Frosch zieht einen Trolly hinter sich her

Bezirksamt Mitte – Zweckentfremdung

Und wieder das Bezirksamt Mitte –  Zweckentfremdung: Auf unsere Meldung, dass ich den Mandanten im Ordnungswidrigkeitenverfahren verteidige und Akteneinsicht beantrage, erhalten wir folgende Antwort:

Abs. 1:

Die Überlassung originaler Akte kann ich leider nicht gewähren. Alternativ haben Sie die Möglichkeit, eine gebührenpflichtige Kopie der Akte zu erhalten. Gerne können Sie auch nach vorheriger Terminvereinbarung die Akte vor Ort einsehen.

Schon der erste Satz lässt einen stolpern: Nein, wir wollen keine nackten Männer/Frauen/Divers bei uns aufnehmen! (okay, ist nur ein Schreibfehler des Sachbearbeiters – ist aber witzig)

Wir wollen die Übersendung der Akte – oder zumindest die Möglichkeit, diese persönlich abzuholen (so handhabt es z. B. das Bezirksamt Tempelhof – trotz Corona).

Für die Übersendung entstehen Gebühren (bei den Staatsanwaltschaften sind es 12,00 €) und dafür bekommt man das „Original“; der Anwalt kann dann in Ruhe entscheiden, was kopierwürdig ist bzw. die Akte scannen und prüfen, ob sie überhaupt vollständig ist.

Beim Angebot im zweiten Satz, nämlich eine Kopie gegen Gebühr zu erhalten, handelt es sich um eine Kostenfalle: Für den Zeitaufwand des öffentlich Bediensteten entsteht eine Gebühr in Höhe von 55,96 € zzgl. der Kopierkosten (die ersten zehn Seiten kosten je 0,50 €, jede weitere Seite 0,15 €).

Auch Angebot Nr. 3 kann uns nicht begeistern: Sollen wir die Akte auswendig lernen oder abschreiben, um den Inhalt mit dem Mandanten besprechen zu können? Und um eine Terminvereinbarung zu treffen, ist auf dem Schreiben die Telefonnummer 115 angegeben – sollen wir jetzt versuchen, dass Bürgertelefon zu erreichen und uns durchzufragen?

Und jetzt kommt Abs. 2:

Des Weiteren bitte ich um Übersendung einer Vertretungsvollmacht.

Dieser Satz offenbart völlige Ahnungslosigkeit des Verfahrensrechtes. Eigentlich sollte ich antworten: „Wir vertreten den Mandanten nicht, ich verteidige ihn.“ Ein Verteidiger benötigt eine Verteidigervollmacht, die auch mündlich erteilt werden kann. Er verteidigt und vertritt – bis auf seltene Ausnahmen – nicht den Mandanten im Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren.

Äh nee: Wir versenden keine Vollmachten in Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren.

  1. Hierzu besteht keine Verpflichtung, da Rechtsanwälte ohne Auftrag und Vollmacht nicht tätig werden; wir sind Organ der Rechtspflege!
  2. Wenn wir nämlich die schriftliche Vollmacht an Behörden abgeben (egal ob im Original oder in Kopie), und diese dann in deren Akten gelangt, bringt dies die Verpflichtung für den Verteidiger mit sich, Zustellungen und sonstigen Mitteilungen für den Betroffenen in Empfang zu nehmen. Dies hätte dann zur Folge, dass wir mit behördlichen Maßnahmen konfrontiert werden könnten, auf die wir ohne Rücksprache mit dem Mandanten reagieren müssen (Fristen), falls dieser für uns – aus welchen Gründen auch immer – nicht erreichbar ist (Urlaub, Krankheit, Verkehrsunfall, Corona).

Entsprechendes haben wir den Sachbearbeiter gefaxt (die Faxnummer war immerhin auf dem Briefkopf) – wir sind gespannt auf die Reaktion. Den Bezirksämtern der Stadt ist die Zuständigkeit für die Ordnungsaufgaben durch das Allgemeine Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (ASOG) Anlage Nr. 15 für die Ordnungsaufgaben nach dem Zweckentfremdungsverbot-Gesetz übertragen worden. In dieser Rolle sind sie sich sicherlich noch fremd.

Bezirksamt Mitte – Zweckentfremdung – bleibt ein interessantes Thema. Wenn Sie sich mit einem der Berliner Bezirksämter in einer Zweckentfremdungssache konfrontiert sehen, sollten Sie sich an die Fachfrau wenden: Ich helfe Ihnen gerne.

Lesenswert zum Thema Vollmachtsvorlage: Unser Beitrag „Last not least“, zu finden auf unserer Homepage ganz unten rechts unter HINWEISE oder über diesen Link: Der Trouble mit der Vollmacht

 

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