Odyssee durch die Instanzen
Eine solche Odyssee ist selbst für hartgesottene Juristen ungewöhnlich. Verfassungs- und waffenrechtlich sehr interessant. Erleben möchte man sie weder als Betroffener noch als Rechtsanwalt.
Was zuvor geschah
Alles beginnt mit einem Gewaltschutzverfahren.
Unser Jäger hatte eine Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz erwirkt, deren Wirksamkeit bis zum 6. Januar 2021 befristet war. Rechtzeitig warf er deutlich vor Mitternacht seinen Verlängerungsantrag in den Nachtbriefkasten des Amtsgerichtes ein. Er ist ein mißtrauischer Zeitgenosse und vielleicht ein gebranntes Kind. Jedenfalls dokumentierte er mit eine Videoaufnahme mit Zeitstempel, wie er den Brief in den Nachtbriefkasten einwirft – im Hintergrund ist das Autoradio zu hören.
Die Götter hätte er nicht herausfordern sollen. Der Brief erhielt den Zeitstempel des 07. Januar 2021 und damit war der Antrag verspätet. Er gab eine eidesstattliche Versicherung über den Zeitpunkt des Einwurfes um 21:21 Uhr ab und reichte das Video als Mittel der Glaubhaftmachung ein. Es half nichts. Stattdessen hatte er nun ein Strafverfahren wegen Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung am Hals, welches zu Wohnungsdurchsuchungen am Haupt- und Nebenwohnsitz führte. Die von ihm eingereichten Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluß hatte vor dem Amtsgericht und dem Landgericht keinen Erfolg.
Das Bundesverfassungsgericht muß es ‚mal wieder richten
Tatsächlich macht er weiter und beschwert sich beim Bundesverfassungsgericht, sein Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung, Artikel 13 Absatz 1 Grundgesetz sei verletzt. Unglaublich, er hat mit seiner Verfassungsbeschwerde Erfolg und unsere Verfassungshüter watschen Gerichte und Staatsanwaltschaft gehörig ab. Wir berichteten über diese Entscheidung: Die Krux mit dem Nachtbriefkasten. Dieser Beitrag berichtet auch weitere Einzelheiten zum Sachverhalt und verlinkt auf die Entscheidung des BVerfG vom 19.04.2023.
Waffenrechtlich geht diese Odyssee weiter
Was wir damals noch nicht wußten: Es handelt sich um einen legalen Waffenbesitzer und eine der Durchsuchungen hatte ein langes waffenrechtliches Nachspiel.
Die hier interessierende Durchsuchung am 09. Juni 2021 führte zum Verlust seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse. Der Jäger schildert den waffenrechtlich relevanten Sachverhalt wie folgt:
er [war] alleine in der Wohnung und mit Reinigungsarbeiten an der Waffe beschäftigt, als er bemerkte, dass sich jemand vor seiner Wohnungstür befand. Als er durch den Türspion blickte, stellte er nach seinen Angaben fest, dass sich mehrere Polizeibeamte vor seiner Wohnungstür und im Treppenhaus befanden. Daraufhin steckte er nach seinen ebenfalls plausiblen Ausführungen das Gewehr in das Futteral, öffnete die Tür und trat hinaus, um herauszufinden, was die Polizisten wollten. Auch wenn im Einzelnen unklar ist, wann er die Wohnungstüre hinter sich geschlossen hat, entfernte er sich jedenfalls nicht von der Tür.
(Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 11. Juni 2024 – 24 B 23.2009 –, Rn. 22, juris)
Mit Bescheid vom 28.10.2021 schlägt die Waffenbehörde zu. Jagdschein und WBK sind futsch. Es läge ein Aufbewahrungsverstoß vor, der ihn waffenrechtlich unzuverlässig mache. Widerspruch und Klage haben keine aufschiebende Wirkung, wie die aufmerksamen Leser dieses Blogs wissen. Für die anderen: Widerruf und Rücknahme
Das hier nur in Betracht kommende Eilverfahren im einstweiligen Rechtsschutz blieb vor dem Verwaltungsgericht Regensburg erfolglos. Beschluß vom 22.02.2022. Die dagegen gerichtete Beschwerde wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 16.05.2022 – 24 CS 22.737 – zurück.
Die Waffenbehörde erläßt am 12.04.2022 einen Änderungsbescheid, gegen den der einstweilige Rechtsschutz erneut in zwei Instanzen erfolglos ist.
Mit Urteil vom 12.05.2023 – RN 4 K 21.2200 – weist das Verwaltungsgericht die Klage gegen den Bescheid ab. Es läßt jedoch die Berufung zu. Die Odyssee geht weiter.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 11. Juni 2024 – 24 B 23.2009 –, juris, hebt das Urteil und die Bescheide im wesentlichen auf.
Zusammenfassung der Odyssee durch die Instanzen
- Der Jäger war knapp drei Jahre ohne Jagdschein
- Beschuldigter eines Strafverfahrens
- Beschwerdeverfahren vor dem Amts- und Landgericht Passau
- Verfassungsbeschwerde beim BVerfG
- Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz in zwei Instanzen gegen den ersten Bescheid
- Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz in zwei Instanzen gegen den zweiten Bescheid
- Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Regensburg
- Berufungsverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof.
Chapeau! Was für eine Ausdauer. 5 erfolglose Verfahren vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Erst die Berufung hat es gerichtet.
Wenn sich unsere Gerichtsbarkeit nur mal mit den Strafverfahren wirklicher Straftäter in Verbindung mit Waffen so energisch kümmern würde, wäre allen Bürgern inklusiver der Polizeibehörde sehr geholfen.
Unglaublich wie engstirnig und arrogant einige Richter vorgehen.
Meine Hochachtung an den Bayerischen Jäger !