Sie werden abgehört

Die Telekom gab Auskunft über die richterlich (was nicht gesetzmäßig heißt) genehmigte Schnüffelei. Die Telekom ist bekanntlich nur eine der deutschen Telephongesellschaften.

  • 49.796 Anschlussüberwachungen
  • 436.331 Verkehrsdatensätze
  • 28.162 Teilnehmerbestandsdaten
  • 946.641 IP-Adressinhaberdaten

Wenn wir nur die erste Zahl nehmen: 50 tausend überwachte Telephonanschlüsse im Jahr 2013. Das sind ja nun nicht nur die Anschlußinhaber, deren Gespräche aufgezeichnet werden. Die Anschlüsse werden auch von den Ehemännern genutzt, den Kindern, – geschäftliche Anschlüsse von den Kolleginnen.

Und da wohl kaum jemand das Telephon für Selbstgespräche nutzt, wird auch das Gespräch des zweiten Teilnehmers einer solchen Verbindung aufgezeichnet.

Wieviele Personen rufen Sie im Verlauf eines Vierteljahres an? Es gibt einige, die Sie regelmäßig anrufen, andere, wie die Schwiegermutter, ruft Ihr Mann häufiger an.

Und die Angerufene kann sich in der Regel nicht aussuchen, von wem sie angerufen wird :-)

Gehen wir von 50 verschiedenen Personen aus, so sind zumindest 51 Personen von den TKÜs betroffen, mit jeder weiteren Nutzerin des Anschlusses …

50 mal 50.000 Anschlüsse sind … – allein bei der Telekom.

Da läuft doch wohl was aus dem Ruder?

Ich bewundere ja die Richter, die die Anträge nach § 100a StPO ordentlich prüfen. Ich habe das tatsächlich schon erlebt, ehrlich!

Allein die Zahlen der Telekom bestätigen: Harry Potter ist keine Fiktion, bei uns arbeiten Zauberer in schwarzen Roben im Dienst der Gerechtigkeit! Die paar Ermittlungsrichter, die es bei uns gibt, prüfen jeden der Anträge nach den strengen Vorgaben des Gesetzes und des Bundesverfassungsgerichtes! Und an den vielen kleinen Amtsgerichten macht das die Allround-Richterin zwischen zwei Terminen.

Rechnen Sie doch mal selbst: Vernachlässigen Sie die anderen Zahlen, nehmen Sie nur die 50.000 Anschlußüberwachungen. Dafür vernachlässigen wir die Tatsache, daß in vielen Beschlüssen die Überwachung mehrerer Anschlüsse angeordnet wird. Eine halbe Stunde für jeden Beschluß ist echt knapp …

Und das sind nur die Zahlen der Telekom.

 

Altes Brot

Altes Brot ist nicht hart.
Kein Brot, das ist hart.

Brot für die Welt

Ermittlungsakten sind nicht spaßfrei

Ermittlungsakten sind für den Strafverteidiger häufig dröge, alles scheint sich zu wiederholen.

Ich habe eine Ermittlungsakte einer Staatsanwaltschaft auf dem Tisch, zahlreiche Bände und Sonderbände mit Telephonüberwachung und Observationen.

Irgendwas ist bei einer der Observationen schief gelaufen, der Beschuldigte hat sie bemerkt und sich dann entsprechend verhalten. Im Bericht der Kriminalpolizei liest sich das dann so:

Insbesondere vor dem Hintergrund der äußerst konspirativen und geradezu paranoiden Vorgehensweise des RUDI RATLOS die im Zuge der Observationsmaßnahme ersichtlich wurden ist zu erwarten, daß er seine bekannten Telephonanschlüsse wechselt um Überwachungsmaßnahmen zu erschweren.

Tja, meine Herren Ermittlungspersonen: Rudi Ratlos leidet doch nicht unter Verfolgungswahn. Er wird verfolgt!

Ich bin mir allerdings sicher, hätte er einem Psychater berichtet, was er gesehen hat, hätte dieser dieselbe Diagnose gestellt: F22.0

Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft

Der dritte Tätigkeitsbericht der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft ist veröffentlicht:

Tätigkeitsbericht

Taugt nichts, kostet aber sehr viel Geld, das Geld der Rechtsanwälte. 17,9 % der erledigten Verfahren wurden durch Schlichtungen und interne Einigungen beendet.

Und dieses Zitat der Schlichterin sagt alles:

Schlichtung ist nicht nur Verbraucherschutz. Die Rechtsanwälte haben Verantwortung im Rechtsstaat übernommen, indem sie selbst und auf eigene Kosten eine Schlichtungsstelle eingerichtet haben. Die Anwaltschaft beobachtet sich selbst, erkennt Schwachstellen und versucht gegenzusteuern.

Oder etwas detaillierter: Richterin EGMR Schlichterin der BRAK

Schlichtungen gehören seit Jahren zu den Aufgaben der regionalen Kammern, die ihren Aufgaben nachkommen.

Mit der Schlichtungsstelle wird einfach Geld verbrannt. Kein eigenes, sondern das der Rechtsanwälte. Pflichtmitglieder ihrer Kammern!

Unsitte: Zustellungen – sinnlose

Bild: Messerschmidt-The vexed manFrüher war alles besser! Die Kühe hatten noch größere Köpfe, waren nicht lila und die Handhabung der Zustellungen war anders (besser).

Früher war die automatische Datenverarbeitung bei den Gerichten und Rechtsanwälten noch nicht so verbreitet, und für eine Zustellung von Schriftstücken, also den Nachweis des Zugangs dieser Schriftstücke, war Arbeit zu leisten.

Es wurden Zustellungskarten verwandt, bei denen zwar einiges vorgedruckt war, aber es war ein gewisser Aufwand zu betreiben, um diese Karte auszufüllen. Der Anwalt, dem zugestellt wurde, mußte in die Lage versetzt werden, nur noch das Datum einzufügen, zu unterschreiben und die Karte (im wesentlichen auf Kosten des Absenders) zurückzusenden.

War die Karte nicht frankiert oder nicht ordnungsgemäß ausgefüllt, mußte der Anwalt an der Zustellung nicht mitwirken und dem Absender nur mitteilen, daß er an nicht ordnungsgemäßen Zustellungsversuchen nicht mitwirkt. Das hatte disziplinierende Wirkungen.

Heutzutage haben sich die Vorschriften und die Arbeitsweise der Gerichte und der Anwälte ein wenig geändert. Die „vorbereiteten“ Empfangsbekenntnisse werden quasi auf Knopfdruck erstellt und können „einfach“ auf das Fax gelegt und zurückgesandt werden.

Wir stellen seit Jahren eine stetige Zunahme der Übersendung von Schriftstücken per Empfangsbekenntnis fest. Diese Zustellungen sind aber für den Empfänger mit ziemlich viel Arbeitsaufwand verbunden, der regelmäßig nicht vom geringst entlohnten Mitarbeiter, sondern von der Bürovorsteherin erbracht wird.

Und das ist dann besonders ärgerlich, wenn es einer Zustellung nicht bedurfte, sondern der Kollege oder der Richter gedankenlos die Zustellung des Schriftstückes verfügte. Ärgerlich, weil die Unterzeichnung des Empfangsbekenntnis die Mitwirkung an der Erstellung einer amtlichen Urkunde ist, die z.B. für die Zwangsvollstreckung verwendet wird. Und die Prüfung des Empfangsbekenntnisse erfordert vielzählige Einzelschritte. Jede der Angaben muß geprüft werden.

  • Stimmen die Parteibezeichnungen und die Aktenzeichen?
  • Ist das zugestellte Schriftstück hinreichend und zutreffend bezeichnet?
    • Ist beispielsweise die als vollstreckbare Ausfertigung bezeichnete Urkunde tatsächlich eine Ausfertigung und mit richtiger Klausel versehen?
    • Ist die Urkunde vollständig, fehlen ggf. Seiten?
  • Stimmt die angegebene Faxnummer des Empfängers mit unseren Unterlagen überein oder versenden wir aus Versehen an die Bild-Zeitung? Nicht selten entspricht die für die Rücksendung des Faxes angegebene Rufnummer nicht der Absenderkennung des zuzustellenden Schriftsatzes.
  • Es gibt noch mehrere Prüfschritte, die wir hier aber nicht weiter ausführen wollen

Die Zustellung per Empfangsbekenntnis dient allein dazu, die Kosten des Absenders gering zu halten und einen schnellen Nachweis der Zustellung zu erhalten. Denn ansonsten muß die Zustellung per Gerichtsvollzieher oder Gerichtswachtmeister erfolgen.

Gegen das vereinfachende Verfahren ist nichts einzuwenden. Es setzt aber auch voraus, daß es einer Zustellung des Schriftsatzes bedarf. Die Masse der anwaltlichen Schriftsätze muß nicht zugestellt werden.

Also, liebe Richterinnen und Kolleginnen: Wir wirken gerne an Zustellungen gegen Empfangsbekenntnis mit und nutzen dieses Verfahren auch. Bevor Sie jedoch die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis verfügen, bedenken Sie bitte, ob prozessual tatsächlich die Zustellung erforderlich ist. Stöber beschreibt das im Zöller, 29. Aufl., § 165 RN 2 ZPO knackig:

Nur formlose Mitteilung erfolgt, wenn es auf die Information des Adressaten ankommt, ohne dass damit unmittelbare Rechte, Pflichten oder prozessuale Wirkungen für ihn begründet werden (vgl. … ).

Anlaß für diesen Beitrag ist mein Lieblingskollege Rudi Ratlos, der mir in einem PKH-Verfahren seinen Schriftsatz per Fax übersendet, nicht die Sollvorschrift des § 174 II S.2 ZPO beachtet, das mit übersandte Empfangsbekenntnis den Schriftsatz nicht mit dem Datum bezeichnet, das gerichtliche Aktenzeichen nicht aufführt und den Schriftsatz auch noch mit der Post übersendet, so daß er sich nun viermal in der Akte befindet. Er weiß aus seiner Ausbildung vor 20 Jahren noch, daß der Anwalt aus Kollegialität eine einfache Abschrift für den Mandanten des Kollegen beifügt.
Aaargh!

Ich habe ihn aufgefordert, mir die Zustellung zu bescheinigen, § 195 II S.3 ZPO. Sicherlich wird ihn die Aufforderung überfordern.