Dem Jäger wurde ein waffenrechtlicher Verstoß vorgeworfen. Der Strafrichter hat von einer Verurteilung abgesehen und ihn verwarnt. Jeder Strafverteidiger weiß (oder sollte es wissen): ab einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen ist der Jagdschein und die Waffenbesitzkarte futsch!
Im Gesetzgebungsverfahren hat der Bundesrat eine Lücke für Spezialfälle gesehen, beispielsweise den ständigen Verstoß gegen waffenrechtliche Bußgeldvorschriften, und wollte auch für diese Fälle den Waffenbehörden die Möglichkeit einräumen, die erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse zu widerrufen; widerrufen werden können auch die Erlaubnisse derjenigen, die
5. wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften eines der in Nummer 1 Buchstabe c genannten Gesetze verstoßen haben.
Messerscharf argumentieren nun einige Behörden, daß ein Verstoß gegen waffenrechtliche Strafvorschriften immer gröblich ist und widerrufen unter Bezug auf Nr. 5 der Norm die Erlaubnisse.
https://www.drschmitz.de/wp-content/uploads/2008/08/logo_g.gif00Andreas Jedehttps://www.drschmitz.de/wp-content/uploads/2008/08/logo_g.gifAndreas Jede2014-04-10 18:03:282014-04-10 18:03:28Das wollte der Gesetzgeber nicht
Wir haben schon oft darauf verwiesen, daß der Gesetzgeber den Widerruf als Regelfall anordnet, wenn der Erlaubnisinhaber zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen oder mehr verurteilt wurde und auch darauf verwiesen, daß manche Behörden auch unterhalb dieser Grenze widerrufen: hier!
In einer Eilentscheidung hat das Verwaltungsgericht Magdeburg heute, am 10.04.2014 – 1 B 243/14 MD – die Entscheidung der Waffenbehörde gehalten, die einem Jäger die Erlaubnisse entzogen hat, obwohl das Strafgericht von einer Verurteilung abgesehen hat und ihn „nur“ verwarnt und sich eine Verurteilung vorbehalten hat. Das ist die denkbar geringste „Sanktion“ im Strafrecht, von einer Einstellung einmal abgesehen[1]. Für jeden Strafverteidiger im Waffenstrafrecht ein Grund zu feiern.
Nun hat der Jäger viel Geld für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zu bezahlen, das mit keinem Wort auf die rechtlichen Argumente eingegangen ist. Vom Spannungsverhältnis zwischen § 5 II Nr. 1 WaffG und § 5 II Nr. 5 WaffG ist in der Entscheidung nichts zu lesen. Obwohl wir dies ausdrücklich problematisierten:
Der Gesetzgeber hat für die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit in § 5 Abs. 2 Nr. 1c) Waffengesetz eine klare Wertungsvorgabe gegeben:
Danach besitzt die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht, wer wegen einer Straftat nach dem Waffengesetz zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden ist.
Im Umkehrschluss: Wer wegen einer – auch vorsätzlichen – Straftat nach dem Waffengesetz zu einer Geldstrafe von weniger als 60 Tagessätzen verurteilt wurde, unterfällt nicht der Regelvermutung der Unzuverlässigkeit.
Unter der Ägide dieser Vorschrift besteht für unseren Mandanten keine Regelvermutung der Unzuverlässigkeit! Er ist nicht wegen einer Straftat nach dem Waffengesetz verurteilt worden.
Konsequent haben Sie daher in Ihrer Anhörung auf § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG abgestellt, wonach die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht besitzt, wer gröblich gegen das Waffengesetz verstoßen hat.
Diese Vorschrift kann jedoch nur im Kontext mit der zuvor genannte Norm angewandt werden.
Einerseits soll ein einmaliger gröblicher Verstoß gegen das Waffengesetz die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit herbeiführen; andererseits führt eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 59 Tagessätzen wegen einer Straftat nach dem Waffengesetz (die stets gröblich ist) nicht zur Regelvermutung der Unzuverlässigkeit.
Dies ist ein offensichtlicher Widerspruch.
Sofern die Verwaltungsbehörde Nr. 5 der Norm konsequent anwendet, verbliebe für Nr.1 c) der Norm – in der Alternative der Geldstrafe – kein eigenständiger Anwendungsbereich. Eine derartige Auslegung widerspräche höherrangigem Recht.
Der offensichtliche Wertungswiderspruch kann nur mit einem Blick auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes aufgelöst werden. Nr. 5 der Norm ist vom Gesetzgeber als Auffangtatbestand vorgesehen worden.
Die gesetzgeberische Wertungsvorgabe findet sich in Nr. 1c), wonach Straftaten gegen das Waffengesetz mit der Rechtsfolge einer Geldstrafe von weniger als 60 Tagessätzen nicht zur Regelvermutung der Unzuverlässigkeit führen.
Dem entspricht der Gesetzesentwurf der Bundesregierung[2], der den Auffangtatbestand der Nr. 5 nicht vorsah. Die Stellungnahme des Bundesrates sah als Grenze 30 Tagessätze vor.
„Eine Absenkung der Strafmaßgrenze auf 30 Tagessätze würde in diesem Sinne eine Zurückstellung der öffentlichen Sicherheitsinteressen weit gehend vermeiden. Tatbestandlich von der Regelvermutung ausgeschlossen wären dann nur noch (Erst-)Verurteilungen, die tatsächlich einen außergewöhnlich geringfügigen Strafausspruch aufweisen und daher die allgemeine Unterstellung eines Bagatellfalls auch sachlich rechtfertigen.“
Auch der Bundesrat stellte demgemäß in erster Linie auf den Straffolgenausspruch ab, sah jedoch die Bagatell – Grenze bei 30 Tagessätzen, bei denen die Regel – Unzuverlässigkeit nicht gegeben sei.
Der Gesetzgeber konnte sich dieser Ansicht nicht anschließen.
In seiner Stellungnahme[3] wies der Bundesrat auf eine Regelungslücke hin, die die später Gesetz gewordene Nr. 5 der Norm schließen sollte:
„Abgesehen von einigen wenigen Ausnahmekonstellationen, in denen derartige Verstöße unter Umständen die zur absoluten Unzuverlässigkeit führenden Prognoseentscheidungen nach Artikel 1 § 5 Abs. 1 Nr. 2 des Entwurfs stützen könnten, wären somit nicht sanktionierte oder „nur“ bußgeldbewehrte Rechtsverletzungen in den genannten Rechtsgebieten waffenrechtlich nicht mehr zuverlässigkeitsrelevant. Daneben würde eine unveränderte Umsetzung des Entwurfs selbst strafbare Handlungen in diesen Bereichen dann vollständig einer abschließenden ordnungsbehördlichen Bewertung durch die Waffenbehörden entziehen, wenn die Verfolgung dieser Straftaten durch die hierzu berufenen Behörden und Gerichte auf Grundlage dortiger spezifischer Bewertungen (z. B. nach den §§ 153 ff. § 154 der Strafprozessordnung) eingestellt worden ist. Für die umfassende Beurteilung eines Antragstellers oder Waffenbesitzers unter dem Aspekt der Gefahrenabwehr ist jedoch nach wie vor eine Berücksichtigung auch derartiger Vorgänge unverzichtbar. So muss es auch künftig möglich sein, beispielsweise Waffenbesitzer, die insbesondere wiederholt oder gar fortlaufend ihren Anzeige-, Vorlage-, Auskunfts- oder sonstigen waffenrechtlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß nachkommen und hierdurch jede effektive Kontrolle des privaten Waffenbesitzes gefährden, nicht nur mit Bußgeldern zu belegen, sondern auch im Hinblick auf ihre waffenrechtliche Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit kritisch zu überprüfen (ggf. mit der Folge der Unterbindung eines weiteren Umgangs mit Waffen und Munition). Auch Straftaten in den o. g. Bereichen darf nach einer strafprozessualen Einstellung nach wie vor nicht automatisch, sondern nur auf Grundlage einer ordnungsbehördlichen Einzelfallprüfung die Zuverlässigkeitsrelevanz innerhalb des Waffenrechts abgesprochen werden.“ (Hervh. d.d.Verf.)
Die Bundesregierung und der Gesetzgeber haben dem Vorschlag zugestimmt.
Dies verdeutlicht, dass im hier relevanten Bereich zwischen beiden Normen ein Regel – Ausnahmeverhältnis besteht. Im Regelfall führt eine Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz mit der Rechtsfolge einer Geldstrafe von weniger als 60 Tagessätzen nicht zur Regelvermutung der Unzuverlässigkeit.
Erst wenn besondere Umstände eines Verstoßes gegen Strafvorschriften des Waffengesetzes hinzutreten, die vom Strafgericht nicht gewürdigt wurden, beispielsweise, weil eine Einstellung ergolgte, ist der Verwaltungsbehörde die Entscheidung nach Nr. 5 eröffnet.
Derartige besondere Merkmale liegen nicht vor! Insbesondere ist das Verfahren nicht eingestellt worden. Der nach unserer Rechtsordnung dazu berufene Richter hat ein Urteil gefällt.
Ist es von einer Kammer zu viel verlangt, sich darauf argumentatorisch einzulassen? Das ist eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für das Oberverwaltungsgericht. Und es wird den Strafgerichten noch mehr Arbeit machen, denn nun muß der Beschuldigte eines waffenstrafrechtlichen Verfahrens grundsätzlich mit dem Widerruf seines Jagdscheines rechnen, egal wie gering die Strafe auch ist.
In erster Linie ist die Entscheidung natürlich eine Verletzung des Grundrechtes auf rechtliches Gehör, Art 103 I GG.[4]
[1]Die aus den Gründen des § 5 II Nr. 5 (siehe unten) nicht tunlich ist↩
[4]Es ist jedoch nicht gehalten, sich in den schriftlichen Urteilsgründen mit jedem Vorbringen eines Prozeßbeteiligten, insbesondere mit sämtlichen Rechtsausführungen, ausdrücklich zu befassen. Vielmehr kann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nur dann festgestellt werden, wenn sich aus den besonderen Umständen des Falles deutlich ergibt, daß das Gericht das Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. BVerfGE 28, 378 <384>; 51, 126 <129>; Urteil vom 13. Mai 1976 – BVerwG 2 C 26.74 – m.w.N.). (BVerwG, Beschluss vom 11. März 1997 – 2 B 106/96 –, juris)↩
Ich habe den Termin beim Verwaltungsgericht leider persönlich wahrgenommen. Es war kein Vergnügen. Der Richter führte in den Sach- und Streitstand mit den Worten ein, daß das Gesetz vor dem Hintergrund des Amoklaufes in Winnenden geschaffen worden sei. Damit war der Tenor der Entscheidung vorhersehbar. Nebenbei: Die Behauptung ist nicht belegt, der Gesetzentwurf der Bundesregierung stellt zurecht nur auf die Umsetzung der EU – Waffenrichtlinie als Gesetzeszweck ab.
Vom Vorsitzenden erhielten wir Rechtskundeunterricht; ich wurde belehrt, daß die Zulassung der Berufung nicht beantragt werden könne, sondern nur angeregt, ein Kollege durfte sich anhören, daß es nicht die Beklagte, sondern der Beklagte sei und so weiter und so fort.
Das Urteil des VG Köln v. 13.03.2014 – 13 K 3624/13 – steht Ihnen im Volltext zur Verfügung: hier
Rechtlich spannend und die Atmosphäre bezeichnend ist die Überlegung, daß dahinstehen kann, ob mir das Rechtsschutzbedürfnis fehle,
Dahinstehen kann, ob sie [die Klage] (noch) zulässig ist, nachdem der persönlich in der mündlichen Verhandlung anwesende Kläger die ihm ausdrücklich vom Vertreter der Beklagten angebotene Erteilung der begehrten Selbstauskunft abgelehnt hat. Insofern könnte der Klage das erforderliches Rechtsschutzbedürfnis fehlen und sich die Inanspruchnahme des Gerichts als unnötig bzw. nahezu rechtsmissbräuchlich darstellen, weil dem klagenden Rechtsanwalt ein ersichtlich einfacherer Weg zur Verfügung stand, das begehrte Klageziel zu erreichen.
Wer soll das bezahlen,
Wer hat das bestellt,
Wer hat so viel Pinke-pinke,
Wer hat so viel Geld? Jupp Schmitz 1949
Leitsatz 5. Für die Verfassungsgemäßheit der Geschäftsverteilung und die Frage des gesetzlichen Richters kommt es nicht darauf an, ob eine Überprüfung der Zuweisung auf ihre „Richtigkeit“ im vorgenannten Sinne, also auf ihre Übereinstimmung mit den abstrakten Regelungen der Geschäftsverteilung, möglich ist. Vielmehr ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Abwesenheit von Willkür durch den Angeklagten überprüfbar und nachvollziehbar ist.
…
Gründe, RN 56:
Für den Revisionsführer wäre eine Überprüfung diesbezüglich ebenfalls möglich. Er müsste die Verfahrenslisten für die der letzten Anpassung der Stammdaten für die Turnusgruppe der kleinen Strafkammern vor der Zuweisung des hiesigen Verfahrens folgenden zwölf Turnusdurchgänge mit den Vorgaben des GVP in der bei der Zuteilung des hiesigen Verfahrens geltenden Fassung abgleichen. Zwölf Durchgänge wären vorliegend zu prüfen, weil die Strafkammer 73 von den kleinen Kammern, die nicht an jedem Turnusdurchgang teilnehmen, hinsichtlich der allgemeinen Strafsachen mit 5/6 im größten Umfang am Turnus beteiligt ist. Sie bleibt insoweit nach fünf Zuteilungen im nächsten, also im 6. Turnusdurchgang unberücksichtigt. Zudem besteht eine Sonderzuständigkeit derselben Kammer für Wirtschaftsstrafsachen. Insoweit nimmt sie zu 1/2 am Turnus teil. Da die Wirtschaftssachen vorab zugeteilt werden und die Kammer, wenn sie eine Wirtschaftssache zugeteilt erhalten hat, in diesem Durchgang keine allgemeine Strafsache mehr zugeteilt bekommt, müssen zwei mal sechs, also zwölf Durchgänge überprüft werden, um eine eventuelle Abweichung von den Vorgaben des GVP erkennen zu können. Bei dem Abgleich der Verfahrenslisten mit den (geänderten) Vorgaben des GVP könnte der Revisionsführer feststellen, ob letztere zutreffend in das Computerprogramm eingegeben worden sind. Auf diese Weise könnte auch das ordnungsgemäße Arbeiten des Computerprogramms überprüft und festgestellt werden, ob dies die Vorgaben des Geschäftsverteilungsplans zuverlässig umsetzt. Der hierfür erforderliche Zeitaufwand (Prüfung der Zuweisung von 12 [Turnusdurchgänge] x 19 [am Turnus teilnehmende Kammern] = 228 Verfahren anhand der Vorgaben des Geschäftsverteilungsplans) ist zwar nicht ganz geringfügig, könnte aber innerhalb der Revisionsbegründungsfrist – auch unter Berücksichtigung der für die Beiziehung der erforderlichen Unterlagen (GVP in der zuletzt vor der Zuweisung geänderten Fassung, Verfahrenslisten für die auf die Änderung der Stammdaten folgenden Turnusdurchgänge) in Ansatz zu bringenden Zeit – bewältigt werden und ändert nichts an der Überprüfbarkeit der Zuweisung. Die Prüfung der korrekten Annahme einer Vorbefassung oder Sonderzuständigkeit etc., also auch die Beiziehung der fraglichen Verfahrensakten, wäre nicht erforderlich, weil von eventuellen Falschzuordnungen insoweit allein die Frage der „Richtigkeit“ der Zuweisung, nicht die des gesetzlichen Richters betroffen wäre. Quelle: Kammergericht, Beschluß v. 18.05.2013, (4) 161 Ss 14/13 (18/13)
Anmerkung: Ich hoffe, daß die Sache beim BVerfG anhängig ist.
https://www.drschmitz.de/wp-content/uploads/2008/08/logo_g.gif00Andreas Jedehttps://www.drschmitz.de/wp-content/uploads/2008/08/logo_g.gifAndreas Jede2014-02-24 09:08:382017-06-15 09:44:11Wer soll das bezahlen, …
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