Zulassungsausschuß Ärzte

Das Bundessozialgericht hat in einer soeben bekannt gewordenen Entscheidung, BSG v. 11.03.2009 – B 6 KA 15/08 R -, seine Rechtsprechung geändert. Die Anrufung des Berufungsausschusses gegen Entscheidungen des Zulassungsausschusses hat gem. § 96 IV S. 2 SGB V aufschiebende Wirkung mit dem Ergebnis, daß der Begünstigte von seinem Zulassungsstatus keinen Gebrauch machen darf und gleichwohl erbrachte Leistungen nicht vergütet werden.

Bisher ging der 6. Senat davon aus, daß die aufschiebende Wirkung rückwirkend eintritt, der Arzt u.U. erbrachte Vergütungen zurück erstatten muß. An dieser Rechtsprechung hält der Senat nicht mehr fest:

Er geht vielmehr jetzt davon aus, dass in solchen Fällen die aufschiebende Wirkung der Anrufung des Berufungsausschusses gegen eine statusbegründende Entscheidung erst in dem Zeitpunkt eintritt, in dem der Begünstigte von dem Widerspruch erfährt. Bis zur Erlangung dieser Kenntnis ist sein Vertrauen auf den Bestand des Status geschützt. Das gegenteilige Ergebnis hätte zur Folge, dass die Wirksamkeit der Entscheidung des Zulassungsausschusses abweichend von § 39 SGB X faktisch erst mit deren Bestandskraft eintreten würde. Das bedürfte einer klaren gesetzlichen Regelung, die sich auch dazu verhalten müsste, wie in Fällen von Konkurrentenklagen durch nicht am Verfahren beteiligte Dritte, für die mangels einer ihnen erteilten Rechtsmittelbelehrung die Monatsfrist des § 84 Abs 1 SGG nicht gilt, zu verfahren ist. Eine solche Regelung existiert jedoch nicht.
Quelle: Terminbeicht 15/09  BSG

Der unterschätzte Systemfehler oder Datenschutz: Ein Fall typischer Ignoranz von Großunternehmen gegenüber dem Verbraucher

Eine Telefonkundin möchte, dass Ihre Anschrift – wie bisher – geheim bleibt und nicht in das Telefonverzeichnis übernommen wird. Das Telekommunikationsunternehmen ignoriert wohl versehentlich bei einer Tarifumstellung diesen Wunsch und teilt der Kundin mit, dass nunmehr ihre genaue Anschrift in das Verzeichnis aufgenommen und hierüber auch Auskunft erteilt wird. Mehrere Widersprüche halfen nichts. Immer wieder erfolgt die Information, dass die genaue Anschrift in das Telefonverzeichnis aufgenommen wird. Nach Auftragserteilung durch die inzwischen ob der Ignoranz nicht wenig aufgebrachte Mandantin dachten wir: Ein einfaches Schreiben wird es tun. Weit gefehlt! Vermutlich weil große Unternehmen so sehr Personal einsparen, dass sie nicht mehr in der Lage sind, Kundenwünsche und -rechte zu berücksichtigen, entstand ein spannender Rechtstreit, den das Landgericht Bielefeld zu Gunsten unserer Mandantin entschied. Das Unternehmen wurde zur Unterlassung und Erteilung der Auskunft, an wen die Daten weiter veräußert bzw. zur gewerblichen Nutzung überlassen wurden (übrigens: Das waren mehr als 25 Unternehmen.) , verurteilt. Auch die letzte Ausflucht des Großunternehmens, ein Systemfehler sei an allem Schuld, vermochte das unbeirrbare LG Bielefeld nicht sonderlich zu beeindrucken.

Das Urteil des Landgericht Bielefeld vom 12.06.2008 -7 O 13/08 (rechtskräftig), wobei wir für justizielle Schreibfehler ;-) nicht haften:

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Pflichtverteidiger bei Trunkenheitsfahrt

Das Oberlandesgericht Brandenburg hat in seiner Entscheidung vom 26.01.2009 – 1 Ws 7/09 – den Leitsatz aufgestellt:

Die Rechtslage ist schwierig im Sinne von § 140 Abs. 2 StPO, wenn es bei der Anwendung des materiellen oder formellen Rechts auf die Entscheidung nicht ausgetragener Rechtsfragen (hier: Verwertungsverbot bei Anordnung der Blutentnahme unter Verletzung des Richtervorbehalts) ankommt.
OLG Brandenburg 1 Ws 7/09

Nun ist – zumindest in Brandenburg – jedem Beschuldigten einer Trunkenheitsfahrt, bei dem die Blutentnahme ohne richterliche Anordnung oder ohne Gefahr im Verzug erfolgte, ein Pflichtverteidiger zu bestellen. Das wird teuer für Brandenburg.

Hintergrund ist, daß häufig die Entnahme einer Blutprobe gemäß § 81 a StPO entgegen dem Richtervorbehalt lediglich durch Polizeibeamten angeordnet wird und deshalb eingewandt wird, daß ein Verwertungsverbot bestehe. Die bisher bekannt gewordenen landgerichtlichen Entscheidungen divergieren und obergerichtliche Rechtsprechung ist dazu noch nicht ergangen. Folgerichtig ist bei dieser schwierigen Rechtslage ein Pflichtverteidiger zu bestellen.

Zur Aufklärungspflicht des Zahnarztes bei der Leitungsanästhesie

Es passiert sehr, sehr selten: Bei der Leitungsanästhesie wird ein Nerv dauerhaft geschädigt und der Patient ist von nun an in seinem Gefühlsleben beeinträchtigt. Wenn der Patient von diesem Risiko weiß, kann er sich entscheiden. Wird er über dieses Risiko nicht aufgeklärt – wer weiß schon davon? – haftet der Zahnarzt für sein Aufklärungsversäumnis. Weiterlesen

Grundsatzurteil: Kündigungstermine im Arbeitsrecht

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 21.08.2008 -8 AZR 201/07- eine grundsätzliche Rechtsfrage zur Wirksamkeit von Kündigungsterminen entschieden.

Demnach sind die gesetzlichen Kündigungstermine des § 622 Absatz 2 BGB einzelvertraglich nicht abdingbar. Sie sind auch dann einzuhalten, wenn der Arbeitgeber die Kündigung mit einer längeren als der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist ausgesprochen hat.

Das versteht sich nicht von selbst. Denn es bedeutet, dass z.B. bei der für die arbeitgeberseitige Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, das zwei Jahre bestanden hat, gemäß § 622 Absatz 2 Ziffer 1 BGB geltenden Kündigungsfrist von einem Monat zum Ende des Kalendermonats eine Kündigung, die durch den Arbeitgeber beispielsweise am 10.02. zum 03.06. ausgesprochen wird, die Kündigung erst zum 30.06. („… zum Ende des Kalendermonats“) wirkt. Dies gilt, obgleich der Arbeitgeber im hier gewählten Beispiel im Falle einer Kündigung bereits zum 31.03. Kündigungsfrist und Kündigungstermin eingehalten hätte („… einen Monat zum Ende des Kalendermonats“). Da er aber nicht den Kündigungstermin, Ende des Kalendermonats, eingehalten hat, wirkt die Kündigung erst zu dem entsprechenden nachfolgenden Termin.

In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall half das dem Arbeitnehmer aber nicht. Denn dieser berief sich zu spät auf die Nichteinhaltung des Kündigungstermins. In dem dortigen Fall (Kündigung am 28.01. zum 17.10) machte der Arbeitnehmer erstmals mehr als sechs Monate nach Zugang der Kündigung, nämlich am 18.10., die Nichteinhaltung des Kündigungstermins geltend, nachdem er eine zunächst erhobene Kündigungsschutzklage wieder zurückgenommen hatte. Recht verwirkt, entschied das Bundesarbeitsgericht.

Das Urteil finden Sie hier: BAG v. 21.08.2008 -8 AZR 201/07