Oh, Rudolf von I.!
ist der überlieferte Ausruf des Kunden, der über die Teppichrolle stürtze. Rudolf von Ihering (auch Jhering) starb 1892 und prägte das deutsche Recht entscheidend. Er entwickelte ein Rechtsinstitut, das dem stürzenden Kunden bis zur Schuldrechtsreform vor ein paar Jahren die Anspruchsgundlage für seine Ansprüche lieferte.
Vor einem „Senat“ aus fünf Richtern des Bundesgerichtshofes werden am 13.02.2009 zwei Teams der juristischen Fakuläten der Universitäten Frankfurt/Oder und Mannheim um den Sieg kämpfen. Es handelt sich um eine Verhandlung in einem Moot Court:
Bei einem Moot Court handelt es sich um eine simulierte Gerichtsverhandlung, in der Studenten der Rechtswissenschaften als Vertreter fiktiver Prozessparteien vor einem Gericht einen Fall verhandeln. Für die Wertung kommt es neben der juristischen Lösung des Falles vor allem auf das rhetorische, prozesstaktische und argumentative Auftreten vor Gericht an.
Mit dem so genannten „Speisekartenfall“ wird ein Klassiker des Zivilrechts verhandelt, der auf die „Zivilrechtsfälle ohne Entscheidungen“ von Rudolf von Jhering zurückgeht. Er befasst sich mit den zivilrechtlichen Folgen eines Restaurantbesuchs, bei dem Gast und Wirt aufgrund einer Speisekarte, die von einem Dritten manipuliert wurde, von unterschiedlichen Preisen ausgehen.Pressemitteilung BGH
Hoffentlich halten sich die Richter an Iherings Mahnung:
Die Form ist die geschworene Feindin der Willkür, die Zwillingsschwester der Freiheit. Denn die Form hält der Verlockung der Freiheit zur Zügellosigkeit das Gegengewicht, sie lenkt die Freiheitssubstanz in feste Bahnen, daß sie sich nicht zerstreue, verlaufe, sie kräftigt sie nach innen, schützt sie nach außen. Feste Formen sind die Schule der Zucht und Ordnung und damit der Freiheit selber und eine Schutzwehr gegen äußere Angriffe, – sie lassen sich nur brechen, nicht biegen.
von Ihering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Ent-
wicklung, 2. Teil, Abteilung 2, S. 471.
Oft hört man mittlerweile von Richtern, daß die Verfahrensordnungen gleichsam nur hindern und einem gerechten Urteil abhold sind. Hoffen wir auf eine Renaissance von Iherings
„Feste Formen sind die Schule der Zucht und Ordnung und damit der Freiheit selber und eine Schutzwehr gegen äußere Angriffe, – sie lassen sich nur brechen, nicht biegen.“
Da verbleibt mir nur zu hoffen, dass sie mich verschont, jene feste Form von Freiheit. Mag Zucht und Ordnung jene beherrschen, die die „grenzenlose“ Freiheit in derlei festen Formen glücklich macht.
Mögen die Verfahrensordnungen der Einzelfallgerechtigkeit dienen oder wie sagen wir neuerdings: „Yes we can!“.
Einzelfallgerechtigkeit?
Wer bestimmt denn dann was Gerechtigkeit ist, wenn die Regeln des Weges zum Ziel nicht definiert sind und der Beliebigkeit unterliegen? Ist es dann wie bei den Sportarten, in denen man von taktischen Fouls spricht? Für die Einzelfallgerechtigkeit (den Sieg) die Regeln gebrochen?
Wann ist ein Urteil dann gerecht? Welches Ergebnis ist gerecht?
Der Gerechtigkeit zumindest nahe kommt nur das Urteil, das nach den Regeln der Prozeßordnung zustande kommt. Anderenfalls ist es nicht rechtmäßig zustande gekommen – es ist ungerecht.
Da möchte man am liebsten etwas zu schreiben.