinen Anwalt mal an, denn ich denke, dass ich mit einer Verfassungsbeschwerde gute Aussichten auf Erfolg haben dürfte.

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