Für 7 Tage

Der Fahrer bringt mit der Sackkarre zwei Umzugskartons mit Akten.

Das Begleitschreiben gestattet uns freundlich

Akteneinsicht wird für 7 Tage gewährt.

Wenn wir jetzt richtig ranklotzen, sind die Akten binnen der gesetzten Frist durch den Scanner gejagt. Wir haben natürlich nur auf die Akten gewartet und daher nichts anderes zu tun.

Die Aktenberge haben monatelang unbearbeitet auf der Geschäftsstelle rumgelegen und sind nicht bearbeitet worden. Jetzt eilt es aber. Sie sollen binnen Wochenfrist wieder zurück um dann dort wiederum monatelang zu gammeln?

Was mag sich ein Staatsanwalt so denken, wenn er das verfügt? Immerhin ist er von der klassischen Formel „für 3 Tage“ abgewichen.

Warum fragen Sie nicht einen Anwalt?

Real verkauft Waffen

Stinger Whip heißt das Ding, das auf der Website von real.de beworben wird und wohl auch in den Märkten erhältlich ist:

Es ist nicht nur eine Selbstverteidigungspeitsche, sondern auch mit einem Hammer mit hoher Härte ausgestattet, der Ihnen in einer gefährlichen Situation das Leben rettet.

Wir haben schon über eine solche Panne bei Tchibo berichtet. Auch dieses Produkt ist definitiv eine Waffe, vielleicht sogar eine verbotene Waffe. Das Waffengesetz bestimmt was eine Waffe ist; u.a. sind Waffen gem. § 1 Abs. 2 Nr. 2 a) WaffG:

2. tragbare Gegenstände,
a) die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, insbesondere Hieb- und Stoßwaffen;

Eine Selbstverteidigungspeitsche ist ohne Frage dazu bestimmt, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen.

Stinger Whip

Was folgt für den Stinger Whip daraus?

  1. Der Umgang mit diesem Ding ist nur Personen gestattet, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, § 2 Abs. 1 WaffG.
  2. Das Ding darf in der Öffentlichkeit nicht geführt werden, § 42a Abs. 1 Nr. 2 WaffG.
  3. Das Ding muß zuhause zumindest in einem verschlossenen Behältnis aufbewahrt werden, § 13 Abs. 2 Nr. 1 AWaffV.

Was zum Kuckuck wollen Sie dann mit dem Ding?

Real, warum fragen Sie nicht vorher einen Anwalt? Daß das Ding eine Waffe ist, ist doch offensichtlich.

Und dann könnte es auch noch viel schlimmer kommen:

Verbotene Waffe?

Dieses Ding kann man natürlich auch an der dem Griff gegenüberliegenden Seite anfassen und damit zuschlagen. Der Griff erfährt dann eine gewaltige Beschleunigung und der Stinger Whip fungiert als Totschläger. Hier hatten wir die Begrifflichkeiten Totschläger und Stahlruten erläutert: Verbotene Waffen – Stahlruten, Totschläger und Schlagringe.

Sollte das BKA, das diese Frage sicherlich bald beantworten wird, zum Ergebnis kommen, daß es sich um einen Totschläger handelt, dann wird es auch für die Verantwortlichen bei Real ziemlich eng. Der Umgang mit Totschlägern, dazu gehört auch der Besitz und das Handel treiben, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bedroht, § 52 III Nr. 1 WaffG.

Nur keine Scheu, wir beraten auch namhafte internationale Unternehmen in Fragen des deutschen Waffenrechts. Eine kurze Beratung hätte dieses Desaster vermieden.

Für die Zukunft: Kontakt

Für das Waffenrecht unterhalten wir einen eigenen Blog: Deutsches Waffenrecht

Nachtrag 29.10.2020 17 Uhr

Ein aufmerksamer Leser hat uns bereits darauf aufmerksam gemacht, daß das BKA bereits im Februar einen Feststellungsbescheid zu dem Ding erlassen hat: Z 493, Stinger Tools, Stinger Whip Car Emergency Tool

Danach handelt es sich zwar um eine Waffe, nicht jedoch um einen Totschläger.

Sprachlich macht der Bescheid bereits wegen der vielen Fehler den Eindruck, daß er mit heißer Nadel gestrickt wurde.

Gedanklich ist er widersprüchlich. Die Beschreibung stellt fest, daß es sich um ein Griffstück mit daran befestigtem Drahtseil handelt. Die Reihenfolge der Benennung der Bestandteile ändert natürlich nichts an der Beschaffenheit. Man könnte das Ding auch als ein Drahtseil mit daran befestigtem Griffstück beschreiben.

Der Bescheid kommt nämlich zum Ergebnis, daß es sich nicht um einen Totschläger handelt. Es mangele an der Metallbeschwerung am Ende des Drahtseils.

Griff am Schlauch oder Schlauch am Griff?

Mit der Begründung gäbe es überhaupt keine Totschläger.  Der in Bezug genommene Hinweis der WaffVwV lautet:

Totschläger sind biegsame Gegenstände wie Gummischläuche, Riemen und Stricke, bei denen zumindest ein Ende durch Metall bzw. durch gleich hartes Material beschwert ist. Die
Biegsamkeit ist wie bei der Stahlrute wesentliches Kriterium, da nur dadurch die beabsichtigte Verstärkung der Schlagwirkung gewährleistet wird.

Hängt am Schlauch Metall oder am Metall ein Schlauch? Hängt am Drahtseil ein Griff oder am Griff ein Drahtseil?

Es wäre lustig, wäre es nicht ein Feststellungsbescheid des BKA.

Die Gefahr des Knastes ist also fälschlicherweise abgewehrt. Es bleibt allerdings auch nach dem Bescheid dabei, daß es sich um eine Waffe handelt. Wie Real wohl die Aufbewahrungsvorschriften umsetzt? Seit der Veröffentlichung des BKA-Bescheides müssen es die Verantwortlichen wissen.

Aber immerhin, beispielsweise ist der Verkauf an einen Minderjährigen mit einem erheblichen Bußgeld von bis zu 10.000 € bedroht, § 53 Abs. 1 Nr. 16 WaffG. Ob das die Verkäufer wissen?

Von einem derart großen Laden erwarte ich, daß er mich als Käufer nicht ins Verderben laufen läßt. Denn bereits der Transport des Dings darf nur in einem verschlossenen Behältnis erfolgen, ansonsten ist es ein Verstoß gegen § 42a WaffG.

 

 

Schiedsrichter zeigt die rote Karte

Revisionshauptverhandlung – Die Arroganz der Macht

Die Revisionshauptverhandlung in einer Strafsache liegt nun mehr als einen Monat hinter mir und ich bin immer noch auf 180.

Wann erfolgt eine Revisionshauptverhandlung?

Für den Laien ein paar erklärende Worte zuvor:

  • Meist wird die Revision vom Angeklagten eingelegt, die Staatsanwaltschaften halten sich vielerorts zurück.
  • Der Gesetzgeber hat das Revisionsverfahren so geregelt (§ 349 StPO), daß die allermeisten Verfahren ohne Revisionshauptverhandlung durch Beschluß entschieden werden. Die Arbeit der Richter ist vorwiegend Schreibtischarbeit, die Hauptverhandlung die seltene Ausnahme.
  • Über eine von der Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision ist nicht durch Beschluß, sondern in mündlicher Verhandlung zu entscheiden.
  • Der Ablauf dieser Verhandlung ist dezidiert beschrieben, § 351 StPO.

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das dem Angeklagten günstige Urteil ist nach unserer Ansicht unbegründet. Natürlich haben wir das in der Gegenerklärung ausführlich dargestellt.

Frohen Mutes bin ich zum Kampf nach Stuttgart in den dortigen Hauptverhandlungskeller gezogen und habe ausführlich unseren Standpunkt im Plädoyer dargestellt.

Vertane Mühe und Reisekosten für eine Farce

Der hohe Senat hat sich zur Beratung zurückgezogen und bat die Beteiligten, sich nicht allzu weit zu entfernen. Was dann passierte ist im Protokoll nur teilweise zutreffend wiedergeben.

Das Gericht zieht sich um 11:15 Uhr zur Beratung zurück.

Nach Wiedereintritt des Senats um 11:20 Uhr verkündet der Vorsitzende durch Verlesen der Urteilsformel und mündlicher Mitteilung des wesentlichen Inhalts der Urteilsgründe im Namen des Volkes folgendes Urteil:

Das Protokoll ist nicht einmal unrichtig. Auch das Verlesen der Urteilsgründe ist eine mündliche Mitteilung. Der Vorsitzende hat das Urteil insgesamt verlesen, es lag bereits fertig ausformuliert auf dem Tisch. Das Verlesen dauerte länger als die Beratungszeit währte. In dieser Zeit tippt keiner so ein Urteil.

Der Angeklagte hatte mich zuvor gefragt, ob er an der Revisionshauptverhandlung teilnehmen soll. Ich erklärte ihm, daß es schließlich um seine Sache ginge und sich ein Senat des Oberlandesgerichtes mit seinem Fall beschäftige. Dies würde angesichts der Bedeutung der Sache seine Anwesenheit erfordern.

Der Mandant sah das nach der Verhandlung deutlich anders: „Die Verhandlung war überflüssig, das Urteil stand bereits fest.“

Recht hat er. Diese Verhandlung war eine Farce. Das Ergebnis der Revisionshauptverhandlung stand bereits zuvor fest. Eine Schande.

 

NRW Disziplinarverfahren

Es laufen derzeit gegen 14 Beamte NRW-Disziplinarverfahren mit dem Ziel der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis im Zusammenhang mit rechtsextremen Chats.

Rechtsextreme Chats

Genaues erfährt man nicht. Jedenfalls keine Tatsachen über die Dienstvergehen, dafür aber mehr als genug Meinung und Polemik. Bilder sollen in diesen Chats rumgereicht worden sein, teilweise widerlicher Art. Anstatt nun aber besonnen zu reagieren und zu ermitteln, überbieten sich die Protagonisten mit Forderungen und Bewertungen.

Wir werden das aufarbeiten, radikal und bis ins kleinste Detail

sagte der zuständige CDU-Innenminister Reul im Landtag in Düsseldorf. Hat der Begriff „radikal“ hier eine eigene Bedeutung oder sollte er nur die Brücke zu den vermuteten rechtsradikalen Verbindungen darstellen? Es soll radikal aufgearbeitet werden. Wer sich die Bedeutung des Wortes „radikal“ vergegenwärtigt wird deshalb befürchten müssen, daß bei der Aufarbeitung einiges auf der Strecke bleiben wird. Radikal eben.

Disziplinarverfahren mit dem Ziel der Entfernung aus dem Dienst

Reul berichtete in der Sitzung, daß gegen 14 Polizeibeamte Disziplinarverfahren mit dem Ziel der Entfernung aus dem Dienst eingeleitet worden seien.

Da steigt der Blutdruck des Verteidigers. Das Ziel des Disziplinarverfahrens steht bereits fest. Das Landesdisziplinargesetz – LDG NRW sieht als Disziplinarmaßnahmen gegen aktive Beamte vor:

  1. Verweis (§ 6)
  2. Geldbuße (§ 7)
  3. Kürzung der Dienstbezüge (§ 8)
  4. Zurückstufung (§ 9) und
  5. Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 10).

Damit hat der oberste Dienstherr das Ergebnis der Disziplinarermittlungen bereits vorgegeben, die ihm nachgeordneten Beamten des Disziplinarverfahrens werden sich gebunden fühlen.

Kein rechtsstaatliches NRW-Disziplinarverfahren

Stellen Sie sich das vor, Sie sind Beamter und sehen sich einem Disziplinarverfahren ausgesetzt, in dem der oberste Dienstherr bereits das Ergebnis, das Ziel, vorgegeben hat: Sie sollen aus dem Dienst entlassen werden.

Der Minister ignoriert das Landesdisziplinargesetz – LDG NRW, § 21:

Zur Aufklärung des Sachverhalts sind die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Dabei sind die belastenden, die entlastenden und die Umstände zu ermitteln, die für die Bemessung einer Disziplinarmaßnahme bedeutsam sind.

Ich fürchte, die Beamten im NRW-Disziplinarverfahren werden kein faires Verfahren erleben.

Dabei ist die rechtsstaatliche Verfahrensweise klar vorgegeben. Zunächst wird das Verfahren von Amts wegen oder auf Antrag eingeleitet. Dann ist der Sachverhalt aufzuklären, die Umstände (s.o.) sind zu ermitteln. Als Ergebnis dieses Prozesses ergeht die Entscheidung über die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen.

Dabei ist sicherlich zu berücksichtigen, daß auch derjenige aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist, der durch ein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Aber eben als Entscheidung am Ende eines rechtsstaatlich geordneten Verfahrens. Hier hatten die Betroffenen noch nicht einmal die Gelegenheit, sich in der Anhörung zu äußern.

Es ist eine Schande, daß ein Innenminister in Deutschland meint, daß dieser Weg abgekürzt werden kann. Par ordre du mufti.

Die Aussagen Reuls sind einem Bericht der Tagesschau vom 17.09.2020 entnommen: NRW-Minister zu Polizeiskandal

Frosch zieht einen Trolly hinter sich her

Bezirksamt Mitte – Zweckentfremdung

Und wieder das Bezirksamt Mitte –  Zweckentfremdung: Auf unsere Meldung, dass ich den Mandanten im Ordnungswidrigkeitenverfahren verteidige und Akteneinsicht beantrage, erhalten wir folgende Antwort:

Abs. 1:

Die Überlassung originaler Akte kann ich leider nicht gewähren. Alternativ haben Sie die Möglichkeit, eine gebührenpflichtige Kopie der Akte zu erhalten. Gerne können Sie auch nach vorheriger Terminvereinbarung die Akte vor Ort einsehen.

Schon der erste Satz lässt einen stolpern: Nein, wir wollen keine nackten Männer/Frauen/Divers bei uns aufnehmen! (okay, ist nur ein Schreibfehler des Sachbearbeiters – ist aber witzig)

Wir wollen die Übersendung der Akte – oder zumindest die Möglichkeit, diese persönlich abzuholen (so handhabt es z. B. das Bezirksamt Tempelhof – trotz Corona).

Für die Übersendung entstehen Gebühren (bei den Staatsanwaltschaften sind es 12,00 €) und dafür bekommt man das „Original“; der Anwalt kann dann in Ruhe entscheiden, was kopierwürdig ist bzw. die Akte scannen und prüfen, ob sie überhaupt vollständig ist.

Beim Angebot im zweiten Satz, nämlich eine Kopie gegen Gebühr zu erhalten, handelt es sich um eine Kostenfalle: Für den Zeitaufwand des öffentlich Bediensteten entsteht eine Gebühr in Höhe von 55,96 € zzgl. der Kopierkosten (die ersten zehn Seiten kosten je 0,50 €, jede weitere Seite 0,15 €).

Auch Angebot Nr. 3 kann uns nicht begeistern: Sollen wir die Akte auswendig lernen oder abschreiben, um den Inhalt mit dem Mandanten besprechen zu können? Und um eine Terminvereinbarung zu treffen, ist auf dem Schreiben die Telefonnummer 115 angegeben – sollen wir jetzt versuchen, dass Bürgertelefon zu erreichen und uns durchzufragen?

Und jetzt kommt Abs. 2:

Des Weiteren bitte ich um Übersendung einer Vertretungsvollmacht.

Dieser Satz offenbart völlige Ahnungslosigkeit des Verfahrensrechtes. Eigentlich sollte ich antworten: „Wir vertreten den Mandanten nicht, ich verteidige ihn.“ Ein Verteidiger benötigt eine Verteidigervollmacht, die auch mündlich erteilt werden kann. Er verteidigt und vertritt – bis auf seltene Ausnahmen – nicht den Mandanten im Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren.

Äh nee: Wir versenden keine Vollmachten in Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren.

  1. Hierzu besteht keine Verpflichtung, da Rechtsanwälte ohne Auftrag und Vollmacht nicht tätig werden; wir sind Organ der Rechtspflege!
  2. Wenn wir nämlich die schriftliche Vollmacht an Behörden abgeben (egal ob im Original oder in Kopie), und diese dann in deren Akten gelangt, bringt dies die Verpflichtung für den Verteidiger mit sich, Zustellungen und sonstigen Mitteilungen für den Betroffenen in Empfang zu nehmen. Dies hätte dann zur Folge, dass wir mit behördlichen Maßnahmen konfrontiert werden könnten, auf die wir ohne Rücksprache mit dem Mandanten reagieren müssen (Fristen), falls dieser für uns – aus welchen Gründen auch immer – nicht erreichbar ist (Urlaub, Krankheit, Verkehrsunfall, Corona).

Entsprechendes haben wir den Sachbearbeiter gefaxt (die Faxnummer war immerhin auf dem Briefkopf) – wir sind gespannt auf die Reaktion. Den Bezirksämtern der Stadt ist die Zuständigkeit für die Ordnungsaufgaben durch das Allgemeine Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (ASOG) Anlage Nr. 15 für die Ordnungsaufgaben nach dem Zweckentfremdungsverbot-Gesetz übertragen worden. In dieser Rolle sind sie sich sicherlich noch fremd.

Bezirksamt Mitte – Zweckentfremdung – bleibt ein interessantes Thema. Wenn Sie sich mit einem der Berliner Bezirksämter in einer Zweckentfremdungssache konfrontiert sehen, sollten Sie sich an die Fachfrau wenden: Ich helfe Ihnen gerne.

Lesenswert zum Thema Vollmachtsvorlage: Unser Beitrag „Last not least“, zu finden auf unserer Homepage ganz unten rechts unter HINWEISE oder über diesen Link: Der Trouble mit der Vollmacht