Diesen Fragebogen will ich nur insoweit kommentieren, als ich den Sachverhalt erläutere. Den Rest denken Sie sich bitte selbst.
Dem Mandanten wird ein Verstoß gegen das Waffengesetz vorgeworfen. Wir beantragen die Akteneinsicht bei der für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit zuständigen Zentralen Bußgeldstelle im Land Brandenburg.
Die Reaktion der Behörde:
Die Ehefrau des Mandanten bekommt einen Fragebogen zugeschickt, in dem auch der Tatvorwurf gegen ihren Ehemann beschrieben ist:
Im Fragebogen wird sie ordentlich über ihre Rechte belehrt.
Es ist ein Blatt für die Beantwortung der Fragen vorgegeben:
Kommentar des Mandanten:
Wegen des Termindrucks \“innerhalb einer Woche\“ haben wir das ausgefüllte Formular gefaxt. Briefumschlag Poststempel 01.10.2019 und Faxprotokoll sind beigefügt. Meine Ehefrau möchte sich nicht zur Sache äußern.
https://www.drschmitz.de/wp-content/uploads/2019/04/Sachkunde.jpg11201680Andreas Jedehttps://www.drschmitz.de/wp-content/uploads/2008/08/logo_g.gifAndreas Jede2019-10-07 18:18:512019-10-07 18:18:51Fragebogen in Waffensachen
Das wäre mir doch fast durchgerutscht, ein erneutes
Gesetz zur „Modernisierung“ des Strafverfahrens.
Dankenswerterweise hat sich der Kollege Burhoff des Themas angenommen. Seine Kommentare sind vernichtend, beispielsweise:
Also: Rechteabbau für Beschuldigte, was sich m.E. schon bei der Namensgebung für das neue Gesetzesvorhaben angekündigt hat. Denn m.E. geht es immer, wenn das BMJV das Wort “Modernisierung” in Zusammenhang mit Strafverfahren in den Mund nimmt, um “Vereinfachung und Beschleunigung”. Und auf dem Altar der Beschleunigung werden dann Beschuldigtenrechte geopfert.
Das ist deswegen so beachtenswert, weil der Kollege ein Vorleben hat. Bevor er Rechtsanwalt wurde, war er Richter am OLG Hamm. Er kennt also auch die Perspektive eines Richters am Oberlandesgericht und u.a. deren Sicht auf die Strafverteidiger.
Der Kollege hat einige Änderungen kurz kommentiert. Lesenswert!
Mich hat die erneute Verlängerung der Unterbrechungsfristen des § 229 StPO besonders erbost. Keine wirkliche Dokumentation der Hauptverhandlung und dann Unterbrechungen bis zu zwei Monaten. Ob es wohl wirklich Richter gibt, die sich nach dieser Zeit noch an die durchgeführten Hauptverhandlungstage erinnern können? Modernisierung des Strafverfahrens?
Es wird künftig noch mehr am Verhandlungsgeschick der Strafverteidiger unserer Kanzlei liegen, daß sich die Richter an unsere Verhandlung erinnern können.
Wir hatten bisher kaum Veranlassung, Befangenheitsanträge zu stellen. Allein die Wortwahl
Die Möglichkeiten, Hauptverhandlungen durch – statistisch gesehen – in aller Regel unbegründete Befangenheitsanträge zu obstruieren, sollen verringert werden.
aus dem Eckpunktepapier läßt mich in Schnappatmung verfallen. So geht man mit Organen der Rechtspflege um?
„OBSTRUIEREN“?
Das heißt erschweren, hemmen, verhindern. Das ist der Ausgangspunkt des Ministeriums.
Können Sie sich vorstellen Nebenkläger zu sein und vor einem Richter zu sitzen, der sich vom Angeklagten ein Autogramm geben ließ? Sie meinen dieser Richter ist befangen? Sie meinen, der Rechtsanwalt, der einen Befangenheitsantrag einreicht, obstruiert die Hauptverhandlung? Wenn ja, ist Ihr Rechtsverständnis nicht das unsrige.
Als letztes Beispiel die Vereinfachung des Beweisantragsrechts.
Vereinfachung? Wie erreicht der Gesetzgeber das? Der Verteidiger muß nicht mehr komplizierte Regelungen für die Beweisanträge einhalten, die das Gesetz und die Rechtsprechung entwickelt haben? Klasse! Endlich eine Modernisierung des Strafverfahrens! Schauen wir uns das Eckpunktepapier diesbezüglich an:
4. Vereinfachung des Beweisantragsrechts
Um missbräuchlich gestellte Beweisanträge leichter ablehnen zu können, sollen die Voraussetzungen für die Annahme der Verschleppungsabsicht abgesenkt werden.
Sie können noch ruhig schlafen? Recht haben Sie! Es trifft nur die Schuldigen. Die, die vom Gericht verurteilt wurden. Die am Stammtisch trifft es bekanntlich zuletzt.
https://www.drschmitz.de/wp-content/uploads/2019/05/one_of_five2_k.jpg11201680Andreas Jedehttps://www.drschmitz.de/wp-content/uploads/2008/08/logo_g.gifAndreas Jede2019-10-07 14:59:542019-10-07 14:59:54Und es geht weiter bergab
Zweckentfremdung nach dem Zweckentfremdungsverbot-Gesetz – ZwVbG wird vom Bezirksamt Mitte in einer Art und Weise definiert, die mich schaudern läßt.
Die Mandantin hat im Grunewald eine Wohnung, die Hauptwohnung.
Sie hat eine Nebenwohnung in Mitte. Sie arbeitet im Bezirk Mitte und manches mal hat sie schlicht keine Lust nach Grunewald zu fahren und bleibt in ihrer Wohnung in Mitte.
Völlig unproblematisch, denken Sie? Dann befinden Sie sich bei uns in bester Gesellschaft, auch wir dachten so. Bis wir diese Zeilen aus berufener Feder lasen:
Mit dem Schreiben vom 31.07.2019 teilten Sie mit, dass Sie in Berlin zwei Wohnungen bewohnen. Ein Berliner Wohnsitz schließt jedoch aus, eine weitere Wohnung in Berlin zu privaten Wohnzwecken zu nutzen. Denn von einem Wohnsitz kann nicht gesprochen werden, wenn noch ein weiterer Wohnsitz besteht. Gewohnt wird ausschließlich am selben Ort.
Daher handelt es sich um eine Zweckentfremdung von Wohnraum. Aus diesem Grund müssten Sie eine der beiden Wohnungen für den Wohnungsmarkt zur Verfügung stellen.
Da steht mir doch der Schaum vor dem Mund. Nach Ansicht des Bezirksamtes Mitte ist es nicht erlaubt, in Berlin zwei Wohnungen zu bewohnen, eine ist dem Wohnungsmarkt zur Verfügung zu stellen.
(1) Eine Zweckentfremdung im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn Wohnraum zu anderen als Wohnzwecken genutzt wird, insbesondere …
Was für eine grandiose Gesetzesauslegung! Die Nutzung einer zweiten Wohnung zu Wohnzwecken ist eine Zweckentfremdung. Kann es vielleicht sein, daß da jemand überfordert ist oder einfach nur seine gesellschaftspolitischen Phantasien ausleben will?
Wohnraum wird nicht zweckentfremdet, wenn er nur von Zeit zu Zeit bzw. als zusätzliche Wohnung zu Wohnzwecken bewohnt wird, schreibt das VG Berlin in seiner Entscheidung vom 17.10.2018 – 6 K 666.17 – (RN 19) und verweist auf BVerfG v. 04.02.1975 – 2 BvL 5/74 – und auf die eigene Entscheidung v. 15.11.2017 – 6 K 1569.16 – RN 29 m.w.N.
Das BverfG führte seinerzeit aus:
Ferner kommt nur Wohnraum in Betracht, den der Verfügungsberechtigte nicht selbst nutzt oder zu nutzen beabsichtigt, und sei es nur von Zeit zu Zeit (aktueller und potentieller Eigenbedarf); denn Art. 6 MRVerbG führt keine Wohnraumbewirtschaftung im herkömmlichen Sinne ein, sondern beläßt dem Verfügungsberechtigten das Recht, nach eigenem Ermessen zu bestimmen, wieviel Wohnraum er zur Deckung seines Eigenbedarfs in Anspruch nehmen will, weil hierbei die Zweckbestimmung als Wohnraum nicht aufgehoben wird.
(BVerfG, Beschluss vom 04. Februar 1975 – 2 BvL 5/74 –, BVerfGE 38, 348-372, Rn. 54)
Wenn Sie auch ein Problem mit der Zweckentfremdung haben, wenden Sie sich vertrauensvoll an Rechtsanwältin Sabine Jede
https://www.drschmitz.de/wp-content/uploads/2017/05/Bears.jpg11201680Andreas Jedehttps://www.drschmitz.de/wp-content/uploads/2008/08/logo_g.gifAndreas Jede2019-09-18 16:22:232023-10-13 15:17:14Zweckentfremdung Berlin
Der BGH hat Anwälten wieder erklärt, was sie zu tun haben. BGH v. 20.08.2019 – VIII ZB 19/18
Aus dem Beschluß:
Ihr Wiedereinsetzungsbegehren hat die Klägerin danach – unter Vorlage von Sendeprotokollen für einen Zeitraum von 15.43 Uhr bis zuletzt 19.01 Uhr – im Wesentlichen damit begründet, dass das Gericht am Tag des Fristablaufs – 21. November 2017 – in der Zeit von 15.43 Uhr bis ca. 20.00 Uhr per Telefax nicht erreichbar gewesen sei. Auch eine telefonische Kontaktaufnahme ab etwa 17.00 Uhr sei nicht möglich gewesen. Auf den Hinweis des Vorsitzenden der Berufungskammer, wonach Bedenken gegen die Gewährung einer Wiedereinsetzung bestünden, da die Übermittlungsversuche bereits gegen 20.00 Uhr und damit vorzeitig abgebrochen worden seien, erwiderte die Klägerin, es habe offensichtlich ein technischer Defekt des Empfangsgeräts vorgelegen. Sie habe insgesamt mehr als 54 Übermittlungsversuche unternommen; weitere Versuche bis 23.59 Uhr könnten von ihr nicht verlangt werden.
Mehr als 54 Versuche sind nicht ausreichend, urteilte das LG Paderborn und der BGH bestätigte das.
Der Anwalt hat es bis 23:59 Uhr weiter zu versuchen:
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerdebegründung durfte der Klägervertreter von weiteren Übermittlungsversuchen nach 20.00 Uhr nicht deshalb absehen, da er zuvor mehrfach versucht hatte, den Schriftsatz per Telefax zu übersenden, dies jedoch stets an der Belegung des Empfangsgeräts scheiterte. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, muss eine Partei hiermit und auch mit einer länger andauernden, durchgehenden Belegung des Faxgerätes des Gerichts – vorliegend am Nachmittag des 21. November 2017 über eine Dauer von zweieinhalb Stunden infolge des Empfangs eines umfangreichen Schriftsatzes – rechnen und deshalb weitere Übermittlungsversuche – auch nach 20.00 Uhr – unternehmen.
Kein Kommentar!
https://www.drschmitz.de/wp-content/uploads/2019/09/Warten.jpg11201680Andreas Jedehttps://www.drschmitz.de/wp-content/uploads/2008/08/logo_g.gifAndreas Jede2019-09-11 12:31:232019-09-11 12:31:23Von einem anderen Stern
Die Vorschrift zur Vertreterbestellung in der Bundesrechtsanwaltsordnung (§ 53 BRAO) fristet ein Schattendasein. Oder wußten Sie, daß Sie den von Ihnen bestellten Vertreter der Rechtsanwaltskammer mitzuteilen haben?
(1) Der Rechtsanwalt muß für seine Vertretung sorgen,
1.
wenn er länger als eine Woche daran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben;
2.
wenn er sich länger als eine Woche von seiner Kanzlei entfernen will.
(2) Der Rechtsanwalt kann den Vertreter selbst bestellen, wenn die Vertretung von einem derselben Rechtsanwaltskammer angehörenden Rechtsanwalt übernommen wird. Ein Vertreter kann auch von Vornherein für alle Verhinderungsfälle, die während eines Kalenderjahres eintreten können, bestellt werden. In anderen Fällen kann ein Vertreter nur auf Antrag des Rechtsanwalts von der Rechtsanwaltskammer bestellt werden.
Das ist harter Tobak. Die Frist ist bei einer Grippe leicht überschritten und nicht nur der Jahresurlaub ist zu berücksichtigen. Unter Nr. 2. fällt auch die berufliche Abwesenheit. Abgestellt wird lediglich auf die Abwesenheit von der Kanzlei.
Einzelanwälte kann diese Vorschrift vor Probleme stellen, in funktionierenden Berufsausübungsgemeinschaften wird die Bestellung wohl keine Probleme aufwerfen. Da wird die Arbeit ziemlich automatisch übernommen.
Das reicht jedoch nicht, der bestellte Vertreter ist der zuständigen Rechtsanwaltskammer anzuzeigen.
(6) Der Rechtsanwalt hat die Bestellung des Vertreters in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 und 2 der Rechtsanwaltskammer anzuzeigen.
Diese Vorschrift führt zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand.
Pflichtmeldung an die Kammer
Die Bestellung eines Vertreters und die Anzeige bei der Kammer sind Berufspflichten und Verstöße dagegen können berufsrechtlich geahndet werden. Im Zweifel sollten Sie es unterlassen, der Kammer Urlaubsgrüße aus der Karibik zu schicken – falls Sie die Vertreterbestellung versehentlich unterlassen haben! Auch ansonsten kann es sinnvoll sein, uns vor einer Mitteilung an die Kammer einzuschalten, wir sind nicht nur auf das Waffenrecht spezialisiert, auch das Berufsrecht der freien Berufe gehört zu unseren Kernkompetenzen.
Jetzt galoppiert die Verwaltung
Durch das besondere Anwaltspostfach (beA) ist die Sache jetzt von besonderer Bedeutung.
Unten haben wird das Bild wiedergeben, daß für Rechtsanwalt Andreas Jede während seiner Urlaubsabwesenheit im Amtlichen Verzeichnis angezeigt wird. Achten Sie auf die eingeblendeten Registerkarten (Bild anklicken). Eine davon bezieht sich auf die Vertretung durch Rechtsanwalt Nikolas Krähn, der sich freundlicherweise zur Vertretung bereit erklärt hatte.
Die örtliche Rechtsanwaltskammer teilt dem Verzeichnisdienst der Bundesrechtsanwaltskammer die Vertreterbestellung mit. Vertreter und Vertretener werden per eMail informiert, in unserem Fall:
Der beA-Benutzer Krähn, Nikolas (14193 Berlin) wurde dem Postfach Jede, Andreas (14193 Berlin) als VERTRETER zugeordnet.
Diese Zuordnung wurde von Rechtsanwaltskammer Berlin vorgenommen.
Na ja, an der Sprache arbeiten sie vielleicht noch.
Das Gesetz, genauer § 31a Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 BRAO, verlangt, daß Vertretern der Zugang zu ermöglichen ist. Einzelheiten finden sich in § 2 – Rechtsanwaltsverzeichnis- und -postfachverordnung (RAVPV) und § 25 RAVPV.
Das Verfahren ist verwirrend geregelt, § 25 Abs. 3 S. 1 u 2 RAVPV:
Wird ein Vertreter oder Abwickler bestellt oder ein Zustellungsbevollmächtigter benannt, so räumt die Bundesrechtsanwaltskammer diesem für die Dauer seiner Bestellung einen auf die Übersicht der eingegangenen Nachrichten beschränkten Zugang zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach der Person ein, für die er bestellt oder benannt wurde. 2Dabei müssen für den Vertreter, Abwickler oder Zustellungsbevollmächtigten der Absender und der Eingangszeitpunkt der Nachricht einsehbar sein; der Betreff, der Text und die Anhänge der Nachricht dürfen nicht einsehbar sein.
Anwälte machen keinen Urlaub
Wir haben bei der RAK Berlin angefragt, wie viele Rechtsanwälte in 2018 ihre Vertreterbestellung angezeigt haben.
14.441 Mitglieder durfte die Kammer der BRAK zum 01.01.2019 anzeigen.
Einige machen einen langen Urlaub, andere lieber öfter einen kurzen Urlaub. Man sollte doch denken, daß jedes Mitglied – und sei es krankheitsbedingt – einmal im Jahr einen Vertreter bestellen und der Kammer anzeigen muß?
Geschätzte 10 Minuten pro Meldung bedeuten dann einen Aufwand von ca. 2.400 Stunden im Jahr allein für die Bearbeitung der Anzeigen. Das sind locker zwei Mitarbeiter, die von den üppigen Kammerbeiträgen bezahlt werden müssen.
Andererseits, vielleicht geht es der Berliner Anwaltschaft so schlecht, daß sie sich keinen Urlaub leisten kann? Oder ist die Arbeit so erquicklich, daß es schlicht keines Urlaubs bedarf?
Die Kammer hat uns daraufhin mitgeteilt, daß mangels Erhebung keine Auskunft gegeben werden kann. Die Anzeigen würden statistisch nicht erfasst werden.
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