Totale Freiheit nach 283 Jahren – der ewige Streit um die Robe
Totale Freiheit nach 283 Jahren titelte der Berliner Justizstaatsekretär Hasso Lieber im Berliner Anwaltsblatt 2009, 223.
Jahrelang hatten wir uns gegen die Bevormundung durch die Justizverwaltung gewehrt, die uns die Farbe der Hemden und Krawatten während unserer Berufsausübung vor Gericht vorschrieb. Nachdem sie vor dem Oberverwaltungsgericht siegreich blieb (Beschluß v. 31.05.2007 – 12 N 55.07 -), hatte sie ein Einsehen und hob die überflüssigen Bestimmungen für Rechtsanwälte auf. Lieber schrieb in seinem Gastbeitrag:
Mit der Allgemeinen Verfügung der Senatsverwaltung für Justiz vom 23. März 2009 ist die staatlich verordnete Pflicht für Rechtsanwälte entfallen, eine Amtstracht vor den Berliner Gerichten zu tragen. Das heißt, Rechtsanwälte dürfen eine Robe tragen, müssen dies aber nicht.
Quelle: BerlAnwBl 2009, 223
So ein Unsinn! Bis vor das Oberverwaltungsgericht hat die Senatsverwaltung ihr Recht verteidigt, den Anwälten die Farbe der Krawatte und des Hemdes vorzuschreiben, und nun die „totale Freiheit“?.
Das mir erbrachte Geburtstagsgeschenk blieb weithin – zu Recht – unbeachtet, wurde es doch als Allgemeine Verfügung über die Amtstracht der Berliner Rechtspflegeorgane
Vom 23. März 2009 nur im von Anwälten selten gelesenen Amtsblatt für Berlin (2009, 1002) veröffentlicht und fiel dort wohl auch nur dem auf, der danach suchte. Der Beitrag von Lieber wurde aber gelesen und sofort vom ehemaligen Vorstandsmitglied der Rechtsanwaltskammer Berlin, Johannes Eisenberg, umgesetzt. Sonst eher pressescheu, weigerte er sich in einer Verhandlung vor einer Großen Strafkammer die Robe zu tragen und erschien in Jeans und Freizeithemd. Die TAZ übertrieb:
Und die Berliner Zeitung:
Unsere zutreffende Argumentation gegenüber der Justizverwaltung war und ist, daß ihr die Normsetzungskompetenz für eine derartige Regelung fehle und der Bundesgesetzgeber eine Regelung getroffen habe.
In § 59b II 6 c) BRAO hat der Gesetzgeber der Rechtsanwaltschaft aufgegeben, das Tragen der Berufstracht in einer Satzung zu regeln. Diesem Auftrag ist mit § 20 BORA nachgekommen worden:
Der Rechtsanwalt trägt vor Gericht als Berufstracht die Robe, soweit das üblich ist. Eine Berufspflicht zum Erscheinen in Robe besteht beim Amtsgericht in Zivilsachen nicht.
Es handelt sich schlicht um eine Ente wenn behauptet wird, die Robenpflicht sei für Rechtsanwälte aufgehoben. Bisher gab es eine Doppelfunktion der Verpflichtung zum Tragen der Robe: Berufspflicht und verfahrensrechtliche Pflicht. Letztere ist zurecht entfallen. Die Berufspflicht besteht fort! Die Ahndung der Verstöße gegen diese Berufspflicht obliegt den Vorständen der Kammern.
Die Kabinettsorder Friedrich Wilhelm I. vom 15.12.1726 für Gerichte und Juristen-Fakultäten:
Wir ordnen und befehlen hiermit allen Ernstes, dass die Advocati wollene schwarze Mäntel, welche bis unter das Knie gehen, unserer Verordnung gemäß zu tragen haben, damit man die Spitzbuben schon von weitem erkennt.
bleibt insofern aktuell, als die verfaßte Anwaltschaft die ihr vom Gesetzgeber auferlegte Verpflichtung selbst ausgestaltet.
Üblich war es bisher, weil es die staatlich verordnete Pflicht gab, die Robe zu tragen. Diese Pflicht – und damit auch die Üblichkeit – ist ja nun entfallen.
Also müssen wir erst einmal abwarten, was üblich wird. Ich bin auf die Reaktion der Leitfossilien der Rechtsanwaltskammer gespannt.
Die Presserklärung der RAK Berlin bestätigt:
Nur weil eine Rechtsvorschrift ein Verhalten vorschreibt wird dieses Verhalten nicht üblich. Die Frage nach der Üblichkeit ist eine rechtstatsächliche Frage.
Fakt ist, daß der Gesetzgeber in der BRAO das „Tragen der Berufstracht“ als besondere Berufspflicht des Rechtsanwaltes gegenüber Gerichten und Behörden vorausgesetzt hat und die näheren Regelungen der Rechtsanwaltschaft überlassen hat. Der ehemalige Hauptgeschäftsführer der Bunbdesrechtsanwaltskammer hat in BRAK-Mitteilungen 1996, 181 die Entstehungsgeschichte dargestellt und m.E. zurecht festgestellt, daß die Satzungsermächtigung nicht so weit geht, die Robenpflicht gänzlich aufzuheben.
Es wird zu beobachten sein, wie sich die tatsächliche Übung entwickelt, nachdem eine gerichtsverfassungsrechtliche Pflicht nicht mehr besteht.
Ich werde die Robe weiterhin tragen und schließe mich Piero Calamandrei an:
Ich mag es mir nur nicht vorschreiben lassen! Frei will ich mich beugen.
Der Vorstand der Berliner Strafverteidigervereinigung teilt soeben den Mitgliedern per eMail mit: