Selbst für den Strafverteidiger ist eine Zielfahndungsakte selten und daher faszinierend.
An die Akte der Zielfahnder kommt man wohl nur in den seltensten Fällen. Aber die Staatsanwaltschaft sammelt ab und an den Schriftverkehr mit den Zielfahndern und die ergangenen Beschlüsse in einem separaten Heft, genannt Zielfahndung.
Gutmenschen aufgepaßt, die Ihr nichts zu befürchten habt!
Trau, schau, wem!
Ein bislang ehrenwerter Bürger, welch ein Verbrecher – so jedenfalls die Vorwürfe der Anklage – hat sich seiner Verhaftung und damit auch der Verhandlung entzogen. Abermillionen soll er hinterzogen haben. Vor der Steuer. Umsatzsteuer – Der Fachmann ahnt worum es geht.
„Wir kriegen sie alle.“
Die besonders schlimmen Finger läßt man von Zielfahndern suchen. Und, wirklich, die sind gut, die Teams.
Jahrelang, das ist keine Seltenheit, suchen sie den Beschuldigten-Angeschuldigten-Angeklagten-Verurteilten.
Die Liste der abgehörten Telephonanschlüsse liest wich wie das Who is Who. Keiner von denen ahnt, daß er abgehört wurde. Einige sind sogar dauerhaft observiert worden. Warum? Sie waren mit dem Täter (z.T. eng) befreundet.
Also, liebe Gutmenschen, die ihr nichts zu befürchten habt: Fragt Eure Freunde, ob der Einhaltung ihrer Steuerpflichten. Oder ob sie vielleicht sexuelle Neigungen haben, die …
Der Richter unterschreibt die erforderlichen Beschlüsse, schließlich sind die gesetzlichen Erfordernisse erfüllt. Wenn der Zielfahnder mit seiner überlegenen Sachkenntnis schreibt, daß man anders nicht an die Zielperson gelangt, ist das halt so.
(1) Auch ohne Wissen der Betroffenen darf die Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet werden, wenn
…
3. die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.
…
(2) Schwere Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 sind:
…
4. aus dem Asylgesetz:
a) Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Abs. 3, …
oder lebenslang in einen der Sitzungsräume einsperren. Der Datenschutzbeauftragte der Berliner Rechtsanwaltskammer würde mich vor den Generalstaatsanwalt zerren …
Was macht eine deutsche Wirtschaftsstrafkammer straflos?
Sie schickt mir Akten in zwei Pappkartons mit DPD und obenauf wird das Anschreiben geklebt. Wie gut, daß es eine Wirtschaftsstrafsache und keine Jugendschutzsache ist.
Der Kommunarde Karl-Heinz Pawla wurde am 06. September 1968 für eine Defäkation zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt.
An sich ein höchst natürlicher Vorgang.
Der Ort war natürlich ungewöhnlich: Direkt vor dem Richtertisch.
Die Tatumstände wiederum ungewöhnlich: Aus der Akte 272-103/68 riß er acht Seiten heraus und reinigte sich damit von Anhaftungen. Keinerlei Schuldbewußtsein; lediglich der Umstand, daß er das komische Barrett auf dem Richtertisch nicht erwischt habe, ärgerte ihn.
Aus der Begründung des Urteils des Schöffengerichtes:
Am 4. September 1968 fand gegen den Angeklagten … eine Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht Tiergarten unter dem Vorsitz des Amtsgerichtsrats Loch im Kriminalgericht Moabit in Berlin statt. Nach der Vernehmung der in dieser Sache geladenen Zeugen etwa um 10.25 Uhr sagte der Angeklagte, er möchte eine Erklärung abgeben. Er begab sich daraufhin zu dem vor dem Richtertisch stehenden Zeugentisch, drehte sich mit dem Rücken zum Gericht, zog seine Hose herunter und kotete vor den Zeugentisch in den Gerichtssaal. Sodann drehte sich der Angeklagte um, ging zum Richtertisch, griff zu den auf diesem liegenden Gerichtsakten 272-103/68, riß aus diesen acht Seiten heraus und wischte sich damit das Gesäß ab, wodurch diese Aktenblätter mit Kot beschmutzt wurden. Er wollte dadurch dem Gericht, insbesondere dem Vorsitzenden Amtsgerichtsrat Loch, seine Mißachtung kundgeben.
Der Amtsgerichtspräsident als Dienstvorgesetzter hat gegen den Angeklagten wegen Beleidigung des Amtsgerichtsrats Loch Strafantrag gestellt.
Der Angeklagte gibt die Tat zu und läßt sich wie folgt ein: Er habe die „Scheiße“ konkret machen wollen. Deshalb habe er Abführtabletten eingenommen, deren Wirkung er vorher ausprobiert habe. Er ärgere sich nur, daß er das komische Barett auf dem Richtertisch nicht erwischt habe.
Hiernach hat sich der Angeklagte der Beleidigung des Amtsgerichtsrats Loch gemäß § 185 StGB in Tateinheit mit einem Vergehen nach § 133 StGB schuldig gemacht. Durch das Koten vor dem Zeugentisch hat er symbolisch den Anspruch des Gerichts und insbesondere des Gerichtsvorsitzenden Loch auf angemessene, der Würde eines Gerichts entsprechende Behandlung verletzt und dadurch seine Mißachtung bekundet (§ 185 StGB). Weiter hat er den Tatbestand eines Verwahrungsbruchs gemäß § 133 Abs. 1 StGB erfüllt … Dadurch, daß der Angeklagte acht Seiten aus dieser Akte herausriß, sich hiermit das Gesäß abwischte und diese Seiten mit seinem Kot beschmutzte, hat er die Akte beschädigt. Der Angeklagte hat auch vorsätzlich gehandelt, da er die Tatumstände kannte und wollte. Beide Taten sind wegen ihres engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs als natürliche Handlungseinheit anzusehen …
Strafschärfend fiel … ins Gewicht, daß der Angeklagte durch die Tat eine Mißachtung gegenüber den Grundregeln jeglichen menschlichen Zusammenlebens und eine derart niedere Gesinnung gezeigt hat, die einem Menschen an sich nicht zuzutrauen ist.
Strafschärfend war ferner zu werten, daß es sich bei der Tat nicht um eine sogenannte „Spontanreaktion“ gegen die vorhandene Gesellschaftsordnung gehandelt hat. Vielmehr hat der Angeklagte nach seinem eigenen Zugeständnis in der Hauptverhandlung die Tat durch Einnahme von Abführtabletten mit vorangegangener Probe zielstrebig vorbereitet … Zur Sühne und Abschreckung (konnte) nur eine empfindlichere Freiheitsstrafe den Strafzweck erreichen. Eine Gefängnisstrafe von zehn Monaten erschien schuldangemessen.
Fragen Sie mich bitte nicht, wieso ich nun gerade an diesen Vorfall gedacht habe.
https://www.drschmitz.de/wp-content/uploads/2008/08/logo_g.gif00Andreas Jedehttps://www.drschmitz.de/wp-content/uploads/2008/08/logo_g.gifAndreas Jede2016-01-29 10:11:472016-01-29 10:11:47shit-in in Moabit
Ein Freiwilliger am Berliner LAGeSo berichtet den Tod eines Flüchtlings.
Unsere – nein, ich sage absichtlich nicht Lügenpresse – Presse berichtet darüber.
Es gibt ein gewaltiges Medienecho – warum eigentlich?
Dann wird über ergebnislose Recherchen berichtet.
Der Bericht stellt sich als unwahr heraus.
Der Berliner Innensenator fordert rechtliche Konsequenzen
„Berlins Behörden mussten über Stunden mit hohem Aufwand nach einem erfundenen ‚Lageso-Toten‘ suchen.“
Wäre die Nachricht wahr, würde es keinen wundern.
Ich muß dabei an Eugen Roths „Falscher Verdacht“ denken:
Der ganze Aufwand war entbehrlich
Und alle Welt wird wieder ehrlich.
Doch den vermeintlich frechen Dieb
Gewinnt der Mensch nie mehr ganz lieb,
Weil er die Mappe, angenommen,
Sie wäre wirklich weggekommen
Und darauf wagt er jede Wette
Gestohlen würde haben hätte!
eine Flasche Rioja, Alta Reserva 2005, vielleicht auch zwei,
Kerzenschein,
verliebte Blicke.
Sie erzählt ihm von ihrem letzten Einkauf im Dessous-Laden,
und fragt ihn, ob er noch etwas anderes möchte …
Männer, laßt die Hose zu! Es reicht nicht mehr, auf ein klares Nein! zu warten. Künftig geht ihr in den Knast:
(1) Wer unter Ausnutzung einer Lage, in der eine andere Person
…
2. aufgrund der überraschenden Begehung der Tat zum Widerstand unfähig ist oder
3. im Fall ihres Widerstandes ein empfindliches Übel befürchtet,
sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder an sich von dieser Person vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, …
Bedingter Vorsatz reicht.
Jeder vernünftige Mann wird sich von ihr ein Revers unterschreiben lassen. Das ist zwar auch nicht sicher, sicher lustmindernd, aber immerhin:
Ich bin aufgrund meines körperlichen und psychischen Zustandes zum Widerstand fähig.
Die nun folgenden sexuellen Handlungen überraschen mich nicht.
Ich rechne nicht mit einem empfindlichen Übel wenn ich Widerstand leiste.
Vielleicht schätzt sie ihren psychischen Zustand falsch ein?
Wird es in Zukunft spezialisierte Beischlaf-Psychologen geben, die der Frau ein Attest ausstellen, das sie immer mit sich führen kann?
O.K., nach dem Bericht vom Dessous-Einkauf war Susi Sorglos nur überrascht, daß er ihr den Revers vorlegte.
Das Justizministerium hat den Entwurf auch begründet:
Eine enge zeitliche Kongruenz zwischen Widerstand und Übel ist nicht erforderlich. Der Tatbestand ist daher zum Beispiel auch erfüllt, wenn das Opfer Widerstand unterlässt, weil es befürchtet, dass anderenfalls in der Zukunft eine Kündigung ausgesprochen wird.
Tja, Pech, mein Lieber, es war weder Liebe noch Lust – auch wenn Du es nicht gemerkt hast.
Es gilt dann noch mehr: „Never fuck the team!“ Nur dumm, daß die Vorschrift nicht auf Sex am Arbeitsplatz beschränkt ist. Vielleicht während des Koitus öfter nachfragen?
Und die auch in diesem Entwurf gebetsmühlenartig wiederholte verlogene Argumentation mit Europarecht, das angeblich die Gesetztesänderung notwendig macht, stimmt auch nicht:
Istanbul-Konvention
Artikel 36 – Sexuelle Gewalt, einschließlich Vergewaltigung
1 Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass folgendes vorsätzliches Verhalten unter Strafe gestellt wird:
a) nicht einverständliches, sexuell bestimmtes vaginales, anales oder orales Eindringen in den Körper einer anderen Person mit einem Körperteil oder Gegenstand;
b) sonstige nicht einverständliche sexuell bestimmte Handlungen mit einer anderen Person;
c) Veranlassung einer Person zur Durchführung nicht einverständlicher sexuell bestimmter Handlungen mit einer dritten Person.
2 Das Einverständnis muss freiwillig als Ergebnis des freien Willens der Person, der im Zusammenhang der jeweiligen Begleitumstände beurteilt wird, erteilt werden.
3 Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Absatz 1 auch auf Handlungen anwendbar ist, die gegenüber früheren oder derzeitigen Eheleuten oder Partnerinnen oder Partnern im Sinne des internen Rechts begangen wurden.
Diese Bedingungen der Istanbul-Konvention erfüllt das deutsche Sexualstrafrecht seit Jahrzehnten. Man muß schon besondere Fähigkeiten haben, um aus dieser Passage die Notwendigkeit der oben wiedergegebenen Gesetzesbestimmungen herzuleiten. Darüber hinaus ist die Konvention von Deutschland zwar unterzeichnet aber nicht ratifiziert worden – und sollte es auch nicht werden.[1]
Prof. Thomas Fischer, Vorsitzender Richter am 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes, hat zur Entstehungsgeschichte der Norm Erbauliches beigetragen und Fr. Künast beschrieben, der die ZEIT Platz für eine Erwiderung einräumte:
Ich bin der ZEIT unglaublich dankbar für den Abdruck der Erwiderung Künasts. Ich liebe es, wenn meine übelsten Vorurteile bestätigt werden. Finden Sie darin ein Argument? Gar ein tragfähiges?
Der Entwurf stammt aus dem Hause Maas. Das ist der Minister. Bundesminister. Justizminister. ‚Tschuldigung ich muß wegen der ständigen Änderungen immer nachgucken: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz heißt das jetzt.
Der glänzte auch auf der Pegida-Nachfolgeveranstaltung am 13. Januar 2016 im Deutschen Bundestag:
Es ist bedauerlicherweise nun einmal so, dass die Rechtsprechung in der Vergangenheit nicht wegen Vergewaltigung verurteilen konnte, wenn sich ein Opfer nicht ausreichend zur Wehr gesetzt hat.
Wenn Frauen auf Widerstand verzichten, weil sie sich ansonsten noch größerer Gewaltanwendung ausgesetzt sehen, dann hat auch das in der Vergangenheit dazu geführt, dass nicht bestraft werden konnte, zumindest nicht im Rahmen dessen, was nach § 177 Strafgesetzbuch möglich ist.
Daß diesen Aussagen der Nicht-Jurist zustimmen mag, ist verständlich. Gleichwohl sind sie falsch. Der Minister hat jedoch zwei juristische Staatsexamina.[5]. Das ist der Mann, der den Generalbundesanwalt in die Wüste schickte:
[1] Die Konvention erläutert den Begriff der sexuell bestimmten Handlung wie folgt: „Mit der Bezeichnung „sexuell bestimmt“ wird eine Handlung beschrieben, die eine sexuelle Konnotation hat, im Unterschied zu solchen, die keine solche Konnotation oder Nuance aufweisen.“ Ich denke, zwischen den Lesern und mit besteht Einigkeit, daß nicht jede Handlung, die eine sexuelle (was ist das?) Nuance aufweist, Tatbestandsmerkmal einer Straftat sein sollte.↩
[2]Der Bundestag diskutiert, ob das Sexualstrafrecht verschärft werden soll. Doch wissen die Abgeordneten überhaupt, von was sie reden? Oft leider nicht.
Eine Kolumne von Thomas Fischer↩
[3]Unser Sexualstrafrecht ist bereits von einer kaum zu überbietenden Dichte, Schärfe und Kompliziertheit. Wir sollten es endlich einmal in Ruhe lassen.
Eine Kolumne von Thomas Fischer↩
[4]Bundesrichter Fischer hat in seiner Kolumne behauptet, im Sexualstrafrecht bestehe kein Handlungsbedarf. Diese These ist aber falsch, ebenso wie sein Politikverständnis.
Ein Gastbeitrag von Renate Künast↩
[5]Bitte keine Witze über das Landesprüfungsamt für Juristen Saarland, es hatte am Nachmittag des 20. Januar 2016 und am Donnerstag , den 21. Januar ab 11 Uhr geschlossen. Internet-Abfrage v. 23.01.2016 14:30 ↩
https://www.drschmitz.de/wp-content/uploads/2008/08/logo_g.gif00Andreas Jedehttps://www.drschmitz.de/wp-content/uploads/2008/08/logo_g.gifAndreas Jede2016-01-25 09:31:552016-01-25 09:31:55Sex sells – führt zu mehr Klicks und Wählerstimmen
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