Rechtsschutzversicherung muss auch für Verfahren vor dem Familiengericht bezahlen

… jedenfalls dann, wenn es sich um keine Streitigkeit aus dem materiellen Familienrecht (im Wesentlichen Scheidung, Versorgungsausgleich, Sorgerecht, Umgangsrecht, Unterhalt, Zugewinnausgleich, Ehewohnung, Haushaltsgegenstände), sondern z.B. um ein nebengüterrechtliches Verfahren, wie eine Streitigkeit um den Gesamtschuldnerausgleich für von einem Ehepartner getragene Kosten/Lasten für ein gemeinsames Grundstück handelt. So hat es das LG Bremen in seinem Beschluss vom 14.06.2012 – 6 T 294/12 – entschieden.

Das gleiche gilt z.B. für

  • Ansprüche zwischen Ehegatten oder geschiedenen Ehegatten auf Rückgewähr wegen Widerrufs einer Schenkung aufgrund groben Undanks,
  • Ausgleichsansprüche wegen eines von den Ehegatten gemeinsam aufgenommenen Darlehens und
  • Ansprüche auf Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft zwischen geschiedenen Ehegatten,

selbst wenn die Ansprüche auf eine Scheidungsfolgenvereinbarung gestützt werden.

Auch wenn diese Ansprüche vor dem Familiengericht verhandelt werden, handelt es sich materiell-rechtlich nicht um eigentlich familienrechtliche, sondern schuldrechtliche Ansprüche.

Es bleibt abzuwarten, ob dies die Rechtschutzversicherungen in Zukunft berücksichtigen.

Der Verfasser, Rechtsanwalt Andreas Schulze, ist Fachanwalt für Familienrecht und Partnerschaftsgesellschafter der Rechtsanwälte Dr. Schmitz & Partner in Berlin.

Anwaltsschwemme

Bei mir schlug eine Anfrage auf:

Als letzte Zulassungsvoraussetzung fehlt mir noch die Bescheinigung eines Anwaltspraktikums, daher suche spontan noch einen Platz. Wegen der Beanspruchung durch die Examensvorbereitung wäre ich nicht unaufdringlich und würde Sie nicht übermäßig mit Arbeitswünschen belästigen.

Wetten, der wird Anwalt? Er wird ca. drei Monate nach dem Examen feststellen, daß die Noten für einen künftigen Richter oder Staatsanwalt nicht ausreichen und auch andere Dienstherren nicht auf ihn gewartet haben. Seine Deutschkenntnisse werden sich nicht verbessert haben. Das Sozialamt wird ihm dann wohl die Robe bezahlen.

Women: Know Your Limits

Das ist eine Art von Humor, die nur in England gedeihen kann. Schon dieser Link wird hier wohl als politisch nicht korrekt gebrandmarkt. Daher:

Eine Note rauf!

Rechtsprechungsänderung beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Wer ein durchschnittliches Arbeitszeugnis haben möchte, kann nunmehr ohne Weiteres eine Bewertung mit der Note gut bzw. 2 („hat die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt“) beanspruchen.

Allgemein anerkannt ist, dass ein Arbeitnehmer ein Zeugnis bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder z.B. als Zwischenzeugnis während des laufenden Arbeitsverhältnisses mit einer durchschnittlichen Bewertung verlangen kann, ohne dass er hierfür nähere Darlegungen schuldet.

Will der Arbeitnehmer ein besseres Zeugnis, ist er für überdurchschnittliche Führung, Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen in der Darlegungspflicht und im Falle des Bestreitens durch den Arbeitgeber in der Beweispflicht. Vgl. Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 14.10.2003 – 9 AZR 12/03 -. Im Zeugnisberichtigungsstreit ist es dann oft schwierig, gegenüber dem Arbeitsgericht, das ja den Arbeitnehmer selbst nicht bewerten kann, entsprechenden Beweis zu erbringen. Das gelingt häufig nur, wenn bereits überdurchschnittliche Zwischenzeugnisse, Leistungseinschätzungen oder Beförderungen vorliegen, oder in dem seltenen Fall, dass sich ein Vorgesetzter so weit aus dem Fenster lehnt, dass er z.B. als Zeuge überdurchschnittliche Leistungen in einem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht bekundet. Umgekehrt gilt, dass der Arbeitgeber es in einem Zeugnisberichtigungsstreit schwer hat, ein unterdurchschnittliches Zeugnis durchzusetzen. Denn hierfür müsste er unterdurchschnittliche Führung, Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen des Arbeitnehmers darlegen und im Bestreitensfalle beweisen.

Nach bisheriger Ansicht war ein durchschnittliches Zeugnis auf der Notenskala die Note 3 bzw. befriedigend („hat die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer Zufriedenheit erledigt“ bzw. „hat die ihm übertragenen Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt“).

Es gibt neuere Untersuchungen, wonach durchschnittlich nicht ein Zeugnis mit der Note befriedigend, sondern mit der Note gut vergeben wird. So gibt es eine Studie des Lehrstuhls für Wirtschafts- und Sozialpsychologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg aus dem Jahre 2011, bei der 802 Arbeitszeugnisse aus den Branchen Dienstleistung, Handwerk, Handel und Industrie ausgewertet wurden. Diese kam zu dem Ergebnis, dass 38,8% der Zeugnisse der Leistungsbewertung 1 oder 1,5 des üblichen Notensystems, 48,5% der zeugnisse der Note 2 oder 2,5, 11,6% der Note 3 oder 3,5, 0,6% der Note 4 sowie 0,5% schlechter als 4 zuzuordnen waren. Eine Auswertung von 1.000 Arbeitszeugnissen durch die Personalberatungsgesellschaft Personalmanagement Services GmbH aus dem März 2010 kam zu dem Ergebnis, dass bei 963 mit einer Leistungszusammenfassung versehenen Arbeitszeugnissen die Leistungen in 33,2% der Fälle mit sehr gut, in 35,1% der Fälle mit gut, in 15,8% der Fälle durchschnittlich, in 3,3% der Fälle unterdurchschnittlich und in 0,2% der Fälle mit mangelhaft bewertet wurden. Vergleiche Aufsatz von Düwell/Dahl, Die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung im Arbeitszeugnis, NZA 2011, 985 ff..

Hierauf stützt sich das Arbeitsgericht Berlin in seinem Urteil vom 26.10.2012 – 28 Ca 18230/11 – und in der 2. Instanz das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 21.03.2013 – 18 Sa 2133/12 -, wonach dann eben ein durchschnittliches Zeugnis die Note 2 bedeutet. Denn die Note 3 ist nach den vorbenannten Untersuchungen nur unterdurchschnittlich und würde bei Bewerbungen zu einem Ausschlusskriterium führen. Folgerichtig werden vom Arbeitnehmer, der die Note 2 begehrt, nicht mehr Darlegungen überdurchschnittlicher Führung, Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen verlangt.

Diese Entscheidung ist begrüßenswert, weil sie logische Konsequenzen aus der Lebens- bzw. Zeugniswirklichkeit zieht. Es bleibt abzuwarten, was das Bundesarbeitsgericht dazu sagt. Das Urteil des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg ist nicht rechtskräftig. Revision, über die voraussichtlich nicht vor 2014 entschieden wird, wurde eingelegt.

Der Verfasser, Rechtsanwalt Andreas Schulze, ist Partnerschaftsgesellschafter der Rechtsanwälte Dr. Schmitz & Partner in Berlin.

Bundesarbeitsgericht stärkt Kündigungsschutz

Ein Großbetrieb ist kein Kleinbetrieb! Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 24.01.2013 – 2 AZR 140/12 – die seit langem offene Rechtsfrage entschieden, ob Leiharbeitnehmer mitzuzählen sind, wenn es um die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes geht. Sie sind mitzuzählen, wenn sie über eine längere Dauer und nicht nur zur vorübergehenden Vertretung von Stammarbeitnehmern, also in der Regel, beschäftigt werden.

Dies ist eine Stärkung der Rechte vieler Arbeitnehmer. Denn Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz, wonach die arbeitgeberseitige Kündigung einer sozialen Rechtfertigung durch betriebsbedingte, personenbedingte oder verhaltensbedingte Gründe bedarf, besteht nicht für Betriebe, in denen in der Regel nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden (sogenannte Kleinbetriebsklausel). Seit den Hartz-Reformen und einer damit verbundenen Förderung der Leiharbeit war bei Arbeitgebern ein Trend zu erkennen, gerade in Betrieben mittlerer Größe die Stammbelegschaft immer weiter zu verringern und mehr und mehr mit Leiharbeitnehmern zu arbeiten, auch um die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes zu vermeiden und dadurch eine größere Handlungsfreiheit bei der Möglichkeit zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen zu erhalten.

Die bislang vorherrschende Auffassung war, dass die Leiharbeitnehmer nicht mitzuzählen seien, weil eben kein Beschäftigungsverhältnis mit dem Betriebsinhaber, sondern mit der Leiharbeitsfirma besteht. Das konnte zu der schwer verständlichen Situation führen, dass ein Arbeitnehmer der Stammbelegschaft in einem großen Betrieb mit in der Regel wesentlich mehr als zehn Beschäftigten tätig war und dennoch keinen Kündigungsschutz hatte, weil eben nicht mehr als zehn Vollzeitarbeitnehmer zur Stammbelegschaft gehörten und es sich im übrigen um Leiharbeitnehmer handelte.

Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr klar gestellt, dass bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Auslegung geboten ist, wonach die Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes in Kleinbetrieben auf kleine Betriebe beschränkt bleibt, also die tatsächliche Größe des Betriebs entscheidend ist. Dann geht es aber nicht an, auch Betriebe, in denen ständig oder bereits über einen längeren Zeitraum neben einer kleinen Stammbelegschaft eine Vielzahl von Leiharbeitnehmern z.B. als Produktionshelfer, beschäftigt werden, als Kleinbetriebe zu behandeln, mit der Folge, dass die Stammbelegschaft keinen Kündigungsschutz hätte.

Der Verfassser, Rechtsanwalt Andreas Schulze, ist Partnerschaftsgesellschafter der Rechtsanwälte Dr. Schmitz & Partner in Berlin.