Der Widerrufsjoker wird vom EuGH erneut ins Spiel gebracht

Widerrufsjoker

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Worum geht’s?

Widerrufsjoker?

Die neueste Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes stellt klar, daß die gesetzliche 14-tägige Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt, wenn der Unternehmer seinen Vertragspartner nicht detailliert in der Vertragsurkunde, sondern in einer sogenannten „Kaskadenverweisung“ belehrt.

Die Belehrung muss insbesondere alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB direkt enthalten, also Angaben zur Art des Darlehens, zum Nettodarlehensbetrag und zur Vertragslaufzeit. Die reine Verweisung auf die entsprechenden weiteren Vorschriften des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch ist nicht transparent genug und reicht daher nicht aus.

Da die Widerrufsfrist nicht begonnen hat, sind derartige Verträge auch noch nach vielen Jahren kündbar – beispielsweise, um günstigere Zinsen zu erhalten. Der Verbraucher hat damit einen Widerrufsjoker in der Hand.

Das gilt nicht nur für Immobilien-Kredite, sondern für aller Verbraucherkredite. Geld zurück mit dem Widerruf von Autokrediten.

So fing es an – LG Saarbrücken

Das Landgericht Saarbrücken, EuGH-Vorlage vom 17. Januar 2019 – 1 O 164/18 –, hatte dem EuGH ein Vorabentscheidungsersuchen zur Auslegung der Verbraucherkreditvertragsrichtlinie, insbesondere zu den  Anforderungen an die Klarheit und Prägnanz einer Widerrufsinformation über die Voraussetzungen für den Beginn der Widerrufsfrist vorgelegt.

Im Kern lautete die beanstandete Klausel wie folgt, die so in unzähligen Verträgen enthalten ist:

Widerrufsrecht

Der Darlehnsnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angaben von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehnsnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angaben zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat. […]

Das Landgericht Saarbrücken ist der Ansicht, daß diese Klausel nicht klar und prägnant im Sinne der Richtlinie ist. Stattdessen müsse der Verbraucher zahlreiche Gesetzesvorschriften in verschiedenen Gesetzeswerken lesen, um Klarheit darüber erhalten, welche Pflichtangaben erteilt sein müssen, damit die Widerrufsfrist bei seinem Darlehensvertrag anläuft.

Zuvor und danach: anderer Ansicht der BGH

Das Landgericht Saarbrücken hatte sich mit seiner Vorlageentscheidung ziemlich weit aus dem Fenster gehängt.

Der für diese Fragen zuständige XI. Senat des BGH – Urteil vom 22.11. 2016 – XI ZR 434/15 – hatte sich nämlich bereits eindeutig positioniert und die Klausel, insbesondere gerade auch die Verweisung auf § 492 Abs. 2 BGB a. F., als klar und verständlich bezeichnet.

Kaum war das Vorabentscheidungsersuchen des LG Saarbrücken veröffentlicht, schoss der BGH aus allen Rohren:

Soweit das Landgericht Saarbrücken (Beschluss vom 17. Januar 2019 – 1 O 164/18, juris) die Verknüpfung der Information über die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist mit dem Verweis auf eine gesetzliche Vorschrift für unklar hält, hätte der Senat aus mehreren Gründen weder Anlass, dem Gerichtshof der Europäischen Union ein Vorabentscheidungsersuchen zur Auslegung der Richtlinie 2008/48/EG zu unterbreiten, noch von der gefestigten Rechtsprechung abzugehen. BGH, 19.03.2019 – XI ZR 44/18

Schöner kann ein Jurist nicht schreiben, daß eine andere Ansicht abwegig sei:

Der Senat hat mehrfach – auch unter Berücksichtigung der Argumentation des Landgerichts Saarbrücken in seinen Beschlüssen vom 17. Januar 2019 (WM 2019, 1444 ff.) und vom 27. Februar 2019 (1 O 176/18, juris) – dazu Stellung genommen, dass und warum eine wie von der Beklagten zu den Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist gestaltete Widerrufsinformation klar und verständlich ist und dass und warum es eines Vorgehens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht bedarf (;). BGH, 04.02.2020 – XI ZR 175/19

Die Informationen seien klar und verständlich. Sie können ja mal versuchen, das nachzuvollziehen.

EuGH gibt Widerrufsjoker

Tja, der EuGH sieht das definitiv anders und bestätigte die Ansicht des LG Saarbrücken. Ober sticht Unter.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes – EuGH (6. Kammer) in der Sache JC ./. Kreissparkasse Saarlouis vom 26.03.2020 C‑66/19 ist mittlerweile veröffentlicht. Der Tenor der Entscheidung ist eindeutig:

1.      Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates ist dahin auszulegen, dass zu den Informationen, die nach dieser Bestimmung in einem Kreditvertrag in klarer, prägnanter Form anzugeben sind, die in Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Richtlinie vorgesehenen Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist gehören.

2.      Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 ist dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der in Art. 10 dieser Richtlinie genannten Angaben auf eine nationale Vorschrift verweist, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats verweist.

Klartext: Im Kreditvertrag muß angegeben werden wie sich die Widerrufsfrist berechnet. Der Kaskadenverweis ist unzulässig. Damit ist der Widerrufsjoker wieder im Spiel. Die gesamte sehr gut lesbare Entscheidung des EuGH lesen Sie hier: C‑66/19

Welche Verträge sind betroffen?

Das Widerrufsrecht für sog. Altverträge (01.11.2002 – 10.06.2010) ist gem. Art. 229 § 38 III EGBGB zum 21. Juni 2016 endgültig erloschen. Diese Verträge können nicht mehr widerrufen werden.

Für danach abgeschlossene Verträge gilt Folgendes:

Es muß zwischen Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen und Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen unterschieden werden. Am 21.03.2016 ist § 356b Abs. 2 Satz 4 BGB in Kraft getreten, der für die Immobilienkredite das Erlöschen des Widerrufsrechtes bestimmt. Die Abschaffung des sog. Widerrufsjokers gilt jedoch nur für Immobiliardarlehensverträge.

Danach kann der Widerrufsjoker für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge gezogen werden, die zwischen dem 11.06.2010 und dem 20.03.2016 geschlossen wurden. Die Einzelheiten wird Ihnen Ihr Rechtsanwalt erläutern.

Wie wirkt sich der Widerrufsjoker aus?

Der XI. Senat des BGH hat mit Urteil vom 22.09.2015 – XI ZR 116/15 die wesentlichen Vorgaben für die Rückabwicklung dargestellt.

Der Darlehensnehmer muß der Bank die gesamte Darlehensvaluta ohne Rücksicht auf eine teilweise Tilgung zurückgewähren. Außerdem schuldet er einen sog. Wertersatz, wahlweise in Höhe des vertraglichen oder marktüblichen Zinssatzes.

Auf der anderen Seite muss die Bank dem Kunden die erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen herausgeben. Zuzüglich zu den zurückzuzahlenden monatlichen Raten muss das Kreditinstitut dem Verbraucher eine vermutete Nutzungsentschädigung in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zahlen. Die Differenz kann sehr erheblich sein. Nicht zu vergessen die Vorfälligkeitsentschädigung, die entfällt. Im Detail wird das Ganze ziemlich kompliziert.

Sprechen Sie uns darauf an, wir sehen uns Ihren Darlehensvertrag genau an und beraten Sie ausführlich. Nehmen Sie mit uns Kontakt auf! Ihr Anwalt für den Widerruf des Verbraucherdarlehensvertrages wird Sie über die Einzelheiten informieren.

Den Knall nicht gehört

Das passiert selten: Ich bin sprachlos über die Antwort auf meinen Antrag auf Akteneinsicht.

Richter am AG Tiergarten widersetzt sich Corona-Regeln

Es ist das ständige Geschäft. Verteidiger benötigen die Akteneinsicht in die Ermittlungsakte und die Gerichte gewähren die Akteneinsicht. Es gibt in Berlin Richter, die lassen die Akten nicht an Berliner Verteidiger versenden. Das kennen und mißbilligen wir seit Jahren.

Corona verändert die Verfahrensweise bei den Geschäftsstellen. Mittlerweile versenden die Geschäftsstellen die Akten und verzichten ausdrücklich auf die Versandpauschale. Man will die sozialen Kontakte nach Möglichkeit vermeiden.

Nicht so ein Richter am Amtsgericht Tiergarten. Er wünscht weiterhin die persönliche Abholung der Akte und hat keine Bedenken, daß ein Kollege sodann die Akten an Gerichtsstelle zurückgibt. So das Schreiben vom Dienstag, 16.03.2020:

Abholung der Akten auf der Geschäftsstelle in Corona-Zeiten

Jeder denkende Mensch bemüht sich im Moment darum, die sozialen Kontakte zu minimieren.

Akteneinsicht während der Pandemie

Dieser Richter versendet – aus organisatorischen Gründen (was für eine nichtssagende Begründung) – keine Akten innerhalb Berlins. Er verlangt mithin, daß die Einlaßkontrolle des Gerichtes passiert wird, die Geschäftsstelle für die Abholung und Rückgabe der Akte jeweils aufgesucht wird. Keine Bedenken hat er.

Er setzt nicht nur die Mitarbeiter des Gerichtes – natürlich kann die Akte nicht bei ihm persönlich abgeholt werden – dem Infektionsrisiko aus.

Das ist die Kehrseite der richterlichen Unabhängigkeit. Wir werden herausfinden, ob es nicht doch der Dienstaufsicht unterliegt.

Wir setzen auf soziale Distanzierung und halten den Kontakt per elektronischen Medien zu allen Beteiligten.

Wir sind auf allen Kanälen für Sie da. Nehmen Sie mit uns Kontakt auf!

Bild einer Eule

Novelle BJagdG

Bundesregierung beabsichtigt Novelle BJagdG noch für 2020

In der Antwort der Bundesregierung (BtDrS 19/17595) auf eine parlamentarische Anfrage teilt sie mit:

Die Bundesregierung beabsichtigt im ersten Halbjahr 2020 einen Entwurf zur Änderung des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) vorzulegen.

Derzeit befindet sich ein Entwurf zur Änderung des BJagdG in der Ressortabstimmung. Das Ergebnis der Ressortabstimmung bleibt abzuwarten

Da sind wir aber neugierig auf den Entwurf. Ob wohl auch Änderungen an § 15 BJagdG geplant sind? Soll wieder ein Gleichklang mit dem WaffG hergestellt werden (vgl. Waffenrechtsexperte)?

Wir kennen den Referentenentwurf noch nicht.

Die Verbände-Anhörung ist noch nicht erfolgt.

 

 

Corona-Virus und modernes Büro

Corona und modernes Büro

Corona-Virus bedroht auch die Anwaltschaft

oder

Arbeiten in den Zeiten der Corona-Viren

Spätestens jetzt müßte jedem Rechtsanwalt klar sein, daß er sich mit der digitalen Welt, insbesondere dem papierlosen Büro, auseinandersetzen muß.

Zurecht werden viele Mandanten in den nächsten Wochen den persönlichen Kontakt meiden und eine elektronischen Kommunikation wünschen, um das Risiko der Corona-Ansteckung zu verringern.

Seit Jahren forcieren wir das papierlose Büro und pflegen mit unseren Mandanten den elektronischen Kontakt.

Online-Akte

Schon vor einiger Zeit haben wir die Online-Akte eingeführt. Unsere Auftraggeber erhalten Zugang zu einem sicheren Server, auf dem alle wichtigen Dokumente der Akte Tag und Nacht für sie zur Verfügung stehen. Selbstverständlich werden sie zeitnah über den Eingang neuer Schriftstücke per eMail informiert, so daß sie die wichtigen Dokumente zu einem ihnen passenden Zeitpunkt lesen können.

Die Online-Akte bietet unseren Auftraggebern auch weitere Möglichkeiten der Mitarbeit an ihrer Akte. Sie können selbst Dokumente hochladen oder beispielsweise ein Forderungskonto des Schuldners überprüfen und sich einen Überblick über den Fortgang der Angelegenheit verschaffen.

Daneben stehen selbstverständlich die weiteren elektronischen Kontaktmöglichkeiten wie Telephon, Telefax und eMail zur Verfügung.

So gewährleisten wir die optimale Zusammenarbeit mit unseren Mandanten auch in den Zeiten, in denen der persönliche Kontakt gemieden werden sollte.

Besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA)

Auch zu den Gerichten und Behörden stehen über das beA weitreichende sichere Kontaktmöglichkeiten zur Verfügung. Mit diesem Instrument verschlüsseln und übertragen wir auch umfangreiche Schriftstücke mit zahlreichen Anlagen. Wir sehen sofort den Zugang auf dem Server der Gerichte.

Nehmen Sie mit uns elektronisch Kontakt auf und besprechen die Einzelheiten.

 

48 Stunden – Der ganz normale Wahnsinn

  • Verkehrsunfall am 02.10.2019
  • Abgabe an die Staatsanwaltschaft am 23.10.2019
  • Verfügung des Amtsanwaltes in der Verkehrssache mit geringfügigem Personenschaden, die Sache an die Bußgeldstelle abzugeben, am 25.11.2019
  • Verfügung wird am 26.11.2019 ausgeführt.
  • Akte geht bei der Bußgeldstelle am 02.12.2019 ein.
  • Die Bußgeldstelle verschickt die Akte an den Verteidiger am 09.12.2019
  • Der Verteidiger schickt die Akte mit Schreiben vom 11.12.2019 zurück, sie geht am 20.12.2019 bei der Bußgeldstelle ein.
  • Die Bußgeldstelle verschickt die Akte an die Rechtsanwälte der Geschädigten am 08.01.2020, Eingang am Freitag, den 11.01.2020, mit folgender Bestimmung:

Aufforderung binnen 48 Stunden die Akte zurückzusenden

Freitag, 13:39 ist die Akte bei uns eingetroffen. Die Frist läuft demgemäß am Sonntag, 13:38 Uhr ab. Nur 48 Stunden halt.

Was soll binnen der Zeit passieren? Rückgabe ist gefordert. Per Einschreiben. Gemeint ist wohl binnen 48 Stunden abzuschicken.

Lieber Sachbearbeiter! Ich kann Ihre Forderung nicht so richtig ernst nehmen. Ein Fristablauf droht nicht.

Ich habe am Freitagnachmittag die Akte durchgesehen und die Entscheidung getroffen, welche Aktenteile kopiert werden sollen. Am Montag oder Dienstag wird die Verfügung ausgeführt und die Akte zur Post gebracht werden.

Was machen Sie eigentlich wenn die Sache wirklich eilig ist? Ich hoffe, anrufen.

Wir sind solche unsinnigen Anschreiben gewohnt. Auch 3 x 24 Stunden kennen wir. Aber 48 Stunden war mir wirklich neu.

Wir übernehmen regelmäßig für unsere Mandanten die Abwicklung von Verkehrsunfällen. Solche Aufforderungen sind wie das Salz in der Suppe :-)