DSP unterliegt Opferbeauftragtem
Opferbeauftragter Weber freigesprochen
lautet die Überschrift der Berliner Zeitung am 02.01.2014
Es war eine Pressemitteilung der Senatsverwaltung wert und auch Juris eine Pressemitteilung wert.
Es wird also Zeit, daß wir in eigener Sache kommentieren.
Ob es ein Freispruch war, mag jeder selbst dem Beschluß des VG Berlin 4 L 570/13 vom 13.12.2013 entnehmen.
Worum ging’s?
Wir berichteten bereits ausführlich: hier!
Am 12.10.2012 tritt der Fachanwalt für Strafrecht seine Position als Opferbeauftragter des Landes Berlin an. Die Senatsverwaltung bewirbt ihn wie folgt (Auf das Bild klicken, es öffnet vergrößert.):
Wer auf der Suche nach einem „Opferanwalt“ ist, hat sein Ziel erreicht. Der Kollege hat ein Alleinstellungsmerkmal und die Senatsverwaltung weist netterweise daraufhin, daß der Schwerpunkt der anwaltlichen Tätigkeit im Bereich der Vertretung von Opfern durch Straftaten liegt.
Eine Woche später läßt sich Weber im Berliner Tagesspiegel am 19.10.2012 wie folgt zitieren:
Der neue Berliner Opferbeauftragte Roland Weber hat bisher keinen Kontakt zu der Familie des ermordeten Jonny K. – er selbst würde von sich aus auch nicht den Kontakt suchen. „Es wäre unangemessen, sich den Leuten aufzudrängen“, sagte Weber dem Tagesspiegel. Falls die Familie sich an ihn wende, werde er jede verfügbare Hilfe vermitteln.
Das Verfahren Jonny K. war Gegenstand breiter Presseberichterstattung. Der Aufruf wurde gehört. Weber hat „jede“ verfügbare Hilfe vermittelt. Er hat das Mandat der Schwester des Jonny K. selbst übernommen.
Wir meinten und meinen: Das geht zu weit!
Der Beschluß ist sehr sorgfältig und ausgewogen begründet, überzeugt uns trotzdem in einem entscheidenden Punkt nicht. Die Kammer hatte Wettbewerbsrecht anzuwenden und hat den Maßstab für die Beeinträchtigung der Antragsteller zu hoch angesetzt.
Mag die Benennung auch rechtlich nicht zu beanstanden sein (die politischen Konsequenzen sind eine andere Frage), es bedarf nicht des Hinweises auf der Website der Senatsverwaltung (des Opferbeauftragten), daß er sein Geld als Fachanwalt für Strafrecht verdient.
Rechtsanwalt Weber weiß aus der Ernennung Kapital zu schlagen, auf Webers Webpräsenz seiner Rechtsanwalts – Kanzlei ergibt der Suchbegriff „Opferbeauftragter des Landes Berlin“ 95 Treffer. Gutes SEO![1]
Wir hatten in einer Satire bereits mitgeteilt: Fachanwälte als Regierungsbeauftragte gesucht!
- Einen Fachanwalt für Mietrecht als Mieterbeauftragten
- Einen Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz als Abmahnbeauftragten
- Einen Fachanwalt für Arbeitsrecht als Arbeitnehmerbeauftragten
- Die Liste kann sich jeder weiter vervollständigen
Wir stehen mit unserer Rechtsauffassung offensichtlich allein. Der Vorstand der Rechtsanwaltskammer des Landes Berlin erachtet die Tätigkeit nicht als inkompatibel.
Wir haben uns auf den Standardkommentar zum Berufsrecht berufen:
„Besteht aus der Sicht des rechtsuchenden Publikums wenigstens die Möglichkeit, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts sei durch Bindungen an den Staat beeinträchtigt, kann bei den Rechtsuchenden insbesondere die Vorstellung entstehen, die dienstliche Stellung könne zur Förderung privater Interessen genutzt werden, der Rechtsanwalt könne wegen seiner dienstlichen Stellung mehr als andere Rechtsanwälte für sie bewirken[2], so steht § 7 Nr. 8 der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft entgegen (BGH BRAK-Mitt 1994,42= NJW-RR 1994,953). Dies gilt auch, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts – beispielsweise in einem Verband – nicht auf einem öffentlich-rechtlichen, sondern auf einem privaten Rechtsverhältnis beruht und der Anwalt keine hoheitliche Funktion ausübt (AGH Rheinland-Pfalz BRAK-Mitt. 2010, 179).“(Vossebürger, in: Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 7 RN 108)
Ausführungen zu diesem Argument finden Sie weder im Beschluß des VG, noch seitens des Vorstandes der Kammer.
Wir werden also unsere altmodische Berufsauffassung weiter leben und denken, sie ist ein sehr starkes Argument für unsere Kanzlei und die Tätigkeit der in ihr beschäftigten Kollegen.
Wir sind staatsfern und bemühen uns um unsere Unabhängigkeit. Wir gehen auch keine Mandate ein, die unsere Unabhängigkeit gefährden. Für uns gilt § 43a I BRAO unbedingt:
Der Rechtsanwalt darf keine Bindungen eingehen, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden.
Falls Sie auf der Suche nach einem „Opferanwalt“ sind? Wir haben eine spezielle Website zu diesem Thema: Tatopfer Und auch auf dieser Hauspostille finden Sie einiges zum Thema Opferschutz
Wir haben kein unmittelbares Vortragsrecht beim Justizsenator. Und das ist auch gut so! Aber wir sind sehr gut vernetzt: Netzwerk
Es versteht sich von selbst, daß auch der Opferbeauftragte auf unserer Seite aufgeführt ist: Angebote des Landes Berlin
Wenn Sie Angebote des Landes Berlin suchen, sind Sie dort vielleicht gut aufgehoben.
Wenn Sie einen unabhängigen Vertreter Ihrer Interessen suchen, sollten Sie nach einem Rechtsanwalt Ausschau halten. Wir wissen nicht, was der freundliche Herr empfiehlt; Wir empfehlen: Opfer|Anwalt
Na ja, ein wenig Schelte für die Berliner Zeitung soll auch noch sein. Im Artikel heißt es:
Es ging rasend schnell. Kaum war der Strafverteidiger Roland Weber im Herbst 2012 in sein Amt als Opferbeauftragter des Landes Berlin eingeführt worden, trat er im spektakulärsten Prozess des darauffolgenden Jahres auf. Er vertrat die Familie des in der Nähe des Alexanderplatzes bei einer Schlägerei zu Tode gekommenen 20-jährigen Jonny K. als Nebenkläger.
Da konnte Weber erstmals vor einer großen Öffentlichkeit beweisen, was gemeint ist, wenn es auf der Seite der Senatsjustizverwaltung heißt: „Opfern von Straftaten – insbesondere von Gewalttaten – soll noch effektiver Unterstützung angeboten werden.“ Weber begleitete die Familie durch die quälend lange Gerichtsverhandlung, aber er bestärkte auch Jonnys Schwester Tina K. in ihren zahlreichen öffentlichen Auftritten gegen Jugendgewalt, die ihr am Ende den Medienpreis Bambi einbrachten.
Das ist der Kern unseres Vorwurfes. Opferbeauftragter oder Rechtsanwalt als Nebenklägervertreter? Ist es zu viel verlangt, daß ich von einem Journalisten (wenigstens wenn es nicht eilt) erwarte, daß er denkt, recherchiert, nachfragt?
Im Gerichtsverfahren trug die Senatsverwaltung vor:
Es gehört insbesondere nicht zu den Aufgaben des Opferbeauftragten des Landes Berlin, Opfer in Einzelfällen gerichtlich oder außerrgerichtlich zu vertreten.
Das Verfahren Jonny K. ist wohl der Aufmerksamkeit der Senatsverwaltung entgangen?
Update 10.01.2014 15:31
Thomas Heilmann, Senator für Justiz und Verbraucherschutz hat auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE)
Rechtsstellung, Rechte und Pflichten sowie Kontrolle des Opferbeauftragten
am 12.12.2013 geantwortet.
4. Wie gestaltet sich die Aufsicht über die laufende Tätigkeit des Opferbeauftragten des Landes Berlin?
Zu 4.: Der Opferbeauftragte handelt im eigenen Namen und ist in der Wahrnehmung seiner Aufgabe unabhängig. Er steht aber in engem Kontakt mit der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz. Diese ist daher über seine Tätigkeit informiert.
Einer Aufsicht im Sinne einer Rechts- und Fachaufsicht unterliegt der Opferbeauftragte nicht. Da die zivilrechtliche Vereinbarung mit dem Opferbeauftragten ein außerordentliches Kündigungsrecht vorsieht, kann die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz die Vereinbarung jederzeit beenden.
5. Wie stellt der Senat sicher, dass die Ausübung der Tätigkeit des Opferbeauftragten so unparteiisch erfolgt, dass es nicht zum Anschein der Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Träger der Opferhilfe und -beratung im Rahmen der Verbesserung von Vernetzung und Kooperation kommen kann?
Zu 5.: Der Senat hat keinen Anlass anzunehmen, dass der Opferbeauftragte bei seiner Tätigkeit nicht unparteiisch handelt.
6. Durch welche verbindlichen Vorkehrungen stellt der Senat sicher, dass es nicht zu einer Interessenvermischung zwischen der Funktion als Opferbeauftragter und der anwaltlichen Tätigkeit des Opferbeauftragten kommen kann?
Zu 6.: In der Vereinbarung ist geregelt, dass eine anwaltliche Vertretung nicht erfolgen darf.
Die vollständige Kleine Anfrage finden Sie: hier!
Eine zivilrechtliche Vereinbarung, keine Rechtsaufsicht, keine Fachaufsicht, keine Kontrolle durch das Parlament; der Opferbeauftragte verstieß gegen die Vereinbarung, Reaktionen sind nicht feststellbar.
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