[poll id=“2″]
Jahrelang hat sich keiner für den Schandkittel interessiert und nun auf einmal schaffte es das Thema in die Gazetten und Blogs.
Wir berichteten über die erstaulichen Ansichten des Berliner Staatssekretärs Hasso Lieber: Die totale Freiheit nach 283 Jahren, der bekannte Strafverteidiger und Presserechtler Johannes Eisenberg ließ die Hüllen fallen und Carsten Hoenig und andere jubelten schon.
Eisenbergs Sozius Dr. Stefan König kommentierte dann auch ganzseitig im Anwaltsblatt 10/2009 (2009, 687)
Wenn die Hüllen fallen, verlieren Anwälte nichts
Wirklich nichts? So gar nichts?
Darf ich altmodisch an Calamandrei erinnern:
… Ich liebe die Robe, nicht wegen des Goldkrams, der sie schmückt, noch wegen der weiten Ärmel, die den Gesten ein feierliches Ansehen geben, sondern wegen ihrer stilisierten Gleichförmigkeit, welche sinnbildlich alles persönliche Unmaß korrigiert und die individuellen Unterschiede von Mensch zu Mensch unter der dunklen Uniform der Funktion verdeckt. Die für alle gleiche Robe macht aus dem, der sie zur Verteidigung des Rechts trägt, – einen Rechtsanwalt -sowie der, welcher auf der Gerichtsbank sitzt,- ein Richter – ist, ohne Namen und Titel.Auch die Perücke der englischen Anwälte, die als ein lächerlicher Anachronismus erscheinen mag, hat das nämliche Ziel: das Amt über den Menschen zu erheben und den Berufsausübenden, welcher kahlköpfig oder grauhaarig sein mag, unter dem Beruf zu verbergen, der stets das gleiche Alter und die gleiche Würde hat. …
Der entscheidende Satz des geltenden Rechts, § 20 BORA lautet:
Der Rechtsanwalt trägt vor Gericht als Berufstracht die Robe, soweit das üblich ist.
und nun schließt man messerscharf aus der Aufhebung einer gerichtsverfassungsrechtlichen Norm, die neben berufsrechtlichen Normen unabhängig Bestand haben kann, daß üblich nicht üblich sein muß.
Zwang und Übung, das verträgt sich nicht: Robenpflicht ist überflüssig.
wird im Kommentar groß hervorgehoben. Übung ist Übung nur, wenn zwanglose Übung?
Nachdem die „totale Freiheit“ ausgebrochen ist, muß sich eine „Übung“ erst herausbilden.
Wow! Übung ist also nicht empirisch ermittelbar, sondern hat normative Merkmale?
Lang, lang ist es her, da habe ich bei Larenz, Methodenlehre, 343ff, gelesen:
Da der Wortsinn die möglichen Auslegungen einer Bestimmung begrenzt, empfiehlt es sich, bei ihm zu beginnen; dadurch wird man alsbald zu dem Bedeutungszusammenhang geführt, in dem diese Bestimmung zu anderen steht.
und es für einen Kalauer gehalten (ich halte es immer noch so). Sicherheitshalber habe ich nochmal im Grimm nachgeguckt: ÜBLICH adj.
Es bleibt dabei: üblich beschreibt Tatsachen. Diese Üblichkeit mag viele Ursachen haben, bewußte und unbekannte. Verhaltensweisen können sich ändern und die Feststellung, ob etwas üblich ist beeinflussen. Auch unter der Geltung der aufgehobenen Allgemeinverfügungen haben sich die Gewohnheiten verändert, beispielsweise ist es nicht üblich, vor den Berliner Arbeitsgerichten in Robe zu verhandeln.
Andererseits hat sich auch dort, wo es keine gerichtsverfassungsrechtliche Verpflichtung zum Tragen der Robe gab – vor den öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten – der Brauch, die Üblichkeit, entwickelt, in Robe zu verhandeln.