Ich weiß noch, wie ich während der ersten Semester meines Studiums dachte: „Wie unmoralisch, vor der Heirat bereits an die Scheidungsfolgen zu denken, obgleich die Ehe doch eine Herzensangelegenheit ist!“ Heute, nach 14 Jahren Anwaltstätigkeit, kann ich mich in meine Denke von damals kaum noch hineinversetzen und halte sie für naiv. Wahrscheinlich ernte ich damit den Spott der Nichtjuristen nach dem Motto: Typisch Anwalt, immer an Streit denken! Aber es sind die vielen Fälle, in denen nach einer Trennung das Vermögen mühsam mit vielfältigem Streitpotenzial ermittelt, auseinandergesetzt und verteilt werden muss, die mich zu der festen Überzeugung gelangen lassen, dass man sich bei einer rechtlich so folgenreichen Entscheidung, wie der Eheschließung, auch über die rechtlichen Folgen Gedanken machen und sich anwaltlich beraten lassen sollte.
Das gilt bei dem ehelichen Güterrecht auch deshalb, weil der Zugewinnausgleich, der gilt, wenn die Eheleute nichts vereinbart haben und den jeder Ehegatte für den Fall einer Scheidung ohne Zustimmung des anderen Ehegatten beantragen kann, oft zu überraschenden Ergebnissen führt. Gerade bei Langzeitehen in mittleren oder besseren Einkommensverhältnissen ist es die Ausnahme, dass die Eheleute bei einem Scheitern der Ehe auch nur annähernd abschätzen können, was bei dem Zugewinnausgleich herauskommt und über das tatsächliche Ergebnis dann oft verwundert, je nach dem erschrocken oder hoch erfreut, sind. Im Regelfall sind die Details der Berechnungsweise des Zugewinnausgleichs (z.B. durch Berücksichtigung eines auch negativen Anfangsvermögens, der Indexierung, der besonderen Berücksichtigung privilegierter Zuwendungen oder unentgeltlicher Zuwendungen, des Einflusses gemeinsamen Eigentums oder z.B. des Hauskredits auf den Zugewinnausgleich) für die Eheleute vor der anwaltlichen Beratung nämlich nicht überschaubar. Zum Teil, insbesondere bei Selbständigen, kann dann der Zugewinnausgleich auch zur Existenzbedrohung werden. Daher macht es Sinn, durch einen Ehevertrag vor Eheschließung Rechtssicherheit zu schaffen und zu regeln, was im Falle einer Scheidung gelten soll.
Dabei sind Regelungen zum ehelichen Güterrecht einer ehevertaglichen Gestaltung im Hinblick auf die nachrangige Bedeutung im System der Scheidungsfolgen weiter als Regelungen zum nachehelichen Ehegattenunterhalt und Versorgungsausgleich zugänglich, so der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, zuletzt in seinem Urteil vom 21.11.2012 – XII ZR 48/11 -. Es gilt insoweit weitgehend Vertragsfreiheit.
Selbst wenn man nichts regeln möchte, sondern bei einem etwaigen Scheitern der Ehe den Zugewinnausgleich in Kauf nimmt, sollte man sich bereits vor Eheschließung hierüber Gedanken machen.
Denn die gesetzliche Regelung des Zugewinnausgleichs setzt voraus, dass die jeweiligen Vermögensbilanzen beider Eheleute nicht nur zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags, sondern auch zum Zeitpunkt der Eheschließung ermittelt werden. Insbesondere bei Langzeitehen kommt es oft vor, dass die nachträgliche Ermittlung und vor allen Dingen Nachweisbarkeit von Vermögenswerten bzw. Verbindlichkeiten anhand von Belegen zum Zeitpunkt der Eheschließung nur noch lückenhaft möglich ist. Das hängt auch damit zusammen, dass Kontoauszüge dann oft schon vernichtet sind und Banken nur für die zurückliegenden 10 Jahre verpflichtet sind, Kontobewegungen zu speichern und hierüber Kontoauszüge zu erteilen. Wenn sich dann eigene Guthaben bzw. Verbindlichkeiten des Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht mehr nachweisen lassen, sind finanzielle Nachteile beim Zugewinnausgleich oft die Folge.
Um diese Nachteile zu vermeiden, sollten die Eheleute – auch wenn sie keinen Ehevertrag schließen wollen – Vermögensaufstellungen, die sowohl Aktivvermögen, als auch Passivvermögen (Verbindlichkeiten) beinhalten, auf den Zeitpunkt der Eheschließung bezogen für jeden von sich aufschreiben und gemeinsam unterzeichnen. Dann kann es später über die Vermögensstände der Eheleute zum Zeitpunkt der Eheschließung kaum noch Streit geben und es ist auch nur fair, späteren Beweisschwierigkeiten durch eine Dokumentation der tatsächlichen Gegebenheiten vorzubeugen.
Eheverträge bedürfen der notariellen Beurkundung.
Der Verfasser, Rechtsanwalt Andreas Schulze, ist Partnerschaftsgesellschafter der Rechtsanwälte Dr. Schmitz & Partner in Berlin.