Gerichtsvollzieherin schnell! Aber ahnungslos?

Seit 01.01.2013 sind einige Änderungen im Zwangsvollstreckungsrecht in Kraft getreten, die die Zwangsvollstreckung für den Gläubiger etwas erleichtern. Eine Änderung ist, dass die Abgabe der Vermögensauskunft gemäß § 802d ZPO vom Schuldner, ohne dass Änderungen seiner Vermögensverhältnisse bekannt geworden sind, bereits nach zwei Jahren und nicht – wie früher bei der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung – erst nach drei Jahren erneut verlangt werden kann. Die Übergangsregelung des § 39 Ziffer 4 EGZPO sieht vor, dass die neue Zweijahresfrist und nicht die alte Dreijahresfrist auch gilt, wenn noch die eidesstattliche Versicherung nach altem Zwangsvollstreckungsrecht abgegeben wurde.

Letztens bekomme ich bereits 8 Tage nach Erteilung eines Zwangsvollstreckungsauftrages mit Auftrag zur Abnahme der Vermögensauskunft Post von der Gerichtsvollzieherin. Ich denke, klasse, die ist aber schnell geworden. Allerdings schickte Sie mir den Zwangsvollstreckungsantrag wieder zurück mit dem Hinweis, dass die Voraussetzungen für die wiederholte eidesstattliche Versicherung nach § 903 ZPO derzeit nicht vorlägen, weil der Schuldner am 14.07.2011 die letzte eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. In solchen Fällen lese ich immer mehrmals, da ich grundsätzlich davon ausgehe, dass ein Gerichtsvollzieher die Grundzüge des Zwangsvollstreckungsrechts kennen würde.

Ich kam zur Schlussfolgerung: Ein Versehen der Gerichtsvollzieherin, Textbausteine verwechselt, falsche Maßnahme in der Anwendersoftware angeklickt oder irgendetwas Ähnliches. Ich werde am besten meine Mitarbeiterin anrufen lassen, damit sie auf das Versehen hinweist und bittet, die Zwangsvollstreckungsunterlagen wieder übersenden zu dürfen. Die Gerichtsvollzieherin empfahl, einen erneuten Zwangsvollstreckungsauftrag zu erteilen. Meine Mitarbeitern fragte, wieso denn das, der alte ist doch noch nicht erledigt. Schließlich lenkte die Gerichtsvollzieherin ein, schimpfte über das neue Zwangsvollstreckungsrecht, dass das alles keinen Spaß mache und sagte zu, dass sie dann entscheiden würde, ob sie die Zwangsvollstreckung antragsgemäß durchführe. Meine Mitarbeiterin fragte nach, wie das denn zu verstehen sei, die Gerichtsvollzieherin sei doch verpflichtet, den Zwangsvollstreckungsauftrag zu bearbeiten. Die Gerichtsvollzieherin ließ „Gnade“ walten und bat darauf hin darum, nochmals in einem Anschreiben auf die neue Rechtslage hinzuweisen.

Ich möchte es nicht für möglich halten, ….

Der Verfasser, Rechtsanwalt Andreas Schulze, ist Partnerschaftsgesellschafter der Rechtsanwälte Dr. Schmitz & Partner.

Die Hitze treibt seltene Blüten – das Siebente Gebot

Bild Kompressorbei mir im Büro herrschten in den letzten Tagen Temperaturen über 35° C.

Klimaanlage kaputt?

Kommt drauf an, wie man kaputt definiert!

Der Chef der Norddeutschen Kältefachschule, selbst ein Meister des Fachs, stellt fest, es ist zu warm im Raum [1] und öffnet das Fenster und schaut raus[2] und verkündet:

So eine Split-Anlage funktioniert nicht ohne Kompressor!

Jemand hat die Verdichter-/Verflüssigereinheit der Klimaanlage auf dem Vordach geklaut!

 

GEKLAUT!

 

Jemand stiehlt vom Vordach eines Hauses am Kurfürstendamm ein zig-Kilo schweres Bauteil. Das ist übel. Noch übler ist, daß er das Kältemittel in die Umwelt entweichen ließ. Mögen einige Zeitgenossen den Diebstahl als Kavaliersdelikt abtun, R22 in die Umgebungsluft abzulassen, ist eine Sauerei erster Güte!

Und die absolute Krönung: Strafverteidiger beklauen! Wie soll denn das Erstberatungsgespräch mit dem Verteidiger aussehen? Sollte ich als Zeuge befragt werden, werde ich die Folgen der Tat eindringlich zu schildern wissen.

Merke: Du sollst nicht stehlen!

  1. [1] Ehrlich, für diese Feststellung hätte ich seiner Hilfe nicht bedurft!
  2. [2]Für eine Wetterprognose taugt er eigentlich auch nicht, in Springe regnet es entweder oder es ist schlechtes Wetter.

ALG II für Umgangsrecht

Das Umgangsrecht ist keine Gnade sondern hat Verfassungsrang! Dies ist auch im Sozialrecht zu berücksichtigen.

Der Hilfebedürftige kann Arbeitslosengeld II auch für die Kosten der Ausübung des Umgangsrechts in Form von erhöhten Fahrtkosten beanspruchen, vergleiche Urteil des Bundessozialgericht vom 07.11.2006 – B 7b AS 14/06 R -. Nach dem Urteil des Landessozialgerichtes Nordrhein-Westfalen vom 21.03.2013 – L 7 AS 1911/12 – ist dies auch der Fall, wenn die wiederkehrenden Kosten „nur“ 27,20 € im Monat betragen. Eine Bagatellgrenze gibt es insoweit nicht.

Der Hilfebedürftige kann anteiliges Arbeitslosengeld II in Höhe von 1/30 des monatlichen Regelsatzes für das Kind auch für all jene Tage beanspruchen, an denen sich das Kind bei ihm (länger als 12 Stunden) aufhält. Vergleiche Urteil des Bundessozialgerichtes vom 02.07.2009 – B 14 AS 75/08 R –.

Dies gilt selbst dann, wenn der andere, ebenfalls hilfebedürftige, Elternteil bzw. die mit dem anderen Elternteil bestehende Bedarfsgemeinschaft bereits für das Kind den vollen Regelsatz für den gleichen Zeitraum bzw. für den vollen Monat erhalten hat. Dies hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 12.06.2013 – B 14 AS 50/12 R – entschieden. Dem anderen Elternteil steht allerdings der Regelsatz für das Kind nur gekürzt für die Tage zu, während der sich das Kind nicht bei dem umgangsberechtigten Elternteil aufhält. Dass er dann gegebenenfalls etwas zu viel erhalten hat, führt aber nicht zum Wegfall des Anspruches der mit dem umgangsberechtigten Elternteil bestehenden Bedarfsgemeinschaft, sondern allenfalls zu Rückforderungsansprüchen gegenüber der Bedarfsgemeinschaft, die zuviel erhielt.

Der Verfasser, Rechtsanwalt Andreas Schulze, ist Fachanwalt für Familienrecht und Partnerschaftsgesellschafter der Rechtsanwälte Dr. Schmitz & Partner.

Stilles Örtchen = Privatsache

Der Meldung de Kollegen Dr. Schenk kann man auch Ernstes entnehmen:

Der ordentliche Beamte erscheint gesättigt und entleert zum Dienst – Das Stille Örtchen ist Privatsache: Nun, wir werden bald Zeiterfassungssystem an den Toiletten sehen?

Das Verwaltungsgericht München stellte mit seinem Urteil vom 08.08.2013, Az.: M 12 K 13.24, fest, dass der Aufenthalt auf der Toilette während der Arbeitszeit als private Zeit einzustufen und nur Unfälle, die auf dem Weg dorthin passieren auch Dienstunfälle sind. Hingegen geschieht ein Unfall an diesem Ort nicht in Ausübung des Dienstes, womit auch eine Übernahme der Arztkosten nicht in Betracht kommt.
Quelle: Dr. Schenk 19.08.2013

Das Ungerechte an der Gerechtigkeit

Bild Knüppel im SackAls ich in Konstanz studierte, war ich nicht besonders von ihm angetan. Nun, wir sind beide älter geworden, und einiges lese ich heute mit Staunen:

Bernd Rüthers, Das Ungerechte an der Gerechtigkeit, 3. Aufl. 2009

Verfassungsrecht: Mit den Regeln spielt man nicht

Die sogenannten „sozialen““ Grundrechte sind, bei Licht gesehen, kaschierte Forderungen, gegebenenfalls auf Kosten anderer zu leben. Das Gleiche gilt für die Rechte auf Wohnung, auf Bildung und auf Arbeit. Der Steuerzahler soll das alles richten. Der reale Sozialismus ist genau mit dieser Mentalität in den Konkurs gefahren.

Die Vision eines Schlaraffenlandes läßt sich nicht durch die Aufnahme solcher Wünsche und Heilserwartungen in die Verfasssungsurkunde realisieren. Arbeitsplätze, Wohnungen, saubere Luft und Umwelt – solche berechtigten Wünsche werden nicht durch Akte der Verfassungsggesetzgebung erfüllt. Was von der Aufnahme von Wunschbildern in den Verfassungstext zu halten ist, hat F. Lasalle in dem genannten Vortrag[1] anschaulich formuliert: „Gott behüte meine Herren! Wenn Sie in Ihrem Garten einen Apfelbaum haben und hängen nun an denselben einen Zettel, auf dem steht: Dies ist ein Feigenbaum! – ist denn dadurch der Baum zum Feigenbaum geworden? Nein, und wenn Sie … alle Einwohner des Landes herum versammeln und feierlich beschwören ließen: dies ist ein Feigenbaum – der Baum bleibt, was er war, und im nächsten Jahr wird sich’s zeigen, da wird er Äpfel tragen und keine Feigen“.

Das Fazit in der Diskussion um eine grundlegende Verfassungsreform lautet: Die Verfassung ist notwendig eine in sich stimmige Einheit. Sie kann nicht beliebig manipuliert oder angereichert werden, ohne daß das Grundkonzept verändert oder sogar verdorben wird. Und gerade dazu besteht weder in der Staats- noch in der Arbeitsverfassung ein Anlaß. Im Gegenteil: Wir werden die Stabilität und die Leistungskraft dieses bewährten rechtlichen Ordnungsgefüges brauchen.

Nun, Dieter Hildebrandt paßt immer:

Statt zu klagen, daß wir nicht alles haben, was wir wollen, sollten wir lieber dankbar sein, daß wir nicht alles bekommen, was wir verdienen.

Rüthers, a.a.O., S.149:

Ist es vielleicht so, daß der offene Diskurs, der Streit verschiedener Gerechtigkeiten um Vorrang und Geltung, ein Kernstück des demokratischen Rechtsstaates ist? Er garantiert nicht eine, sondern die Konkurrenz der vielen Gerechtigkeiten. Die Proklamation einer einzigen, staatlich sanktionierten Gerechtigkeit birgt das Risiko einer Weltanschauungsdiktatur. Denn es gibt kein Gerechtigkeitsmodell ohne „ideologische“ Grundlage. Wir Deutsche haben das in kurzer Folge mehrfach leidvoll erlebt.

  1. [1]Ferdinand Lasalle, Über Verfassungswesesen, 16.04.1862