Schmeißt sie doch endlich aus den Vorständen
Die Anwälte Zweiter Klasse [1] haben es uns doch vorgemacht:
Wer will, kann in kürzester Zeit die Gesetzeslage zu seinen Gunsten umdrehen und die Vorstände der Rechtsanwaltskammern übernehmen.
Ziele
Ich setze mich dafür ein, dass Syndikusanwälte zukünftig wieder im Anwaltsversorgungswerk versichert sein können und von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden.
Mit diesen Zielen wird man Mitglied des Vorstandes einer der großen deutschen Rechtsanwaltskammern. Warum das alles?
Da hat doch das Bundessozialgericht gewagt zu urteilen, daß Rechtsanwälte, die in Unternehmen angestellt sind – wie jeder andere Angestellte eines Unternehmens auch – in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen müssen. Nicht aus den Honoraren als Rechtsanwalt, sondern aus dem Gehalt als Angestellter, beispielsweise einer Bank oder Versicherung.
Nun, das ist Geschichte.
Diese Geschichte hat zur Folge, daß die Vorstände der Rechtsanwaltskammern nun auch mit Syndici besetzt sind und über Rechtsanwälte 1. Klasse „urteilen“.
Holen Sie sich Chips, was zu trinken und lehnen sich genußvoll zurück, es folgt eine Beschimpfung über das Kammerunwesen. Es wird länger dauern:
Was bekommt denn nun der richtige Anwalt für Post aus diesen Kammern? Von den Anwälten Zweiter Klasse? [2]
Sehr geehrter Herr Kollege Jede,
anliegend überreiche ich die Kopie der oben genannten Eingabe mit der Bitte um Auskunft für Ihren Mandanten bis zum 06.01.2016 insbesondere im Hinblick auf § 43a Abs. 3 BRAO.
Im Hinblick auf § 56 Abs. 1 S. 3 BRAO darf ich Sie auf Folgendes hinweisen:
Sie sind zur Erteilung der erbetenen Auskunft verpflichtet.
Ihnen steht gegenüber der Rechtsanwaltskammer ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn und soweit Sie durch die Auskunft Ihre Verpflichtung zur Verschwiegenheit verletzen oder sich durch wahrheitsgemäße Beantwortung des Auskunftsersuchens der Gefahr der Verfolgung wegen einer Straftat, einer Ordnungswidrigkeit oder einer Berufspflichtverletzung aussetzen können.
Ergänzend weise ich auf die Vorschrift des § 2 Abs. 3 der Berufsordnung hin, nach der die Pflicht zur Verschwiegenheit nicht gilt, „soweit … die Durchsetzung oder Abwehr von Ansprüchen aus dem Mandatsverhältnis oder die Verteidigung des Rechtsanwalts in eigener Sache die Offenbarung erfordern“.
Sofern Sie von dem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen wollen, müssen Sie sich gegenüber dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer … ausdrücklich hierauf berufen. In diesem Fall kann der Kammervorstand jedoch die Beschwerde unter Zugrundelegung des in der Beschwerde behaupteten Sachverhalts behandeln.
Sofern Sie nicht ausdrücklich widersprechen, geht der Kammervorstand davon aus, dass Ihre Gegenerklärung dem/den Beschwerdeführer(n) zugeleitet werden darf.
Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Vorstand der Rechtsanwaltskammer
Wer bei einem Versandhaus einkauft und nicht bezahlt, wer seine Versicherungen nicht bezahlt, wer an der Kasse des Supermarktes die EC-Karte vorlegt und Edeka dann doch kein Geld bekommt, der bekommt dafür irgendwann die Rechnung vom Rechtsanwalt. Was habe ich mich über die Briefe der Kollegen im Auftrag der Telekom geärgert. Geärgert und das rechtlich Notwendige veranlaßt.
Heute macht man das anders: Sie schreiben bitte der Bank des Anwaltes Briefe, daß sie einem Verbrecher dabei helfen, betrügerisch Geld zu erlangen. Wenn das so weitergeht, wollen Sie mit der Bank nichts mehr zu tun haben. Die Bank wäre wegen des Risikos des Ihnen gewährten Dispositionskredites eigentlich für eine Beendigung des Vertrages ganz dankbar. Aber die öffentliche Meinung und die Masse der Beschwerden machen die Sache nicht einfacher.
Das Ganze wird flankiert mit Vorstandsbeschwerden bei den Unternehmen, Strafanzeigen bei den Staatsanwaltschaften und die Verbraucherzentralen müssen schließlich auch Juristen (Syndici) beschäftigen. Und, hier kommen wir ins Spiel: Beschwerden bei den Rechtsanwaltskammern.[3]
Das Ganze ist für uns ein Massengeschäft. Der Rechtsanwaltskammer haben wir mitgeteilt, daß wir für alle zukünftigen Beschwerden des Mandanten bevollmächtigt sind und um direkte Übersendung an uns bitten. Das erklärt dann auch, warum der Rechtsanwalt Jede zur Erteilung der Auskunft verpflichtet sein soll und mir ein Auskunftsverweigerungsrecht zustünde. Textbausteine sind Scheiße. Die wenigsten können damit adäquat umgehen.
Aber schauen wir uns diesen Schandbrief, eines Rechtsanwaltes nicht würdig, schon gar nicht des Vorstandes einer großen Rechtsanwaltskammer, gemeinsam in aller Ruhe an.
Kopie der oben genannten Eingabe mit der Bitte um Auskunft
Eingabe. Klingt wie Einlauf. Anal. Soll wahrscheinlich literarische Qualitäten suggerieren. Der Profi benutzt die Begriffe „Beschwerde“, „Beschwerdeführer“ und „Beschwerdegegner“. Es wird auch nicht duchgehalten, am Ende des Briefes stellt sich heraus, daß der Einlauf aufgrund einer Beschwerde erfolgt.
Früher wurde immer um eine Stellungnahme gebeten. Ich habe lange Ausführungen zu § 56 BRAO gemacht. Hoffnungslos – bis auf die Änderung des Wörtchens „Stellungnahme“ zu „Auskunft“.
Das enfant terrible des anwaltlichen Berufsrechtes schrieb dazu:
Das Auskunftsersuchen setzt voraus, dass es nach der Sachlage gerechtfertigt ist.
…
Mit diesen Anforderungen ist es nicht zu vereinbaren, dass oftmals RAKen völlig abwegige Beschwerden ungeprüft zum Anlaß nehmen für ein Auskunftsbegehren.- § 56 enthält die Pflicht zur Erteilung von Auskünften nur auf eindeutige (EGH[4] Hamm, Beschl. v. 19.10.1990 – 1 ZU 24/90) Fragen, welche wahr und sachlich sein müssen.
Herv. im Original
Nun gibt es auch Meinungen, die noch weitergehen. Beispielsweise der AGH Rheinland-Pfalz, der die Anforderungen eines Klageantrages als Grundlage einer prozessualen Vollstreckungsmaßnahme nach § 57 BRAO stellt.
Jedenfalls, geneigter Leser, sehen Sie im Text der Kammer eine Frage? Nein? Tja, vielleicht haben wir recht?
Auskunft … insbesondere im Hinblick auf § 43a Abs. 3 BRAO.
Aufgemerkt, das ist nicht das Schreiben eines Wald-und-Wiesen-Anwaltes[5], nicht das Schreiben einer Sachbearbeiterin, sondern das Schreiben eines Vorstandsmitgliedes einer der größten deutschen Rechtsanwaltskammern. Er ist einfach faul. Stinkend faul. Es stinkt bis nach Berlin, die Faulheit des Vorsitzenden einer Abteilung eines Organs der Selbstverwaltung der deutschen Rechtsanwälte.
Er ist zu faul, die Beschwerde in tatsächlicher und rechtlicher Sicht zu überprüfen und sich eine Meinung zu bilden. Hat er die „Eingabe“ gelesen? Warum mag er sie wohl nicht als „Beschwerde“ bezeichnen? Ist es vielleicht gar keine Beschwerde, sondern ein Vermittlungsgesuch oder eine der anderen Aufgaben des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer? Man weiß es nicht. Wie gut, daß ich die Arbeit für ihn mache und der Mandant – pünktlicher Zahler der Kammerbeiträge – mich für die Arbeit bezahlt, die zu den Pflichten des Herrn Vorstand der Rechtsanwaltskammer gehört.
Ich soll also Auskunft erteilen. Auskunft im Hinblick auf § 43a Abs. 3 BRAO. Und diese Formulierung ist schon ein Sieg des Verteidigers, ein wahrer Triumph. Früher gab es in den Schreiben überhaupt keinen Hinweis auf eine Norm des Berufsrecht, deren Verletzung nach Ansicht des Vorstandes in Frage käme.
Jetzt bekomme ich wenigstens eine Zahl genannt. Aber die hat es in sich!
Schauen wir uns Abs. 3 an:
(3) Der Rechtsanwalt darf sich bei seiner Berufsausübung nicht unsachlich verhalten. Unsachlich ist insbesondere ein Verhalten, bei dem es sich um die bewußte Verbreitung von Unwahrheiten oder solche herabsetzenden Äußerungen handelt, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlaß gegeben haben.
Das ist doch wohl eine Selbstverständlichkeit. Denkt man. Wäre da nicht das Bundesverfassungsgericht, wo das enfant terrible so oft erfolgreich war.
Dann zitiere ich doch ‚mal aus einem anderen Kommentar, dem Standardkommentar der Vorstände[6]:
Dabei hat es (Anm.: das BVerfG) als selbstverständlich unterstellt, dass strafbare Handlungen stets das Sachlichkeitsverbot verletzen … Darüber hinaus wird ein unsachliches Verhalten des Rechtsanwalts berufsrechtlich kaum justiziabel sein. … Ein anwaltsgerichtlich oder mit einer Rüge zu ahndendes unsachliches Verhalten des Rechtsanwalts liegt somit nur vor, wenn dieses die Schwelle des § 43a Abs. 3 S. 2 überschreitet, nämlich wenn es sich a) um strafbare Beleidigungen, b) die bewusste Verbreitung von Unwahrheiten oder c) um herabsetzende Äußerungen handelt, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlaß gegeben haben …
Welches Schweinderl hättens denn gerne, Herr Vorstand? a), b) oder c)?
Das darf ich mir selber raussuchen. a) fällt sicher aus. Herabsetzende Äußerungen? Bewußte Verbreitung von Unwahrheiten? Das Schreiben an den Gegner mit der Behauptung, er habe nicht gezahlt, ist eine Verbreitung von Unwahrheiten? Der Rechtsanwalt als erster Richter seines Mandanten soll die Angaben überprüfen? Lassen wir das. Der Brief klärt uns darüber nicht auf.
Schauen wir uns den Schandbrief weiter an:
Im Hinblick auf § 56 Abs. 1 S. 3 BRAO darf ich Sie auf Folgendes hinweisen:
Sie sind zur Erteilung der erbetenen Auskunft verpflichtet.
Die Behauptung ist falsch. Hätte man den Satz ersatzlos gestrichen, wäre es eine gesetzesgemäße Belehrung. Das wissen die Jungs auch ganz genau und schreiben daher auch den nächsten Satz, der die Behauptung konterkariert:
Ihnen steht gegenüber der Rechtsanwaltskammer ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn und soweit Sie durch die Auskunft Ihre Verpflichtung zur Verschwiegenheit verletzen oder sich durch wahrheitsgemäße Beantwortung des Auskunftsersuchens der Gefahr der Verfolgung wegen einer Straftat, einer Ordnungswidrigkeit oder einer Berufspflichtverletzung aussetzen können.
Also doch nicht zur Auskunft verpflichtet. Ganz im Gegenteil. Der Empfänger des Briefes macht sich bei einer Auskunft ziemlich wahrscheinlich strafbar. Das ist ein bißchen schwierig zu verstehen? Zunächst einmal: Die BRAO, die Bundesrechtsanwaltsordnung, ist – anders als der Titel vermuten läßt – ein Gesetz. Die Berufsordnung der Rechtsanwälte nicht, die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte haben sie sich selbst verordnet. Ober sticht Unter.
Um noch einmal das enfant terrible zu zitieren:
Die Berufsordnung (BORA) soll das gesetzlich geregelte Berufsrecht ergänzen. Nennenswerte Bedeutung kommt ihr – damit auch der sie beschließenden Satzungsversammlung … – nicht zu. Schon aus verfassungsrechtlichen Gründen kann sie nur unwesentliche, nicht die Freiheit der Berufswahl sowie den Status der RAe betreffende Fragen regeln … Die geringe Bedeutung der BORA ergibt sich aber auch daraus, dass sie zum Teil Normen enthält, welche völlig überflüssig … oder gar verfassungswidrig sind. Die Satzungsversammlung war in der Vergangenheit nicht in der Lage, offensichtlich verfassungswidrige Bestimmungen … vor einer gerichtlichen oder gesetzgeberischen Kassation selbst aufzuheben. Gespannt wartet dieses „Parlament der deutschen Anwälte“ auf weitere gerichtliche Entscheidungen, welche die Bedeutung der BORA noch stärker reduzieren.
Zurück zum Kern. Der Anwalt ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diese Pflicht bezieht sich auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufes bekannt geworden ist, schreibt u.a. § 43a Abs. 2 BRAO vor.
Wir haben es hier mit Beschwerden „Dritter“ zu tun. Der Gegner beschwert sich. Nicht der Mandant, der Gegner behauptet Böses von Ihnen. Lassen Sie uns eine naheliegendes Beispiel bedenken: Sie sind Rechtsanwalt, zu Ihnen kommt ein Mann und behauptet, seine Ehefrau habe ihn geschlagen und sie sollen nun die geeigneten Maßnahmen ergreifen. In einem Antrag an das Gericht führen Sie das aus und die Ehefrau beschwert sich bei der Rechtsanwaltskammer über Sie. Sie seien ein Lügner, der sie auf das schlimmste beleidigt. Die Kammer fordert von Ihnen Auskunft. Wenn Sie Glück haben. Viele Kammer fordern Sie zur Stellungnahme auf und weisen Sie auf Ihre Verpflichtung zur Auskunftserteilung hin.
Alles was Sie jetzt gegenüber der Kammer an Auskunft erteilen, ist ein klarer Bruch Ihrer Verschwiegenheitspflicht und Ihr Strafverteidiger wird Sie dezent auf § 203 StGB hinweisen und mit Ihnen hoffen, daß es die Kammer oder die Generalstaatsanwaltschaft[7] nicht merkt.
Zurück zu unserem Fall: Hier darf keine Auskunft erteilt werden. Es ist kein Auskunftsverweigerungsrecht, sondern eine Verschwiegenheitspflicht. Und die Kammer weiß das. Schreibt Ihnen aber trotzdem, daß Sie zur Erteilung der erbetenen Auskunft verpflichtet sind.
Igitiigitt!
Es wird noch schlimmer. Viel schlimmer.
Ergänzend weise ich auf die Vorschrift des § 2 Abs. 3 der Berufsordnung hin[8] , nach der die Pflicht zur Verschwiegenheit nicht gilt, „soweit … die Durchsetzung oder Abwehr von Ansprüchen aus dem Mandatsverhältnis oder die Verteidigung des Rechtsanwalts in eigener Sache die Offenbarung erfordern“.
Sie erinnern sich an die Ausführungen oben zur BORA? Ober sticht Unter. Das lernt man in den ersten Semestern Jura: Verordnungen, Satzungen der Körperschaften können keine Gesetze außer Kraft setzen. Gesetz schreibt Schweigepflicht vor. Eine Laune des Parlamentes der Anwaltschaft kann diese Pflicht nicht einschränken. Böse Falle! Aber selbst wenn wir das außer acht lassen, auch die Berufsordnung sieht eine Durchbrechung nur
- a) bei Ansprüchen aus dem Mandatsverhältnis und
- b) soweit die Verteidigung es erfordert vor.
- Ansprüche aus dem Mandatsverhältnis sind nicht betroffen. Es ist der Gegner, der den vor die Gerichte gehörenden Streit kostengünstig auf die Kammer verlagern will.
- Erfordert die Verteidigung den Verrat? Verteidigung gegen den Vorwurf einer Straftat oder reicht der Vorwurf, gegen eine verfassungswidrige Berufsausübungsregelung verstoßen zu haben, als Rechtfertigung aus?
- Wie weit ist „soweit“?
Der Anwalt, der auf ein Auskunftsersuchen der Rechtsanwaltskammer ohne Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht durch seinen Auftraggeber antwortet, begeht tatbestandlich eine vorsätzliche Verschwiegenheitspflichtverletzung nach dem Gesetz. Frage ist und war immer nur, ob diese Verletzung rechtswidrig erfolgte, ob ihm ein Rechtfertigungsgrund zur Seite stand.
Mußte er sich gegen Vorwürfe seines Mandanten verteidigen, ist es nur fair, wenn er auch aus dem Mandatsverhältnis das offenbaren durfte, was dem Vorwurf des Mandanten die rechtliche Grundlage entzog. Letztlich eine Frage der Waffengleichheit. Das ist in jedem Fall eine schwierige Abgrenzung und ein Ritt auf der Klinge.
Muß sich der Rechtsanwalt für Vorwürfe Dritter überhaupt rechtfertigen, soweit sie Informationen aus dem Mandat betreffen? Der Dritte kann den Mandanten in Anspruch nehmen. Erst wenn dieser sich dann beispielsweise mit der Behauptung verteidigt, er habe diese Information nicht an den Anwalt gegeben, der habe sich das ausgedacht, wird es zu einem Vorwurf des Mandanten, und die Verteidigung durch Bruch der Verschwiegenheit kann gerechtfertigt sein.
Das Schreiben des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer suggeriert doch, daß der Rechtsanwalt zur Auskunft verpflichtet sei. Der durchschnittlich Kammerbeitragszahler versteht doch:
- Ich muß mich zu der beigefügten Beschwerde auslassen.
- Ich muß Auskunft erteilen.
- Ich muß nichts schreiben, was dazu führt, daß ich mich einem Verfahren aussetze. Das liest sich wie § 55 StPO. Das kenne ich. Erzähle ich den Mandanten auch immer. Es ist das Auskunftsverweigerungsrecht des Zeugen. Ich bin also in einer Zeugenposition, nicht Beschuldigter; sonst hieße es Aussageverweigerungsrecht.[9]
- Die Schweigepflicht gilt nicht für mich, ich muß mich ja gegen den Vorwurf verteidigen. Ist ja die Rechtsanwaltskammer. Die unterliegen ja wahrscheinlich auch der ärztlichen Schweigepflicht.
- Wenn ich nichts schreibe, denken die, der Vorwurf stimmt. Ich habe mal von einem Kollegen gehört, der ist echt böse von der Kammer verhauen worden.
- Schreiben muß ich sowieso. Statt zu schreiben, ich mache von meinen Rechten Gebrauch, kann ich auch gleich ‚mal alles richtig rücken.
Es ist so. In eigenen Sachen vertritt der Rechtsanwalt als Esel einen Affen.
Und ganz zum Schluß setzt die hohe Kammer noch eine Drohung oben drauf. Jeder Richter hätte einen Ablehnungsantrag sicher und die Kollegen Richter bräuchten keine halbe Stunde für den stattgebenden Beschluß.
Sofern Sie von dem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen wollen, müssen Sie sich gegenüber dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer … ausdrücklich hierauf berufen. In diesem Fall kann der Kammervorstand jedoch die Beschwerde unter Zugrundelegung des in der Beschwerde behaupteten Sachverhalts behandeln.
Abgesehen vom sprachlichen Nonsens, denn natürlich muß der Vorstand in jedem Fall den vom Beschwerdeführer vorgetragenen Sachverhalt würdigen:
Sie darf den vom Beschwerdeführer vorgetragenen Sachverhalt nicht für wahr unterstellen, bloß weil der Rechtsanwalt dem nicht entgegentritt. Genau dies suggeriert das Schreiben jedoch. „Wenn Du Dich auf Dein Auskunftsverweigerungsrecht berufst, werden wir so tun, als wäre das Beschwerdevorbringen wahr.“
Wohlgemerkt, das ist nicht das Schreiben eines Gegners, sondern einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, einem Selbstverwaltungsorgan der Anwaltschaft. Dafür sind die Kollegen verantwortlich, die wir in die Kammervorstände gewählt haben. Mit einer Wahlbeteiligung von …
- [1]Das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung ist am 30.12.2015 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden und am 01.01.2016 in den wesentlichen Teilen in Kraft getreten. BGBl 2015, 2517↩
- [2]Ich will fair bleiben: Dieser Müll kam schon bevor die Industrie den BUJ in die Kammern trieb.↩
- [3] Ihnen ist schon klar, daß die Rechtsanwaltskammern zahlreiche Volljuristen beschäftigen, bspw. als Geschäftsführer und Wissenschaftliche Mitarbeiter, die vom Gesetz zur Neuordnung … s.o. profitieren?↩
- [4]EGH = Ehrengerichtshof, so hieß früher der Anwaltsgerichtshof↩
- [5]unter denen es sehr gute gibt. Hochachtung!↩
- [6]Der Kommentar des enfant terrible steht im Giftschrank der Kammern, nicht so einfach zu erreichen für die Wissenschaftlichen Mitarbeiter und die Damen und Herren Vorstände; zitiert wird er regelmäßig nicht n den Schreiben der Kammern↩
- [7] das sind die, die die bösen Verstöße gegen das Berufsrecht ahnden, bis zum Berufsverbot und Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft↩
- [8]Nach der Neufassung ist der Verrat bei Sozialadäquanz erlaubt. Wer 2 juristische Staatsexamina hat, kann darauf wohl nicht vertrauen und auf einen Verbotsirrtum hoffen↩
- [9]Ja, Frau Kollegin, kluge Feststellung. Im Gesetz steht tatsächlich Auskunftsverweigerungsrecht. Das ist dem Umstand geschuldet, daß § 56 BRAO nicht nur die Auskunft vom Rechtsanwalt als Beschwerdegegner betrifft, sondern generell die Auskunftspflicht gegenüber der Kammer statuiert. Also auch die Auskunft vom nicht beteiligten Rechtsanwalt. Alle Rechtsanwälte sind gegenüber dem Vorstand in Aufsichtssachen verpflichtet, Auskunft zu erteilen, es sei denn …↩
Ähm das mit „suggeriert das Schreiben jedoch“ bzw. „suggeriert doch, daß der Rechtsanwalt zur Auskunft verpflichtet sei. Der durchschnittlich Kammerbeitragszahler versteht doch: -…“
Der durchschnittliche Kammerbeitragszahler war doch,um in Ihrer Diktion zu bleiben, bislang immer ein Anwalt allererster Klasse, somit schon immer schlauer als all die Tröpfe, bei denen es nur zum Syndikus oder Richter gereicht hat, und hat damit schon immer derartigen Unsinn durchschaut, ohne auch nur den Briefumschlag der RAK öffnen zu müssen… Wie sollte er ob seiner erstklassigen Kompetenz von einem Kammervorsitzendensimpel (noch dazu 2. Klasse) aufs Glatteis geführt werden können?
Ohje, ohje, soviel unnötige Wut..
Gruß
Ein Zweit- und Erstklässler
Ich verstehe es ehrlich gesagt nicht: ich war 10 Jahre freiberuflicher Anwalt, durchaus erfolgreich und bundesweit wahrgenommen (ja, bis Berlin und bei Gesetzgebungsverfahren bis in den Platz der Republik 1).
Dann habe ich aus familiären Gründen den Schreibtisch gewechselt und führe meine Verfahren nicht mehr gegen die Unternehmen, sondern bin ein Teil davon. Habe ich deswegen mein Handwerk verlernt, meine Ausbildung vergessen und meine Praxiserfahrung zurückgelassen? Was ist mit den Kollegen im Unternehmen, die die für den Bereich zentralen Kommentare mitverfassen. Haben die auf einmal keine Ahnung von dem Bereich mehr? Glaubst Du allen ernstes, dass die Qualität der Arbeit eines Syndikus zwingend schlechter ist, als die eines freiberuflichen Anwalts?
Und was ist mit der Zwitterstellung? Bin ich in 38h/Woche eine Anwalt zweiter Wahl, die 5 bis 10 h/Woche, die ich „echter“ Freiberufler bin, aber Anwalt erster Wahl? Wo kommt die Lernkurve zwischen beidem her? Wegen der 35 Minuten Zeit, die ich pendele?
Sei bitte so gut und erklär es ein bisschen!
Wir sind nicht weit auseinander. Ich muß ein wenig ausholen:
Ich habe ein antiquiertes Anwaltsbild. Schon die Doppelberufstheorie empfinde ich als unangemessene Konzession an den Zeitgeist. Mein Anwaltsbild ist geprägt vom Einzel-Anwalt alter Schule bis zu den kleinen örtlichen Strukturen. Es ist keine Frage der Qualität, sondern der Unabhängigkeit, insbesondere der Weisungsfreiheit.
Wer als Arbeitnehmer in ein Unternehmen eingebunden ist, weisungsabhängig ist, ist in meinen Augen kein Anwalt. Das ist keine Qualitätsfrage, sondern eine Statusfrage. Ich vermute, daß im Schnitt die in Unternehmen angestellten Juristen qualitativ bessere Arbeit verrichten, als die Mehrheit der Rechtsanwälte. Ich unterstelle auch, daß ein habilitierter Jurist in seinem Gebiet bessere Rechtskenntnisse besitzt als die Mehrheit der Rechtsanwälte. Das qualifiziert ihn jedoch nicht zum Rechtsanwalt.
Nun haben die Syndici laut genug geschrien und ließen sich vor den Karren der Konzerne spannen. Nun gibt es zwei Sorten Anwälte. Bezeichnen wir sie in diesem Kommentar der Einfachheit halber, als die mit allen Rechten und Pflichten – und die anderen. Das ist Gesetz geworden.
Was den Anlaß des Berichtes angeht: In Berlin hatten wir eine Zeit mit gefühlt überproportional vielen Anwälten aus Großkanzleien im Vorstand. Bei so manchem Bier habe ich erfahren, wie anders eine Großkanzlei „tickt“. Mit meinem Anwaltsbild hat auch das nichts zu tun. Diesen Kollegen waren die Probleme der Masse der Kollegen völlig fremd und sie haben sich bei der Bearbeitung derartiger Fälle schwer getan.
Jetzt haben wir in vielen Vorständen Syndici, die keine anwaltlichen Erfahrungen gesammelt haben. Denen sind einfachste Arbeitsabläufe eines Anwalts völlig fremd. So wie mir die Arbeitsabläufe eines Unternehmensjuristen völlig fremd sind. Was halten Sie davon, mir die Aufsicht über Unternehmensjuristen anzuvertrauen? Genausoviel, wie ich davon halte, daß Syndici mir erzählen, wie ich meinen Job zu machen habe?
Um zu Ihrem Kommentar zurückzukommen: Sie sind mir als Anwalt und als Syndici sehr willkommen, hier steht immer ein Caffè für Sie auf Abruf bereit. Aber erzählen Sie mir nicht, daß Sie während Ihrer Zeit im Unternehmen als Anwalt tätig sind. Sie sind nicht unabhängig. Sie sind organisatorisch in einen kaufmännisch organisierten Gewerbebetrieb eingegliedert. Sie gehen kein eigenes wirtschaftliches Risiko ein, das Gehalt kommt pünktlich, und wahrscheinlich partizipieren Sie durch Boni und dergleichen am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Das ist alles nichts Schlechtes oder gar Böses. Aber nur, weil Sie juristisches Handwerk erledigen, sind Sie kein Anwalt.
Wir sind in der Tat nicht weit auseinander – aber auch ich muss ausholen:
In ein Unternehmen eingebunden bin ich. Zwar erst kurz (18 Monate), aber dafür schon erstaunlich tief. Aber weisungsabhängig (sowohl vertraglich, als auch faktisch) bin weder ich, noch die Kollegen aus der Rechtsabteilung oder den direkt verwandten Abteilungen (es gibt insgesamt mehr als zwei Dutzend Volljuristen bei uns). Ich habe einen direkten Vorgesetzten, dann gibt es noch den Leiter der Rechtsabteilung über ihm und dann kommen die Geschäftsführer. Ich berichte zwar meinem direkten Chef und dem Leiter der Rechtsabteilung, aber eine Weisung, wie eine Sache bearbeitet oder aufgestellt werden soll, habe ich noch nicht erlebt. Weder fachlich, noch aus Budgetgründen, auch nicht zwischen den Zeilen oder implizit: wir wollen rechtliche Lösungen, die einer gerichtlichen Überprüfung stand halten.
Und wenn eine Abteilung mit einer Schnapsidee kommt, dann wird ihr gesagt, dass es eine Schnapsidee ist und wenn dafür 8 stellig Kohle verbannt wurde, dann wurde dafür 8 stellig Kohle verbrannt; es wird dann dafür gesorgt, dass da nicht noch mehr hinterher geht. Alles andere wäre auch komplett kontraproduktiv: wenn man „Lösungen“ mitträgt, die rechtlich nicht funktionieren, wird man nach dem Scheitern a) von der Fachabteilung nicht (mehr) ernst genommen und – viel schlimmer – b) die Geschäftsführung nimmt einen auch nicht mehr ernst, weil man ja „jeden Scheiß“ mitmacht – und die GF erwarten völlig zu Recht, dass die Juristen vor rechtlichen Risiken warnen.
Ich werde beigezogen, wenn die Fachabteilung glaubt, ein Problem in einer Konstellation erkannt zu haben (oder „die Rechtsabteilung“ ein Problem entdeckt hat(*) und wir „die Fachabteilung abholen“, um das zu lösen). Wir und ich geben dann aber keine Lösung vor, sondern analysieren die Situation rechtlich, zeigen Chancen und Risiken auf, skizzieren Gestaltungsmöglichkeiten, um den zur Entscheidung befugten Menschen einen umfassenden Überblick über die Situation zu geben und ihnen einen informierte Entscheidung möglich zu machen. Ja, in einer kaufmännischen Organisation, aber so habe ich zeit, mich einzig und alleine, um das zu kümmern, was ich kann: einen sauberen rechtlichen Rahmen schaffen.
(*) und das kommt so: alle Klagen von Kunden wandern zur Analyse, Prüfung und Entscheidung, wie wir mit der Klage umgehen sollen, auf meinen Schreibtisch. Ob ich das Verfahren dann führe, also selber schreibe, so weit es keinen Anwaltszwang gibt, das Verfahren raus gebe oder das „Verfahren tot mache“ wird anhand meiner Empfehlung entschieden (je nach Wert: von mir allein, oder mir und meinem Chef, von mir und dem Leiter der Rechtsabteilung, vom Chef und dem Leiter oder Leiter mit einem GF oder von zwei GF).
Die einzigen Unterschiede, die ich momentan wahrnehme sind: das Geld kommt regelmäßig und ich arbeite weniger als vorher (aber lt. meiner Frau immer noch zu viel).
Das mangelnde wirtschaftliche Risiko, die abhängige Tätigkeit und die Eingliederung in einen organisierten Wirtschaftsbetrieb, trifft – konsequent gedacht – jeden anderen angestellten Anwalt: auch Rechtsanwälte, die in Kanzleien angestellt sind. Das sind dann konsequenterweise auch keine Rechtsanwälte im strengen Sinne. Bei denen gibt es aber keine Diskussion, ob das Rechtsanwälte sein sollen – und entsprechende lese ich aus Deinen Zeilen auch nicht heraus.
Das Berufsbild ist heutzutage einfach vielfältiger geworden, als es vor 20 Jahren war. Es reicht von [extremst] spezialisierten Einzelkämpfern [mit oder ohne forensische Praxis], über kleine Boutiquen [mit oder ohne forensische Praxis], den „Hausanwalt“ [mit enormer forensischer Praxis] bis hin zu internationalen Großbutzen [eher ohne forensische Praxis]. Zwischen den Einzelkämpfern und den kleinen Boutiquen reihen sich (zumindest bei uns) die Syndici ein. Was ich inhaltlich mache, verstehen im Hause zwei weitere Kollegen [in anderen Abteilungen]; mein Chef nur, wenn ich es ihm dezidiert erkläre. Wo soll da die Weisung oder die vermeintlich mangelnde Unabhängigkeit herkommen? Weil ich vertraglich zur Leistung verpflichtet bin? (das bist Du im Rahmen der Geschäftsbesorgung auch).
Das ist beeindruckend – und überzeugend.
Gleichwohl, es fehlen die Merkmale der Freiberuflichkeit. Der Anwalt hat viele Mandanten, auch das schafft Unabhängigkeit. Und ja, auch angestellte Rechtsanwälte beim Rechtsanwalt sind nicht die reine Leere. Zumindest sind sie bei einem Rechtsanwalt angestellt und nicht bei einem Kaufmann.
Machen wir uns nichts vor: Wir sind beide Exoten.
Ich habe vier Jahre in der Vorstandsabteilung gesessen, die in Berlin die Nebentätigkeiten genehmigt hat. Sicherlich ist meine Wahrnehmung selektiv, da ich nur die „problematischen“ Fälle im Detail geprüft habe. Ich habe viele Arbeitsverträge der „großen“ Konzerne mit ihren Syndici gesehen. Kein einziger hat mir das Gefühl der Unabhängigkeit vermittelt. Z.T habe ich mich gefragt, wie man sowas als Jurist unterschreiben kann.
Die Masse der Syndici hat nicht die von Ihnen geschilderten Freiheiten. Diese sind nach dem Gesetz auch nicht mehr gefordert:
Um es euphemistisch zu bezeichnen: Sicherlich ein Werk des nachkonstitutionellen Gesetzgebers.
Gedankenspiel: Nehmen Sie irgendeinen Idioten mit zwei juristischen Staatsexamina, der nirgendwo untergekommen ist. Entweder er wird Rechtsanwalt oder er geht zur Bude XY und erfüllt dort sicherlich die Voraussetzungen, oder?
Nachtrag 02.03.2016: Ausschnitt aus Rundmail an die die Mitglieder des BUJ: