Akute Kammerinsuffizienz

Akute Kammerinsuffizienz oder 60 gegen Einen

Die Berliner Rechtsanwaltskammer hat 60 Rechtsanwälte bevollmächtigt, sie wegen einer Beitragsklage vor dem Anwaltsgerichtshof zu vertreten. So ist das halt wenn man eine der großen Law-Firms beauftragt, die in der Rechtsform der LLP organisiert und nach deutschem Recht nicht selbst prozeßführungsbefugt sind.

Der Vorstand der Berliner Kammer besteht aus 29 Rechtsanwälten und kann auf das Wissensreservoir zahlreicher wissenschaftlicher Mitarbeiter mit zwei Staatsexamina zurückgreifen.

Da klagt ein kleiner Berliner Anwalt gegen den Beitragsbescheid der Kammer und es erwidert nicht die Kammer, sondern sie beauftragt externe Anwälte. Die nehmen den Auftrag an und sind zum Zeitpunkt der Auftragsannahme bereits so überlastet, daß sie eine Fristverlängerung für den „Stellungnahmeschriftsatz“ von einem Monat beantragen.

Man sollte denken, es gehöre zum Tagesgeschäft der Kammer ihre Beiträge einzuziehen und die Höhe des Beitrages vor Gericht zu verteidigen.

Das wird wohl ein sehr spannendes Verfahren.

Reformationstag

Es ist ungewohnt für die Berliner, daß der 31. Oktober dieses Jahr ein Feiertag ist (Reformationstag).

Bei uns ging heute diese Abladung ein:

Zu dem Termin am 31.10.2017 brauchen Sie nicht zu erscheinen, weil der Termin aufgehoben wurde.

Um Verständnis für diese aus Gründen der Prozessleitung notwendig gewordene Maßnahme wird gebeten.

Es ist versehentlich übersehen worden, dass es sich um einen Feiertag handelt.

Ich wäre wahrscheinlich hingegangen …

Wenn einer eine Reise tut …

…sollte er (oder sie) – zumindest bei Flugreisen – die genaue Definition parat haben, was die EU-Handgepäckrichtlinie unter „Flüssigkeit/Cremes/Gels“ versteht – sonst kann er an den Sicherheitskontrollen seinem Eigentum Adieu sagen – wie es z. B. einem Reisenden erging, der sich seine eigene Bordverpflegung mitnehmen wollte (wir kennen ja alle die Sparmaßnahmen der Fluggesellschaften: entweder gibt es gar nichts zu essen oder Kleinigkeiten zu einem gehörigen Aufpreis) und zwar in Form von Büffelmozzarella, Nordseekrabbensalat und Flensburger Fördertopf (= Matjes mit Mayonnaise).

Diese Lebensmittel wurden ihm abgenommen; das passte ihm natürlich nicht und er klagte – leider ohne Erfolg.

Die Richter stellten fest, dass es sich bei der Marschverpflegung um Mischungen aus Feststoffen und Flüssigkeiten handelte und damit um sogenannte LAG (Liquids, Aerosols and Gels) i. S. des EU-Rechts (OVG Berlin-Brandenburg v. 28.3.2017 – OVG 6 B 70/15).

Kleines Bonmot am Rande: der Passagier hatte noch etwas Wurst und ein Stück Butter im Handgepäck, musste also nicht hungern – aha, Butter ist folglich kein LAG (?).

BRAK auf Abwegen

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) irrt

Der Kollege Feske weist in seinem Beitrag Berufsrecht für Anfänger daraufhin, daß die Bundesrechtsanwaltskammer in ihrem Newsletter zum beA falsche Rechtsauskünfte erteilt:

Änderungen in der Kanzleistruktur wie beispielsweise eine Auflösung sind (außer bei zugelassenen Rechtsanwaltsgesellschaften) grundsätzlich nicht meldepflichtig,

Liebe Kollegen, natürlich sind derartige Änderungen der zuständigen Rechtsanwaltskammer mitzuteilen, ein Blick ins Gesetz, § 24 Abs. 1 BORA,  hilft ungemein:

§ 24
Pflichten gegenüber der Rechtsanwaltskammer

(1) Der Rechtsanwalt hat dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer unaufgefordert und unverzüglich anzuzeigen:

1. die Änderung des Namens,
2. Begründung und Wechsel der Anschrift von Kanzlei, Zweigstelle und Wohnung,
3. die jeweiligen Telekommunikationsmittel der Kanzlei und Zweigstelle nebst Nummern,
4. die Eingehung oder Auflösung einer Sozietät, Partnerschaftsgesellschaft oder sonstigen Verbindung zur gemeinschaftlichen Berufsausübung,
5. die Eingehung und Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen mit Rechtsanwälten.

Einen solchen Fehler hätte ich in einem Newsletter der BRAK nicht erwartet.

Sachlichkeitsgebot für den Rechtsanwalt

Sachlichkeitsgebot mal so – mal so

Das Sachlichkeitsgebot ist der Aufhänger für unsere Anwaltsetiquette in loser Folge für junge Kollegen. Ab und zu auch einmal ein berufsrechtlicher Hinweis. Auf Widerspruch und Hinweise für weitere Beiträge freuen wir uns.

Mangelhafte Fähigkeiten vorzuwerfen geht zu weit

anstatt Boshaftigkeiten zu verbreiten und infame Unterstellungen wie die der Leichtfertigkeit des Umgangs mit der Wahrheit zu machen, sollte das juristische Handwerk zunächst einmal, soweit hierzu im Stande, benutzt werden
Quelle: AGH Saarbrücken v. 12.08.2002 – AGH 2/02

Nett, dachte ich, das geht durch. Winkeladvokat kann auch durchgehen.

Anders der Senat, der darin  eine Beleidigung sah, weil dem Adressaten grundsätzlich die Fähigkeit abgesprochen wird, „juristisches Handwerkszeug“ zu benutzen, d.h. seinen Beruf ordnungsgemäß auszuüben.

Mangelhafte Fähigkeiten vorzuwerfen geht nicht zu weit

Derselbe Anwaltsgerichtshof sah in der Bezeichnung eines Urteils als

so falsch, dass man sich wundert, dass ausgebildete Juristen an der Rechtsfindung beteiligt waren
Quelle: AGH Saarbrücken v. 28.01.2002 – AGH 7/01

keinen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot, § 43a Abs. 3 BRAO.

Bei allem Spaß an pointierter Auseinandersetzung: Man weiß nicht was dabei rauskommt.