Ich werde alt

bureaucracy-1016169_640seit so vielen Jahren verteidige ich in Steuerstrafsachen aber es scheint immer schlimmer zu werden. Kistenweise hat die SteuFa Unterlagen mitgenommen.

Mir flattert der dazugehörige Durchsuchungsbefehl auf den Tisch. Die Anforderungen an die Begründung derartiger Beschlüsse sind sehr hoch, das Bundesverfassungsgericht versteht da relativ wenig Spaß.

Was mögen die Karlsruher wohl zu dieser mehr als knappen Begründung sagen?

Der Beschuldigte ist der Hinterziehung von Körperschaftssteuer und Umsatzsteuer für die Zeiträume 2012 bis 2014 zu Gunsten der XY durch Unterlassung der entsprechenden Erklärungsabgabe verdächtig.

Im Hinblick auf § 30 AO entfällt eine weitere Begründung.

Welche künftigen Arbeitserleichterungen bieten sich da:

  • Im Hinblick auf das Sozialgeheimnis entfällt eine weitere Begründung.
  • Im Hinblick auf das Bankgeheimnis[1] entfällt eine weitere Begründung.
  • Im Hinblick auf die ärztliche Schweigepflicht entfällt eine weitere Begründung.
  • Im Hinblick auf die anwaltliche Schweigepflicht entfällt eine weitere Begründung.
  • Vielleicht auch im Hinblick auf das richterliche Beratungsgeheimnis?

Da fehlen nicht ein paar Gründe, da wird überhaupt nichts Nachvollziehbares dargestellt, kein Lebenssachverhalt geschildert. Wie kann sowas einen Richtertisch verlassen?

Wenn ich die Akte bekomme werde ich bestimmt feststellen, daß der Beschluß 1:1 dem Antrag des Finanzamtes entspricht.

Wissen Sie was ein Kompositum ist? Erklärungsabgabe ist wohl ein Determinativkompositum, bei dem das erste Substantiv das zweite bestimmt. Es handelt sich also um eine Abgabe, genauer: Erklärungsabgabe. Vgl. Tisch + Decke = Tischdecke. Das Erstglied bestimmt das Zweitglied. Erklärung bestimmt Abgabe.

Was ist eine Abgabe? Abgabe (steuer-rechtlich) ist eine kraft öffentlichen Rechts begründete Geldzahlungspflicht an den Staat zur Erzielung von Einnahmen. Zu den Abgaben zählen Steuern, Gebühren, Beiträge und Sonderabgaben.[2].

Eine Abgabe auf Erklärungen, so wünschenswert sie auch sein mag, kennt das geltende Recht aber nicht. Ihr Unterlassen kann also keine Strafbarkeit begründen.

Aber ist ja egal, nicht wahr? Wir alle wissen ja schließlich was gemeint ist. In ein paar Jahren braucht es nichtmal diesen semantischen Schwachsinn, ein allgemeines Grunzen wird die Begründungserfordernisse erfüllen, suum cuique – Sau quiekt.

Vom Unterschied zwischen der Unterlassung und dem Unterlassen will ich hier nicht berichten. Der eine oder andere wird mich verstehen.

  1. [1]gibt es nicht
  2. [2]http://www.juraforum.de/lexikon/abgabe
9 Kommentare
  1. Miraculix
    Miraculix sagte:

    Der Durchsuchungsbefehl dürfte wohl vom zuständigen Gericht als rechtswidrig eingestuft werden. Würde man alle DB konsequent prüfen lassen käme man sicher auf eine Quote von mehr als 50% für die das zutrifft.
    Macht aber nix, der Beschluss taugt nur als Wandbekleidung. Weder dem der den Beschluss in Kenntnis der Rechtswidrigkeit beantragt hat noch dem Richter der solche Beschlüsse blanko unterzeichnet wird man auch nur DuDu sagen. Eher noch belobigen. Und gefundenes Material wird natürlich gegen den Betroffenen verwendet.

    Gegen rechtswidrige Maßnahmen ist Widerstand zulässig. Ich frage mich wie lange es noch dauert bis jemand auf die Durchsuchungsbeamte schießt und wegen zulässiger Notwehr freigesprochen wird. Dann hätte dieses Treiben wohl ein Ende – vorher nicht (leider). Dann trifft es mal wieder diejenigen die am wenigsten dafür können…

    Antworten
  2. meine5cent
    meine5cent sagte:

    @Miraculix:
    Mit der Notwehreinlassung dürfte man angesichts der Entscheidung BGH 1 StR 606/14 keinen Blumentopf gewinnen können….
    Und wer entscheidet, wann der Beschluss klar rechtswidrig, halbwegs rechtswidrig, oder gerade noch rechtmäßig ist? Der Bürger selbst? Dann brauchen wir sowieso keine Gerichte mehr, wenn jeder es selbst genau weiß.
    Mit Ihrer Argumentation müssten Sie ja jedem halbjuristisch Gebildeten, der irrtümlich einen Beschluss für rechtswidrig hält (und da gibt es zB in der Reichsbürgerszene ganz schön viele von der Sorte…) eine Putativnotwehr zubilligen.

    @RA Jede
    Das Zitieren des 30 AO und der Verzicht auf eine Begründung (in der zu vollziehenden Ausfertigung? Die werden ja manchmal ohne Gründe versehen, der Originalbeschluss in der Akte enthält dann die Gründe) kann gerade in Steuerstrafverfahren geboten sein, etwa wenn bei Dritten nach §103 StPO durchsucht wird (Banken; Auftraggeber, deren Zahlungen irgendwie nicht bei den Betriebseinnahmen gelandet sind…..), denen sonst steuerliche Verhältnisse bekannt gegeben würden.
    Ob das bei Ihrem Mandanten (Beschuldigter? oder die XY -GmbH/AG/Ltd ???) der Fall ist, geht leider nicht so genau aus Ihrem Beitrag hervor.

    Der 30 AO ist die Vorschrift, an die primär die den Beschluss vollziehende und die ermittelnde Finanzbehörde gebunden ist (anders als bei der anwaltlichen Schweigepflicht oder der ärztlichen..). Von daher hinkt Ihr Vergleich mit anderen Verschwiegenheitspflichten etwas, weil es bei denen eben nicht darum geht, dass die Ermittlungsbehörde ihnen unterliegt. Auch beim Sozialgeheimnis hinkt Ihr Vergleich, denn das bindet nur die Sozialversicherungsbehörden und nicht etwaige Ermittler wie Hauptzollamt/SteuFa etc.

    Antworten
  3. R24
    R24 sagte:

    Es ist leider immer wieder, gerade im Steuerstrafrecht, anzutreffen, dass die Richter ohne Prüfung blindlings unterschreiben. Und falls die strafrechtliche Würdigung im Nachgang wegen rechtswidriger Durchsuchung scheitert, stört das die Finanzbehörden nicht. Denn im Steuerrecht gibt es kein Beweisverwertungsverbot. Offensichtlich ist das Ziel dieser Aktionen, an die Unterlagen zu kommen, um die Steuern eintreiben zu können.

    Antworten
  4. StB Börni
    StB Börni sagte:

    Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Fall missverstehe oder Sie.

    Aber ich verstehe den DB so:

    Der Steuerpflichtige hat keine Körperschaft- und Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2012 bis 2014 abgegeben, er hat also die Abgabe der Erklärungen („Erklärungsabgabe“) unterlassen.

    Mit Abgabe ist hier nicht eine etwaige Zahlung von Steuern oder Ähnliches gemeint, sondern die Einreichung von Steuererklärungen.

    Antworten
  5. schneidermeister
    schneidermeister sagte:

    @StB Börni:
    Stimmt. Die ganze Semantikanalyse zur Abgabe, die keine Abgabe sei, weil Steuern u.a. Abgaben sind, ist etwas bizarr.

    In § 149 AO findet sich „Abgabe der Steuererklärung“ als gesetzliche Überschrift.

    Bei Eingabe in juris für das Wort Erklärungsabgabe gibt es 495 Rechtsprechungsnachweise vom Finanzgericht bis zum BFH und BGH…. Ob man Steuerstrafverteidigung machen sollte, wenn man schon mit dem Begriff Abgabe und seiner unterschiedlichen Bedeutung in der AO nicht zurecht kommt, wäre dann auch eine interessante Frage.

    • RA Jede:
      Da ist man mal ein paar Tage nicht da und schon treiben Trolle ihr Unwesen auf dem Blog.

      Wenn Sie sich hier nochmal auskotzen ohne vorher versucht zu haben, den Beitrag zu verstehen, werden Ihre Nachrichten künftig kommentarlos gelöscht.

      Der Beschluß ist rechtswidrig weil nicht ordnungsgemäß begründet. Nebenbei: Die Nichtabgabe der Steuerklärung ist nicht strafbar.

      Darüber hinaus habe ich den Mißbrauch der deutschen Sprache gegeißelt.

      Ich habe nicht geschrieben, daß Abgaben keine Steuern sind. Die Sprachanalyse, die Sie nicht verstanden haben, bezog sich auf das zusammengesetzte Hauptwort Erklärungsabgabe. „Abgabe der Steuererklärung“ und „Erklärungsabgabe“ haben wenig gemein. Der Gesetzgeber verstand dies und schrieb nicht „Steuererklärungsabgabe“.

      Juris weist unter „Rechtsprechung“ und „Erklärungsabgabe“ 35 Treffer aus. Ihre Behauptung ist nicht nur die Verwendung des Quantitätsmerkmals als Argument für Relevanz, sondern schlicht unwahr.

      Und Ihre Steilvorlage will ich hier gerne nutzen: Bereits im Referendariat habe ich die Voraussetzungen für den Fachanwaltstitel Steuerrecht mit dem Tag der Zulassung durch den Detmolder Kurs erfüllt. Ich habe auch im Strafrecht nie den Antrag gestellt. Ich halte nichts von dieser gesetzlichen Irreführung.

    Antworten
  6. schneidermeister
    schneidermeister sagte:

    Also ich weiß ja nicht, ob Ihr juris spinnt oder meines. Die Trefferanzahl ergibt sich, wenn man „Erklärungsabgabe“ als Suchbegriff eingibt und dann links unter dem Reiter „Rechtsprechung“ nachsieht (nicht etwa.““Rechtsprechung“ als weiteren Suchbegriff !)

    Habe gerade mein juris nicht an, aber alleine in der Rechtsprechungsdatenbank Berlin-Brandenburg erhalte ich für diesen Suchbegriff „Erklärungsabgabe“ 17 Treffer vom FG über KG und LSG; in der Rechtsprechungsdatenbank NRW weitere 37 Treffer. Und das sind nur die Entscheidungen der jeweils in diesen Ländern ansässigen Gerichte, die vom dortigen Justizportal als veröffentlichungswürdig angesehen wurden, also weniger, als bei juris eingestellt werden.
    Rechnen Sie das mal hoch auf 13 weitere Bundesländer und dazu noch die Bundesgerichte, dann sind Sie locker bei den 495 Treffern.

    • RA Jede:
      Sie haben Recht!
      Ich hatte den Strafrechtsfilter in Juris noch aktiv.
      Es bleibt eine sprachliche Untat. Die Abgabe ist etwas anderes als Das Abgeben. Jakob Grimm beschrieb das so:

      ABGABE [Lfg. 1,1], f. donum, exactio, das abgeben, hingeben, dann was unterthanen zu entrichten obliegt: eine abgabe auf den wein legen, die abgaben einfordern, erhöhen. das land ist mit vielen abgaben bedrückt, belastet.

      Was die Leute meinen ist klar, das verspätete Erklärungsabgeben. Die Erklärungsabgabe ist eine Abgabe auf Erklärungen.

      Andere Ansicht der Duden. Ich hätte da noch einen Duden zu verschenken. Dort findet man „Kautsch“ für das Ding, das ich als „Couch“ kenne :-)

    Antworten
  7. schneidermeister
    schneidermeister sagte:

    Entschuldigen Sie bitte meine Äußerung mit der „Ob man Steuerstrafverteidigung machen sollte….“ Das war ziemlich unsachlich.

    MfG

    Antworten
  8. Miraculix
    Miraculix sagte:

    @meine5cent:
    Die Entscheidung BGH 1 StR 606/14 ist völlig unpassend, dort lag ja gerade keine rechtswidrige Handlung vor (RN 24).
    > Und wer entscheidet, wann der Beschluss klar rechtswidrig, halbwegs
    > rechtswidrig, oder gerade noch rechtmäßig ist?
    Das zuständige Gericht. Es gibt aber Fälle in denen das ziemlich offensichtlich ist. Leider viel zu viele …
    Und ja, eine Putativnotwehr würde ich manchem zubilligen, vermutlich häufiger als Sie aber bei weitem nicht Jedem ;)

    Antworten

Trackbacks & Pingbacks

  1. […] Wir berichteten über diesen kuriosen Beschluß […]

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlassen Sie uns Ihren Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert