Versäumnisurteil
Anwaltsetiquette in loser Folge für junge Kollegen. Ab und zu auch einmal ein berufsrechtlicher Hinweis. Auf Widerspruch und Hinweise für weitere Beiträge freuen wir uns.
Es sind doch immer dieselben: Mein „alter Freund“ Willi d.A. meldet sich auf die Klage für den Beklagten und bestreitet wenig substantiiert unseren Sachvortrag. Das Gericht lädt zum Termin an die Rechtsanwendungstheke und nach der obligatorischen Viertelstunde wird klar, daß er sich nicht nur wieder verspätet, sondern wahrscheinlich gar nicht kommt, Willi d.A.
§ 13 der Berufsordnung für Rechtsanwälte bestimmt:
Der Rechtsanwalt darf bei anwaltlicher Vertretung der Gegenseite ein Versäumnisurteil nur erwirken, wenn er dies zuvor dem Gegenanwalt angekündigt hat; wenn es die Interessen des Mandanten erfordern, darf er den Antrag ohne Ankündigung stellen.
Kurz vor Weihnachten 1999 erklärte das Bundesverfassungsgericht (1 BvR 1327/98) die Bestimmung für unwirksam. Im Interesse des Mandanten habe ich die Vorschrift schon immer so verstanden, daß ich den Antrag ankündige und dem gegnerischen Kollegen damit die Gelegenheit gebe das Versäumnisurteil zu verhindern. Natürlich kommt im Interesse des Mandanten eine Vertagung oder das Ruhen des Verfahrens regelmäßig nicht in Frage. Es bleibt eine sinnvolle gute Sitte, sich entsprechend zu verhalten.
Genauso, wie es eigentlich selbstverständlich sein sollte, daß Willi d.A. das Gericht und den Kollegen rechtzeitig vor dem Termin (zumindest am Tag davor) darüber unterrichtet, daß er nicht beabsichtigt, den Termin wahrzunehmen. Ich hätte einen Kollegen bitten können, für uns den Antrag auf Erlaß des Versäumnisurteils zu stellen und mir den Weg und die Zeit erspart. Aber auch bei Willi d.A. verfahren viele Kollegen und ich wie folgt:
- Vor der Tür warten und knurren, selbstverständlich ist der Kollege auch nie im Anwaltszimmer, so daß es sich nicht empfiehlt, dort auf ihn zu warten.
- In der Kanzlei des Kollegen anrufen und fragen, ob der Kollege kommt.
- Anbieten, die Kanzlei soll im Anwaltszimmer einen Kollegen beauftragen, ansonsten nehme ich das Versäumnisurteil.
- In Gerichten ohne Anwaltszimmer biete ich an, einen Kollegen zu vermitteln, der mit mir auf einen der nächsten Termine wartet.