Fundsache

Beim Aufräumen finde ich Kopien eines Schriftwechsels eines Doyen der Strafverteidiger in Berlin mit dem Generalstaatsanwalt bei dem Landgericht zur Frage der Vollmachtsvorlage. Er schrieb im Mai 2002:

Wir Strafverteidiger haben es uns mittlerweile angewöhnt, bei jedem Meldeschriftsatz Vollmachten beizulegen.
Im Grunde genommen ist dies „unwürdig“….
Wir hätten weder die englische Revolution gebraucht, noch die große französische Revolution, noch die Paulskirche, wenn wir als Anwälte nicht einen Anspruch darauf hätten, dass unser Wort als Wort gilt.
Wir brauche also keine Vollmachten einzureichen.
Ich werde mich in Zukunft zu den Akten melden, ohne eine Vollmacht einzureichen.
Ich beantrage:
Alle Dienststellen, die Ihnen unterstehen, darüber zu unterrichten, dass ein Anwalt keine Vollmacht einreichen muß, wenn er eine Akteneinsicht beantragt.

Interessant ist die wohl bei den Staatsanwaltschaften in Vergessenheit geratene Antwort des Generals:

… Ich darf Ihnen versichern, dass hier völlige Übereinstimmung mit Ihnen in dieser Rechtsfrage besteht.

Da ich davon ausgehen muß, dass den Dezernenten die Rechtslage bekannt ist, habe ich gemeint, von dem von Ihnen am Schluß Ihres Schreibens erbetenen Hinweis absehen zu können. Sollte es gleichwohl im Einzelfall zu Problemen kommen, meine ich, dass es dann dem jeweiligen Verteidiger obliegt, entsprechend vorstellig zu werden.

So eine Renovierung der Kanzlei bringt mache Dinge wieder ans Licht, die man vergaß.

2 Kommentare
  1. RA JM
    RA JM sagte:

    Dazu Meyer-Lohkamp/Venn, Vom (Un-)Sinn der schriftlichen „Strafprozessvollmacht“ in
    StraFo 7/2009:

    Der Behördenleiter in Berlin führt aus, dass es keine feststehende Praxis gebe, jeweils die „Umstände des Einzelfalls“ maßgeblich seien und lediglich „bei konkreten und gewichtigen Zweifeln“ die Vorlage einer Strafprozessvollmacht verlangt werde. Den Verf. ist aus der Praxis allerdings bekannt, dass in seinem Geschäftsbereich Formularverfügungen eingesetzt werden, bei denen ein „Zusatz (TAEl): Die Vollmacht ist noch vorzulegen“ angekreuzt werden kann.

    Auf der selben Linie wie der „Doyen der Strafverteidiger“ ihr Schlusswort:

    Unabhängig von diesen Erwägungen, die (je nach Sachlage) gegen oder für die Vorlage einer „Strafprozessvollmacht“ sprechen können, verbietet es zu guter Letzt die Errungenschaft der Freien Advokatur, der Aufforderung, eine Vollmacht vorzulegen, unkritisch bzw. in vorauseilendem Gehorsam nachzukommen und dem in einer solchen Aufforderung enthaltenen Misstrauen gegenüber der Erklärung des Verteidigers, er habe die Verteidigung des Beschuldigten übernommen, Vorschub zu leisten.

    Antworten

Trackbacks & Pingbacks

  1. […] im Beitrag Fundsache gepostete Schriftwechsel stammt vom Kollegen Jungfer, der ihn mir 2002 zu Verfügung stellte, […]

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlassen Sie uns Ihren Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert