Anwaltliche Schweigepflicht aufgehoben
Der Pressesprecher des Verwaltungsgerichtes Frankfurt titelt:
Bafin ist berechtigt Rechtsanwalt zur Auskunft zu verpflichten
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hatte den Kläger – einen Rechtsanwalt – aufgefordert, ihr sämtliche Geschäfts- und Kontounterlagen vorzulegen, welche die Geschäftstätigkeit des Klägers im Zusammenhang mit mehreren Firmen beträfen und ihr insoweit Auskunft über seine Geschäftsangelegenheiten zu erteilen. Für den Fall, dass der Kläger dem nicht innerhalb von zwei Wochen nachkommen sollte, drohte sie ihm ein Zwangsgeld in Höhe von 50.000,– Euro an.
Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid mit Urteil vom 14.05.2009 1 K 3874/08.F bestätigt, wegen der grundsätzlichen Bedeutung jedoch die Sprungrevision zum BVerwG und die Berufung zum Hessischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen. Als Berufsrechtler reibe ich mir ungläubig die Augen:
Der Rechtsanwalt ist deshalb in dem Maße zur Verschwiegenheit verpflichtet wie auch sein Mandant selbst keine Auskunft geben muss. Umgekehrt folgt daraus, dass ein Rechtsanwalt nicht zur Verschwiegenheit über Angelegenheiten berechtigt ist, in denen der Mandant selbst einer Auskunftspflicht unterliegt.
Quelle: Urteil S. 11
Das Gericht erörtert die Verschwiegenheitspflicht nach § 43a II BRAO und § 2 II BORA und argumentiert mit Fundstellen aus einem Kommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (sic!), erwähnt aber an keiner Stelle § 203 StGB. Bin ja gespannt wie die Strafrichter gucken, wenn ich mit dem Urteil des VG Frankfurt winke und schüchtern mit einem unvermeidbaren Verbotsirrtum argumentiere. Aber es wird noch besser:
Im Übrigen beziehen sich das Recht und die Pflicht zur Verschwiegenheit auf alles, aber auch nur auf das, was dem Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufs bekannt geworden ist. Der Beruf des Rechtsanwalt besteht nur in der Beratung und Vertretung in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 Abs. 1 BRAO). Zwar zeigen die Regelungen in § 43a Abs. 5 BRAO und § 4 BORA, dass er im Rahmen seiner Berufstätigkeit auch fremde Gelder in Empfang nehmen und verwalten kann. Dabei kann es sich jedoch stets nur um eine der eigentlichen Rechtsberatung oder Rechtsvertretung untergeordnete Nebentätigkeit handeln, die nur im Zusammenhang mit ersterer zulässig ist.
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Es gibt keine eigentliche und uneigentliche Rechtsberatung! Der Rechtsanwalt ist der berufene unabhängie Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich bestimmt, daß der Wirkungskreis des Anwaltes nicht festgelegt werden soll. Auch nicht durch ein VG.
Je mehr ich mich mit dem Urteil beschäftige, desto mehr Fragen stellen sich mir. Dem Urteil vorausgegangen ist das Eilverfahren, in dem der Hessische Verwaltungsgerichtshof auf die Beschwerde des Anwaltes die Entscheidung der 1. Kammer des VG Frankfurt aufgehoben hat:
Da bekommt das Verwaltungsgericht ins Stammbuch geschrieben, was seit Ewigkeiten Allgemeingut ist. Es setzt sich erneut darüber hinweg und läßt folgerichtig die Berufung und die Sprungrevison zu.
Daß die Richter sowas machen, na ja. Aber eine Behörde wie das BAFIN gibt sich für derartige Unsinnigkeiten her und treibt die Sache vor das BVerwG? Darf sich eine Behörde so verhalten?