Das tut man einem Kind nicht an!

Seit 14 Jahren Anwalt und man erlebt immer wieder Neues! Gestern führte ein Termin in einem einstweiligen Anordnungsverfahren vor dem Amtsgericht Bad Liebenwerda zu dem vorhergesehenen und rechtlich wenig spektakulärem Ergebnis: Der Versuch einer Mutter, einen Ferienumgang mit einem 9-jährigen Kind dazu zu missbrauchen, einen Aufenthaltswechsel herbeizuführen und den Vater, der das Kind seit 5 Jahren in seinem Haushalt betreut, vor vollendete Tatsachen zu stellen, scheiterte. Das Kind kehrt zu meinem Mandanten zurück!

Trotz gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrecht steht der alltägliche Aufenthalt des Kindes nicht in freiem Belieben eines Elternteils, sondern ist ein Aufenthaltswechsel mit dem anderen Elternteil zu vereinbaren oder zuvor eine Entscheidung des Familiengerichtes herbeizuführen. Andernfalls macht man sich unter Umständen einer Entziehung Minderjähriger (Tatalternative List) gemäß § 235 Absatz 1 Ziffer 1 StGB strafbar, ganz zu schweigen davon, dass man mit einem solchen Vorgehen eine tragfähgige Beziehung zwischen den Eltern als Voraussetzung für ein gemeinsames Sorgerecht zerstört und dies für alle Beteiligten, insbesondere für das Kind, eine Zumutung ist. Der Junge mußte sich vor der Anhörung durch die Richterin übergeben, nicht weil die Richterin so schrecklich gewesen wäre – das war sie ganz und gar nicht -, sondern weil dem Kind die ganze Situation unangenehm war, vermutlich insbesondere, sich positioinieren zu müssen. Kinder lieben für gewöhnlich beide Elternteile und wollen es auch beiden Eltern recht machen.

In dem Verfahren stellte sich heraus, dass die Mutter sich bereits seit vielen Monaten mit der Absicht der Herbeiführung des Aufenthaltswechsels trug und auch oft mit dem Kind darüber sprach, nur mit dem Vater nicht. Der Vater erfuhr davon durch eine Einladung des Jugendamtes zu einem Gespräch, die er während der Abwesenheit des Kindes zum Ferienumgang erhielt. Auf Nachfrage bei der Mutter, was das soll, erfuhr er davon, dass das Kind bei ihr bliebe. Er war über das Vorgehen überrascht, erschüttert und in der Zwischenzeit bis zu dem Gerichtstermin auch mit den Nerven ziemlich fertig. Verständlich! Das wäre jedem anderen Vater oder jeder anderen Mutter in vergleichbarer Situation sicherlich ähnlich gegangen.

Was mir fast die Schuhe auszog: Die Anwältin der Mutter prahlte damit, dass sie selbst mit dem Kind gesprochen hatte und sich davon überzeugt hätte, dass es angeblich unbedingt zur Mutter wolle. Wenn wir Anwälte, die wir in solchen Verfahren ja nicht das Kind, sondern einen Elternteil vertreten, auch noch anfangen, an den Kindern „herumzuzerren“ und ihnen irgendwelche Aussagen suggerieren, tun wir wirklich nichts Gutes. Klar muss man das Wohl des Kindes im Blick haben und wenn man der Meinung wäre, die Mandantin/der Mandant handelt nicht zum Wohle des Kindes, sich mit der Mandantin/dem Mandant auseinandersetzen. Notfalls muss man eben das Mandat ablehnen. Aber auch noch als Anwalt eines Elternteils das Kind anhören, das ja bereits vom Gericht angehört wird und in dem Verfahren seinen eigenen Anwalt, den Verfahrensbeistand, bekommt, geht gar nicht!

Übrigens kann man von den Zuständen in Bad Liebenwerda als Berliner Anwalt nur träumen. Der Termin war am 3. Werktag nach der Antragstellung. Das ist wirklicher Eilrechtsschutz!

Der Verfasser, Rechtsanwalt Andreas Schulze, ist Fachanwalt für Familienrecht und Partnerschaftsgesellschafter der Rechtsanwälte Dr. Schmitz & Partner.

Ernsthaft aber nicht ernstlich

Der Cartoon des Monats des Steuerberater Magazin hat mich wieder an eine Lektion vor einigen Jahren erinnert. Der Berliner Landrichter Dr. X meinte zu mir in einer Wettbewerbssache, er unterstelle mir ernsthafte Zweifel, ernstlich seien sie jedoch nicht.

Ernsthafte Zweifel und ernstliche Zweifel sind nicht synonym.

Die nächste Wirkung von der Vorstellung des Wichtigen ist ein gewisses demselben angemessenes Gefühl. Was dieses Gefühl hat oder erregt, ist ernst. So wird es von Personen (ernst gestimmt) und Dingen (ernst stimmend) gesagt. „Zum Werke, das wir ernst bereiten, | geziemt sich wohl ein ernstes Wort.“ Schiller, Glocke. „Ernst ist das Leben; heiter ist die Kunst.“ Schiller, Prol. zum Wallenst. Was in den Handlungen diesem Gefühle gemäß ist, das ist ernstlich. Eine Ermahnung, ein Verweis, eine Strafe sind ernstlich, wenn sie dem Gefühle, das der Ermahnende, der Verweisende, der Strafende von der Wichtigkeit und Notwendigkeit seiner Ermahnung, seines Verweises, seiner Strafe hat, gemäß sind. Ernsthaft (eig. Ernst an sich habend) ist der Ausdruck des Ernstes in Gebärden, Bewegungen, Handlungen und Reden. Ein ernsthafter Mann trägt an seiner gerunzelten Stirne, seinen bedächtigen Bewegungen usw. die Zeichen von den wichtigen Gedanken, die ihn beschäftigen. „Gott, das wird ernsthaft!“ Schiller, Teil III, 3. Aus den Zeichen (daß Geßler den Apfel bricht usw.) schließt man, daß der Landvogt nicht scherze.
Quelle: Johann August Eberhards – Synonymisches Handwörterbuch der deutschen Sprache (1910), Nr. 509

Oder anders formuliert:

Ernst ist die innere Realität oder Beschaffenheit; ernsthaft die äußere Erscheinung und ernstlich die Intensität.

Und so reichen dann ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit für eine Aussetzuung der Vollziehung nicht aus, es müssen ernstliche Zweifel bestehen.

Aktenzeichen

Kann mir bitte ‚mal einer der lieben Kollegen (Richter, Staatsanwälte inkludiert) verraten,

  • warum wir immer die Aktenzeichen der Behörde in unserem Schriftverkehr im Betreff anführen?
  • warum wir auf unserem Briefpapier an prominenter Stelle, farblich hervorgehoben „Bitte stets angeben: …“ unser Aktenzeichen nennen?
  • warum ich zu der Vermutung gelangt bin, daß Behördenbedienstete nicht in der Lage sind, unser Aktenzeichen anzugeben?
  • warum ich den Anfangsverdacht habe, daß einige der Mitarbeiter als funktionale Analphabeten bezeichnet werden müssen?
  • warum eine Behörde einen an uns adressierten Bescheid dadurch siegelt, daß die linken oberen Kanten nach vorne umgebogen, geklammert werden und dann ein Siegel darüber gesetzt wird – natürlich so, daß die folgenden Seiten nicht mehr vollständig lesbar sind? Soll das die Anstiftung zum Siegelbruch sein?

Verfahrenskosten auch für Scheidungsfolgesachen absetzbar!

Das FG Düsseldorf hat mit Urteil vom 19.02.2013 – 10 K 2392/12 E – einer Steuerbürgerin in einem Streit gegen das Finanzamt recht gegeben, dass nicht nur die Kosten für die Ehescheidung und den Versorgungsausgleich, sondern auch für den Zugewinnausgleich und nachehelichen Unterhalt als außergewöhnliche Belastungen absetzbar sind.

Dabei stützt es sich auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12.05.2011 -IV R 42/10-, wonach notwendige Zivilprozesskosten (das erstreckt sich auch auf das Familienrecht und das Arbeitsrecht) unabhängig vom Gegenstand des Prozesses als außergewöhnliche Belastung absetzbar sind, wenn die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung mindestens so aussichtsreich erschien, dass keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Misserfolg absehbar war.

Demzufolge ist die früher von den Finanzämtern vertretene Auffassung, nur die Kosten für die eigentliche Scheidung und den zwangsläufig durchgeführten Versorgungsausgleich seien absetzbar, Kosten für sonstige Verfahren hingegen nicht, nicht mehr haltbar.

Unser Bundesfinanzministerium hält an dieser unhaltbaren Auffassung dennoch fest. In seinem Nichtanwendungserlass gemäß Schreiben vom 20. Dezember 2011 bittet unser Bundesfinanzministerium unsere Finanzämter darum, das Urteil des Bundesfinanzhofs über den entschiedenen Fall hinaus nicht anzuwenden. Es begründet dies damit, dass der Finanzverwaltung keine Instrumente für eine eindeutige Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Zivilprozesses zur Verfügung stünden und im Hinblick auf eine mögliche gesetzliche Neuregelung der steuerlichen Berücksichtigung von Zivilprozesskosten, die auch die rückwirkende Anknüpfung an die bisher geltende Rechtslage einschließt, Prozesskosten auch für eine Übergangszeit nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden. Mit anderen Worten: Unser Bundesfinanzministerium beabsichtigt seit knapp zwei Jahren möglicherweise ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das die Rechtsprechung des höchsten deutschen Finanzgerichtes aushebelt.

Dieser Nichtanwendungserlass ist kein Recht. Er entfaltet keine Außenwirkung, ist insbesondere nicht bindend für Bürger und Gerichte. Dennoch halten sich die Finanzämter an diese rechtswidrige Verwaltungspraxis. Das Urteil des Bundesfinanzhofs ist hingegen Recht. Da die Finanzgerichte in der Regel die tragenden Gründe höchstrichterlicher Entscheidungen berücksichtigen, sollte man es auf einen Streit mit dem Finanzamt ankommen lassen. Es ist davon auszugehen, dass die Finanzgerichte der höchstrichterlichen Rechtsprechung, nicht aber dem rechtswidrigen Nichtanwendungserlass, folgen werden.

Der Verfasser, Rechtsanwalt Andreas Schulze, ist Fachanwalt für Familienrecht und Partnerschaftsgesellschafter der Rechtsanwälte Dr. Schmitz & Partner in Berlin.

Verantwortliche Vernehmung verfehlt ihren Zweck

aus der Begründung eines Antrages der Staatsanwaltschaft auf Überwachung der Telekommunikation:

Die Schreiben vom TT.MM.JJJJ hat der Beschuldigte Rudi Ratlos abgesandt, obwohl er bereits zuvor durch die Polizei verantwortlich vernommen worden war.

Messerscharfer Schluß des Verteidigers: Formulierungsaufwand für den Antrag auf Erlaß eines Haftbefehls (nicht erlassen) zur Begründung des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr sollte nicht vergebens sein?

Jedenfalls darf die Vernehmung nicht als Disziplinierungsmaßnahme genutzt werden.