BAG duldet keine Schluderei bei Massenentlassungen
In Betrieben mit in der Regel mehr als 20 Arbeitnehmern muss ein Arbeitgeber, wenn er eine Vielzahl von Arbeitnehmern in zeitlichem Zusammenhang entlassen will, vergleiche wegen der näheren Voraussetzungen § 17 Kündigungsschutzgesetz, vor Ausspruch der Kündigung den Betriebsrat unterrichten, bereit sein, mit ihm zu beraten und der Agentur für Arbeit die Massenentlassung anzeigen. Dabei kommt es oftmals zu Zeitdruck beim Arbeitgeber, der schnell Personalkosten reduzieren will, zu Fehlern bei der Beteiligung des Betriebsrats und bei der Massenentlassungsanzeige.
In einem kürzlich vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber der Massenentlassungsanzeige nicht die Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt.
In seinem Urteil vom 22.11.2012 – 2 AZR 371/11 – hat das Bundesarbeitsgericht die Rechtsfrage entschieden, ob Fehler in einer Massenentlassungsanzeige zur Unwirksamkeit der Kündigungen führen oder nachträglich geheilt werden können bzw. nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führen, sondern den Arbeitgeber nur an der tatsächlichen Durchführung der Entlassung hindern.
Nunmehr ist klar, dass eine Kündigung nichtig ist, wenn im Zeitpunkt ihres Zugangs eine erforderliche Massenentlassungsanzeige nicht fehlerfrei und somit nicht wirksam erstattet worden ist.
Eine Heilung von Fehlern, z.B. die spätere Nachholung der Beifügung einer Stellungnahme des Betriebsrats, oder die spätere Rücknahme anderer Kündigungen, ändert nichts mehr an der Unwirksamkeit der Kündigung.
Damit werden die Beteiligungsrechte des Betriebsrats und der Schutz des Arbeitnehmers vor Massenentlassungen gestärkt. Früher wurden hierzu unternehmerfreundlichere Rechtsauffassungen vertreten, die es ermöglichten, den Sinn und Zweck der Vorschriften über die Massenentlassungsanzeige auszuhebeln. In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall kam der Arbeitnehmer in den Vorinstanzen vor dem Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht noch nicht zu seinem Recht. Die Wende in der Auslegung der Vorschriften über die Massenentlassungsanzeige wurde letztlich aber aus Europa eingeleitet. Der Gerichtshof der Europäischen Union hatte in der Rechtssache Junk – C – 188/03 -entschieden, dass nicht die tatsächliche Durchführung der Entlassung, sondern die Kündigungserklärung Entlassung im Sinne des Gesetzestextes ist und der Arbeitgeber Massenentlassungen erst nach dem Ende des Konsultationsverfahrens mit dem Betriebsrat und im Anschluss an die Massenentlassungsanzeige vornehmen darf.
Der Verfasser, Rechtsanwalt Andreas Schulze, ist Partnerschaftsgesellschafter der Rechtsanwälte Dr. Schmitz & Partner.
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