Manche Verfahren dauern lange. Dies kann die verschiedensten Ursachen haben, beispielsweise mangelnde (mangelhafte) Ressourcen der Justiz oder sehr komplizierte Sach- und Rechtsfragen. Manchesmal kommt auch beides zusammen.
Aktuell haben wir Strafverteidiger ein sehr komplexes Verfahren vor dem Landgericht Tübingen beendet. Die Ermittlungen begannen im April 2010 und endeten mit Urteil des Landgerichtes Tübingen im Juli 2015.
Begonnen hatte das Ganze mit einer Beschlagnahme von Munition auf dem FRAPORT. Die Ware, ordentlich mit korrektem Frachtbrief und allen Unterlagen versehen, kam aus Neuseeland und wurde über England nach Frankfurt geflogen, um von dort mit einer der wenigen dafür geeigneten Frachtmaschinen nach Kasachstan geflogen zu werden. Diese fliegt nicht ab Frankfurt/Main, sondern ab Frankfurt/Hahn. Dazwischen liegen ein paar Kilometer, die mit dem Lkw zurückgelegt werden sollten, der dafür eine eigene Flugnummer erhält.
Dumm nur, daß diese wichtigen Details den Mandanten nicht bekannt waren – und wären sie bekannt gewesen, hätten sie mit der Information wohl nichts anfangen können. Der Spediteur erhielt die Auskunft, daß eine waffenrechtlichen Erlaubnis nicht benötigt werde.
Es wäre wahrscheinlich alles gut gegangen, wenn die Munition auf dem FRAPORT einfach in eine andere Maschine umgeladen worden wäre. So war jetzt aber der Zoll der Meinung, daß eine waffenrechtliche Verbringungserlaubnis für den Transport auf dem Landweg nötig sei. Das Unglück nahm seinen Lauf, die Durchsuchungen in den Geschäftsräumen brachten weitere Geschäfte mit Bezug zu Waffen, u.a. Kriegswaffen zutage.
Unzweifelhaft hatten die Hersteller der Waffen eine Genehmigung der jeweiligen zuständigen Behörden zum Export der Waffen nach Kasachstan. Sowohl deutsche, als auch schweizer Behörden genehmigten die Geschäfte. Deutsche Interessen wurden zu keinem Zeitpunkt beeinträchtigt: Es lagen sogenannte End-User-Certificates vor und der Bestand wurde für die deutschen Behörden im Ausland kontrolliert und dokumentiert.
Was aber kaum einer weiß: Die Vermittlung von Waffengeschäften ist strafbar, falls keine Waffenhandelserlaubnis, WHE genannt, erteilt worden ist. Nur Gewerbetreibende mit WHE dürfen Waffengeschäfte vermitteln. Ab wann sind Handlungen strafbare Vermittlungshandlungen, wann nur Finanzierungsgeschäfte oder straffreie Vorbereitungshandlungen?
Im Kriegswaffenrecht ist es noch komplizierter, hier kommt es entscheidend darauf an, wo sich die Kriegswaffen befinden und wo die diesbezüglichen Geschäfte abgeschlossen werden. Und ab wann ist eine Waffe eine Kriegswaffe? Manchesmal eine unendliche Geschichte im Streit der Sachverständigen.
Alle wußten über die Details der Waffengeschäfte bescheid. Das Auswärtige Amt, das BAfA, der BND. Nur die Waffenbehörde wußte nichts und als es dann ‚mal ein Ermittlungsverfahren gab, das mangels Tatverdacht eingestellt wurde, informierte man die Beschuldigten nicht, die wie bisher weitermachten und sich keiner Schuld bewußt waren.
Sicherheitshalber sperrt man die Verdächtigen erst einmal ein. Nachvollziehbar, daß das zumindest die wirtschaftliche Existenz eines Unternehmers vernichtet?
Die Mandanten haben auf alle prozessualen Rechte verzichtet, auf die man mit halbwegs gutem Gewissen als Verteidiger noch verzichten kann, um eine baldige Hauptverhandlung zu erreichen.
Angeklagt waren zahlreiche Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Waffengesetz.
Kompliziert sind in derartigen Verfahren die Verknüpfungen der verschiedensten Rechtsgebiete. Waffenrecht, Kriegswaffenkontrollrecht, Außenwirtschaftsrecht spielen zentrale Rollen in derartigen Verfahren, und die Spezialisten dieser „Exotenmaterien“ sitzen in der Regel nicht bei der Staatsanwaltschaft.
Dies bekamen wir vor dem Amtsgericht (erweitertes Schöffengericht) deutlich zu spüren. Nachdem der Bundesgerichtshof die Verfahren zur Verhandlung vor dem Amtsgericht verbunden hatte, gab das Amtsgericht das Verfahren an eine Große Strafkammer des Landgerichtes Tübingen mit der Begründung ab: Vier Jahre Strafgewalt des Schöffengerichtes reichen nicht aus. Der pure Albtraum für Angeklagte und Verteidiger.
Wir hatten den Eindruck, das dort zum ersten Mal unsere schriftlich fixierten Argumente zur Kenntnis genommen wurden. Das Landgericht hob die Haftbefehle auf und drei Jahre später begann die Verhandlung vor der Großen Strafkammer des Landgerichtes Tübingen.
Sie endete am 20.07.215 nach einer Verständigung mit Bewährungsstrafen von 1 Jahr und 8 Monaten für den Geschäftsführer und 1 Jahr und 4 Monaten für den Angestellten, der der Beihilfe für schuldig befunden wurde.
Die Lektüre unserer Pressemappe läßt nachvollziehen, wie turbulent es teilweise zuging.
Hier unser Pressespiegel: DWR_20150726
Bitte sehen Sie uns das Eigenlob nach: Es gibt nicht viele Kanzleien, in denen drei Rechtsanwälte zur Verfügung stehen, um derartige Strafverfahren über einen derart lange Zeitraum erfolgreich managen zu können.