Rechtsprechungsänderung beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Wer ein durchschnittliches Arbeitszeugnis haben möchte, kann nunmehr ohne Weiteres eine Bewertung mit der Note gut bzw. 2 („hat die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt“) beanspruchen.
Allgemein anerkannt ist, dass ein Arbeitnehmer ein Zeugnis bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder z.B. als Zwischenzeugnis während des laufenden Arbeitsverhältnisses mit einer durchschnittlichen Bewertung verlangen kann, ohne dass er hierfür nähere Darlegungen schuldet.
Will der Arbeitnehmer ein besseres Zeugnis, ist er für überdurchschnittliche Führung, Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen in der Darlegungspflicht und im Falle des Bestreitens durch den Arbeitgeber in der Beweispflicht. Vgl. Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 14.10.2003 – 9 AZR 12/03 -. Im Zeugnisberichtigungsstreit ist es dann oft schwierig, gegenüber dem Arbeitsgericht, das ja den Arbeitnehmer selbst nicht bewerten kann, entsprechenden Beweis zu erbringen. Das gelingt häufig nur, wenn bereits überdurchschnittliche Zwischenzeugnisse, Leistungseinschätzungen oder Beförderungen vorliegen, oder in dem seltenen Fall, dass sich ein Vorgesetzter so weit aus dem Fenster lehnt, dass er z.B. als Zeuge überdurchschnittliche Leistungen in einem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht bekundet. Umgekehrt gilt, dass der Arbeitgeber es in einem Zeugnisberichtigungsstreit schwer hat, ein unterdurchschnittliches Zeugnis durchzusetzen. Denn hierfür müsste er unterdurchschnittliche Führung, Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen des Arbeitnehmers darlegen und im Bestreitensfalle beweisen.
Nach bisheriger Ansicht war ein durchschnittliches Zeugnis auf der Notenskala die Note 3 bzw. befriedigend („hat die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer Zufriedenheit erledigt“ bzw. „hat die ihm übertragenen Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt“).
Es gibt neuere Untersuchungen, wonach durchschnittlich nicht ein Zeugnis mit der Note befriedigend, sondern mit der Note gut vergeben wird. So gibt es eine Studie des Lehrstuhls für Wirtschafts- und Sozialpsychologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg aus dem Jahre 2011, bei der 802 Arbeitszeugnisse aus den Branchen Dienstleistung, Handwerk, Handel und Industrie ausgewertet wurden. Diese kam zu dem Ergebnis, dass 38,8% der Zeugnisse der Leistungsbewertung 1 oder 1,5 des üblichen Notensystems, 48,5% der zeugnisse der Note 2 oder 2,5, 11,6% der Note 3 oder 3,5, 0,6% der Note 4 sowie 0,5% schlechter als 4 zuzuordnen waren. Eine Auswertung von 1.000 Arbeitszeugnissen durch die Personalberatungsgesellschaft Personalmanagement Services GmbH aus dem März 2010 kam zu dem Ergebnis, dass bei 963 mit einer Leistungszusammenfassung versehenen Arbeitszeugnissen die Leistungen in 33,2% der Fälle mit sehr gut, in 35,1% der Fälle mit gut, in 15,8% der Fälle durchschnittlich, in 3,3% der Fälle unterdurchschnittlich und in 0,2% der Fälle mit mangelhaft bewertet wurden. Vergleiche Aufsatz von Düwell/Dahl, Die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung im Arbeitszeugnis, NZA 2011, 985 ff..
Hierauf stützt sich das Arbeitsgericht Berlin in seinem Urteil vom 26.10.2012 – 28 Ca 18230/11 – und in der 2. Instanz das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 21.03.2013 – 18 Sa 2133/12 -, wonach dann eben ein durchschnittliches Zeugnis die Note 2 bedeutet. Denn die Note 3 ist nach den vorbenannten Untersuchungen nur unterdurchschnittlich und würde bei Bewerbungen zu einem Ausschlusskriterium führen. Folgerichtig werden vom Arbeitnehmer, der die Note 2 begehrt, nicht mehr Darlegungen überdurchschnittlicher Führung, Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen verlangt.
Diese Entscheidung ist begrüßenswert, weil sie logische Konsequenzen aus der Lebens- bzw. Zeugniswirklichkeit zieht. Es bleibt abzuwarten, was das Bundesarbeitsgericht dazu sagt. Das Urteil des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg ist nicht rechtskräftig. Revision, über die voraussichtlich nicht vor 2014 entschieden wird, wurde eingelegt.
Der Verfasser, Rechtsanwalt Andreas Schulze, ist Partnerschaftsgesellschafter der Rechtsanwälte Dr. Schmitz & Partner in Berlin.