Bingo!

Der Laie hat sich gefreut, der Fachmann wundert sich:

 

Das Gesetz ordnet Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe an. Herausgekommen ist eine Verwarnung mit Strafvorbehalt.

An dem Abend blieb bestimmt kein Auge trocken.

Was man doch alles so findet, wenn man die Beiakten sorgfältig liest… [1]

Sage also bitte keiner, es ginge nicht!

  1. [1]Die Markierungen auf der Abschrift stammen nicht von mir, ich war auch nicht der Verteidiger. Das Urteil stammt von einem Amtsgericht und wurde im Jahre 2009 noch am Sitzungstag rechtskräftig, die Amtsanwaltschaft hat wohl noch in der Sitzung den Rechtsmittelverzicht erklärt.

OLG Bamberg schützt die freie Anwaltswahl

Die Rechtsanwaltskammer München hatte die HUK-Coburg auf Unterlassung in Anspruch genommen und war in erster Instanz unterlegen.

Das OLG Bamberg ( Az. 3 U 236/11) hat gestern das Urteil des LG Bamberg abgeändert und der HUK verboten, von den Versicherungsnehmern eine höhere Selbstbeteiligung bei späteren Schadensfällen zu verlangen, wenn im aktuell gemeldeten Schadensfall nicht eine vom Versicherer empfohlene Kanzlei , sondern ein vom Versicherungsnehmer selbst gewählter Anwalt mandatiert wird.

Ich habe mich immer gewundert, daß da nicht die Versicherten oder die Verbraucherschutzverbände auf die Straße gegangen sind.

Fast jeder Mandant will wohl den unabhängigen Anwalt, siehe die Charta der Rechte des Mandanten[1], und schreit nicht auf, wenn er zu einem Anwalt geschickt wird, der durch spezielle Honorarverträge an die Versicherer gebunden ist? „Wes Brot ich eß, …“

Er weiß es wohl in der Regel nicht und denkt über den „Super-Service“ der Versicherung nicht nach.

  1. [1]Verabschiedet auf der 90. Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer

Ohrfeige für Berliner Datenschutzbeauftragten

Berliner Verteidiger leben gefährlich. Es ist ein Skandal, und nur die Anwälte scheinen sich dafür zu interessieren:

Der Verteidiger hatte in einem Verfahren zwei Briefe zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht, die ein Zeuge an seine Hausverwaltung schrieb und trotz mehrfacher Aufforderung des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit unter Berufung auf seine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht die Auskunft darüber verweigert, wie er in den Besitz dieser Briefe gelangte.

Ich hätte die Aufforderung aus dem Hause des Herrn Dr. Dix wahrscheinlich für einen Scherz gehalten und ignoriert. Dann wäre es mir vielleicht so gegangen wie den beiden Berliner Kollegen in einer anderen Sache, zu denen er ein Rollkommando schickte. Dort forderten die Beauftragten Einsicht in sämtliche (!) Akten sowie die auf Datenverarbeitungsanlagen gespeicherten Dokumente.

Dies veranlaßte mich zu einem bitterbösen Artikel im Berliner Anwaltsblatt: Jede/Ammann Wenn der Datenschutz zweimal klingelt – neueste Trends in der staatlichen Anwaltsüberwachung (Teil 1)

Den Verteidiger im eingangs beschriebenen Fall, der sich ebenfalls auf seine anwaltliche Schweigepflicht berufen hatte, ereilte ein Bußgeldbescheid über 3.000 € wegen, wie es das Kammergericht im Bechluß vom 20.08.2010 – 1 Ws (B) 51/07 – süffisant ausdeutet:

einer – wie sich aus dem Gesamtzusammenhang des Bescheides ergibt – vorsätzlichen Zuwiderhandlung nach den §§ 43 Abs. 1 Nr. 10, 38 Abs. 3 Satz 1 BDSG
Quelle: KG 20.08.2010 – 1 Ws (B) 51/07

Skandalös ist, daß das Amtsgericht Tiergarten dem Datenschutzbeauftragten daraufhinweisen mußte:

Aufgrund der vorrangigen anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht kann ein RA nicht verpflichtet werden, einem Datenschutzbeauftragten mitzuteilen, wie er in den Besitz mandatsbezogener Unterlagen gekommen ist.
Quelle: BRAK-Mitteilungen 2007, 43; AG Tiergarten 05.10.2006 – 317 OWi 3235/05

Unglaublich aber ist, daß die Amtsanwaltschaft Berlin gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde zum Kammergericht erhoben hat, die von der Generalstaatsanwaltschaft Berlin wohl unterstützt wurde, wenn ich den Hinweis auf die „Zuschrift“ Seite 6 richtig interpretiere.

Das Kammergericht stellt im Ergebnis völlig selbstverständlich fest, daß das Verhalten des Anwaltes nicht bußgeldbewehrt ist. Man kann es auch anders ausdrücken: Wäre der Anwalt der Aufforderung des Datenschutzbeauftragten nachgekommen, hätte er sich wegen der Verletzung der Privatgeheimnisse seines Mandanten, § 203 StGB, strafbar gemacht und wohl sicher seine Zulassung als Rechtsanwalt verloren. Immerhin hat der 1. Senat in großer Besetzung entschieden, da er der Sache Bedeutung zur Fortbildung des Rechtes, § 80a III OWiG, beigemessen hat.

Den Datenschutzbehörden jedenfalls ist es ernst, sie wollen die Aufsicht über die Rechtsanwälte. Weitere Einzelheiten dazu: Wenn der Datenschützer zweimal klingelt –
Neueste Entwicklung in der staatlichen Anwaltsüberwachung (Teil 2)

Staat haftet für Lagerkosten

Vermieter kennen das Problem: Der nicht unerhebliche Vorschuß an den Gerichtsvollzieher schmilzt gewaltig, da die Lagerkosten für Unterlagen, die nicht vernichtet werden dürfen, erheblich sind. So manches Mal sind umfangreiche Akten der Anwälte oder Patientenakten der Ärzte aufzubewahren. Auch aufbewahrungspflichtige Geschäftsunterlagen dürfen nicht vernichtet werden. Der Rest wird zwei Monate nach Beendigung der Räumung verkauft oder vernichtet – § 885 IV ZPO.

Die Frage, wer denn nun nach Ablauf der zwei Monate die Lagerkosten für die weiterhin aufzubewahrenden Dinge zu tragen hat, hat der BGH entschieden:

Bei den Kosten, die nach Ablauf der zweimonatigen Aufbewahrungsfrist des § 885 Abs. 4 Satz 1 ZPO für die weitere Einlagerung der dem Vollstreckungsschuldner gehörenden aufbewahrungspflichtigen Geschäftsunterlagen entstehen, handelt es sich nicht um notwendige Zwangsvollstreckungskosten, für die der Vollstreckungsgläubiger nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 GVKostG als Kostenschuldner einzustehen hat.
Quelle: BGH 21.02.2008 – I ZB 53/06

Da kein anderer haftet, bleibt die Landeskasse.

AGH Schleswig-Holstein 2 AGH 6/07

Beschluss

In der Anwaltsgerichtshofsache der Rechtsanwälte XY
gegen die Schleswig-Holsteinische Rechtsanwaltskammer

wegen: Anfechtung

hat der Schleswig-Holsteinische Anwaltsgerichtshof am 05.02.2009 beschlossen:

Der Antrag des Antragstellers, die Bescheide der Antragsgegnerin vom 12.09.2007 und 26.09.2007 zum Aktenzeichen … aufzuheben, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die ursprünglich zur gemeinsamen Berufsübung in einer Kanzlei verbundenen Antragsteller haben ihre Kanzlei zum 31.12.2008 aufgelöst und beantragt, das Aktivrubrum zu ändern auf…

Angefochten sind die Bescheide der Antragsgegnerin vom 12.09.2007 und 26.09.2007, wonach es den Antragstellern untersagt ist, unter Verwendung der Bezeichnung „Rechtsanwälte für Arbeitsrecht“ für ihre Kanzlei in… zu werben.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung datiert vom 15.10.2007 und wurde am gleichen Tage per Telefax eingereicht und ging schriftlich am 17.10.2007 ein.

Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.09.2007 enthält lediglich die Mitteilung einer Rechtsauffassung der Antragsgegnerin, mit der auch rechtliches Gehör gewährt wurde.

Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.09.2007 enthält die Untersagungsverfügung und droht berufsaussichtsrechtliche Maßnahmen an. Der Bescheid vom 26.09.2007 stellt also die anzufechtende Verfügung dar. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist damit rechtzeitig und zulässig, § 223 I BRAO.

II.

Die Antragsteller schalteten am 01.09.2007 die nachstehende Anzeige in der Zeitung mit der Bezeichnung „Rechtsanwälte für Arbeitsrecht“.

(Es folgt die Wiedergabe der Anzeige)

Aufgrund der Eingabe eines Kollegen teilte die Antragsgegnerin den Antragstellern mit, dass diese Werbeanzeige gegen die Berufspflichten nach § 7 ABS. 1 Satz 2 BORA verstoße.

Die berufsrechtliche Möglichkeit der Werbung und der Angabe von Teilbereichen der Berufstätigkeit samt eventueller Spezialisierungshinweise nach § 7 Abs. 1 Abs. 2 BORA werde begrenzt durch das Irreführungsverbot des „§ 7 Abs. 2 BORA. Danach seien entsprechende Benennungen unzulässig, soweit sie die Gefahr einer Verwechslung mit Fachanwaltschaften begründen oder sonst irreführend sind. Die Bezeichnung „Rechtsanwälte für Arbeitsrecht“ begründe die Verwechslungsgefahr mit der nur auf Antrag unter Nachweis der besonders theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen im Arbeitsrecht verliehenden Fachanwaltschaft. Der Rechtslaie sei regelmäßig nicht in der Lage, aus der Begriffsführung „Rechtsanwälte für Arbeitsrecht“ den wesentlichen Unterschied zur geprüften Fachkompetenz des „Fachanwaltes für Arbeitsrecht“ zu erlassen. Damit sei die Irreführungsgefahr gebeten.

Hiergegen wenden sich die Antragsteller mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Die von den Antragstellern verwendete Form der Werbung sei vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst und stünde nicht im Widerspruch zu § 7 Abs. 1 und Abs. 2 BORA. Eine Anlehnung an die Bezeichnung Fachanwalt aufgrund der Bezeichnung „Rechtsanwälte für Arbeitsrecht“ läge nicht vor. Eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § z Abs. BORA sei nicht zu befürchten.

III.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung war zurückzuweisen.

1) Eine Berichtigung des Rubrums kam nicht in Betracht. Die Auflösung der gemeinsamen Kanzlei ist auf die Beteiligtenstellung der Antragsteller im vorliegenden Verfahren ohne Auswirkung.

2) Die Bezeichnung „Rechtsanwalt für Arbeitsrecht“ ist gem. § 7 Abs. 2 BORA unzulässig, da sie die Gefahr einer Verwechslung mit dem „Fachanwalt für Arbeitsrecht“ begründet und irreführend ist.

Eine Kollision dieser Norm mit Art. 12 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 28.07.2004 (BRAK Mitteilung 5/2004 Seite 231 ff.) festgestellt, dass sich ein Verbot der Selbstdarstellung von Verfassungs wegen nicht rechtfertigen lässt, sofern die Angaben „nicht irreführend sind“.

Hier liegt nicht nur eine Irreführung vor, sondern auch die Gefahr einer Verwechslung mit Fachanwaltschaften. Die Bezeichnung „Rechtsanwälte für Arbeitsrecht“ ist für den unbefangenen Rechtssuchenden sogar weitergehend als die Bezeichnung „Fachanwälte für Arbeitsrecht“. Eine größere Annäherung an die Bezeichnung „Fachanwälte für Arbeitsrecht“ ist begrifflich nicht denkbar. Eine Zulässigkeit dieser Form von Werbung entwertet den Begriff des Fachanwaltes völlig. Die Werbung ist auch irreführend. Aud diese Art der Werbung kann irrigerweise angenommen werden, dass hier Spezialisten tätig sind oder zumindest Fachanwälte. Beides liegt nicht vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 223 IV i. V. m. “ 201 BRAO.

Die Zulassung der Beschwerde kam nicht in Betracht, da es sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung handelt, § 223 Abs. 3 BRAO.