Ich bin bei den Guten!

Das Leben schreibt die schönsten Fälle. Hier einer, der vom Justizprüfungsamt Nordrhein-Westfalen für das 2. Juristische Staatsexamen als Aktenstück aufbereitet wurde. Natürlich mit falschen Namen. Es wird die Vernehmung eines Polizeibeamten angeordnet, da dieser es wohl unterließ, einen Richter über die Entnahme der Blutbrobe entscheiden zu lassen und selbst die Anordnung traf.

Als Strafverteidiger kommt mir gleich der erste Satz des Vernehmungsprotokolls sehr bekannt vor:

Ich will aussagen und brauche keinen Anwalt.

Nachdem er sich dann um Kopf und Kragen geredet hat:

Deswegen kann ich auch nicht ansatzweise nachvollziehen, wieso ich hier heute als Beschuldigter vernommen werde. Das ist doch eine verkehrte Weit. Ich bin bei den Guten. Wenn ich mir das recht überlege, werde ich doch einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung meiner Interessen betrauen. Ich sage jetzt nichts mehr.

Das ist ja schon richtig, daß er bei den Guten ist. Dann sollte er aber auch einen guten Verteidiger für die Strafsache wählen. Gnadenvollerweise hat das Prüfungsamt den Namen des Zivilrechtlers verändert, der sich halt auch an Strafsachen versucht und ebenfalls mit dem ersten Satz pfuscht. Schade, daß der nicht gleich mitverurteilt wurde.

zeige ich unter Vollmachtsvorlage die Vertretung des Beschuldigten an.

Zwei Fehler in den ersten 9 Worten.

  1. Die unreflektierte Vollmachtsvorlage ist ein Kunstfehler. Siehe nur hier: VollMachtsBlog, hier: You made my day und eine weitere umfangreiche Zusammenstellung: Last not least.
  2. Der Strafverteidiger vertritt nicht, er verteidigt, es besteht kein Vertretungsverhältnis!

Und so übel geht es dann in dem Schreiben weiter. Die Verteidigung des Beschuldigten hat es nach der Beschuldigtenvernehmung schwer, dem Mandanten kann nicht mehr geraten werden, sich durch Schweigen zu verteidigen.

Die Prüflinge hatten aus meiner Sicht eine einfache Aufgabe. Darum will ich einen aufsatteln;

Wer ist bereit, eine gute Verteidigungsschrift einzureichen? Ich werde sie gerne hier verlinken.

Dank an Carsten Krumm für die Fundstelle

Anwaltliches Inkasso führt zur Gewerbesteuerpflicht

Das Niedersächsische Finanzgericht hat mit seiner Entscheidung vom 15.09.2011 – 14 K 312/09 – das Berufsrecht auf den Kopf gestellt.

  1. Inkassotätigkeit ist nur dann berufstypische anwaltliche Tätigkeit, wenn jede einzelne Forderung in rechtlicher Hinsicht geprüft wird. Vom Rechtsanwalt durchgeführtes Volumeninkasso ist gewerbliche Tätigkeit.
  2. Die Einkünfte aus Inkassoaufträgen ohne Einzelfallprüfung sind für Zwecke der Gewerbesteuer getrennt zu erfassen.

  3. (Leitsätze des Verfassers)

Was war passiert? Ein Rechtsanwalt betrieb Volumeninkasso. Systembedingt erfolgt keine Prüfung der Forderung im Einzelfall, die Forderungsdaten wurden dem Rechtsanwalt standardisiert übergeben, der den Forderungseinzug automatisiert betrieb. Das Finanzamt sah dies als gewerbliche Tätigkeit und erließ entsprechende Steuerbescheide, die das Finanzgericht bestätigte.

Auf den ersten Blick scheint das Urteil nur das Volumeninkasso zu betreffen. Tatsächlich sind jedoch davon alle Fälle des Forderungseinzuges betroffen, die keiner Einzelfallprüfung bedürfen.

Die Aufträge des Artzes, der zum Quartalsende die nicht bezahlten ärztlichen Liquidationen übergibt; all die vielen Fälle, in denen standardisiert Verfahren ablaufen, sind getrennt zu erfassen und unterliegen der Gewerbesteuer. Dem Urteil ist auch kein Grund dafür zu entnehmen, daß es sich auf die außergerichtliche Inkassotätigkeit beschränkt. Das gesetzliche Mahnverfahren sieht keine Einzelfallprüfung vor.

Nachstehend die Entscheidungsgründe Weiterlesen

Landshuter LG- Fundstücke

Ich kann das Wasser nicht halten:

Dass sich die Nichtigkeit der Ansprüche der … geradezu aufdrängt, ergibt sich aus der Vielzahl der Fälle. Es ist absolut lebensfremd, dass eine derartige Anzahl von Adressaten jeweils ihre – gleichgelagerten – Rechnungen nicht bezahlen.

Das Gewicht des Eingriffs (Anm.: Durchsuchung beim Beschuldigten) verlangt dabei Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. (Wörtl. aus Kommentar). Ein Verstoß gegen diese Anforderungen (sic!) liegt erst vor, wenn sich sachlich zureichende, plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen.Verwechselt das LG Verdachtsgründe und Durchsuchungszweck?

Das geht in den mir vorliegenden Beschlüssen des LG Landshut immer weiter so. Ich kann nicht mehr lachen, es ist zum Weinen.

Mißachtung des Rechtsstaats

Aus der Verfügung eines Leitenden Oberstaatsanwaltes einer Generalstaatsanwaltschaft an die zuständige Staatsanwaltschaft:

Sollte das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen, wird gebeten, sofortige Beschwerde einzulegen.

Wenn sich die Generalstaatsanwaltschaft einschaltet, kann man sich vorstellen, daß die Sache nicht so ganz einfach gelagert ist. Die „Bitte“ eines OStA der Generalstaatsanwaltschaft ist natürlich keine Bitte, sondern eine klare Weisung, die zum Ausdruck bringt, daß die Entscheidung der Kammer von ihm lediglich als Zulässigkeitsvoraussetzung für ein Rechtsmittel angesehen wird.

Was für ein lausiges Rechtsverständnis eines der höchsten Vertreter der Staatsanwaltschaft, die für sich immer noch in Anspruch nimmt, die objektivste Behörde der Welt zu sein. Der Mann zieht überhaupt nicht in Betracht, daß ihn die (zu begründende) Entscheidung des Gerichtes vielleicht überzeugen könnte. Er schreibt klar: Egal was die Kammer von sich gibt, ich will die sofortige Beschwerde! Noch klarer kann ein Staatsanwalt nicht dokumentieren, daß er befangen ist.

Nicht nur peinlich, sondern dumm!

Das Gericht wird sich wohl oder übel dem Antrag der Verteidigung anschließen müssen und die Ablösung des Staatsanwaltes beim Generalstaatsanwalt anregen. Der General wird keinen Grund finden, den Oberstaatsanwalt nicht abzulösen, denn deutlicher kann man die eigene Befangenheit nicht in der Akte dokumentieren. Und das nicht, weil irgendein durchgeknallter Staatsanwalt einer kleinen Staatsanwaltschaft sich ungeschickt verhalten hat, sondern weil ein Leitender Oberstaatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft sein verqueres Rechtsverständnis in einer Position auslebt, die Vorbildcharakter für die nachgeordneten Beamten haben soll.

Gnadenlos schlecht

Nun habe ich mir auch endlich den Regierungsentwurf der Bundesregierung zur „Buttonlösung“ angeguckt. Er soll Verbraucher vor Kostenfallen im Internet schützen.

Erfolgt die Bestellung über eine Schaltfläche, ist die Pflicht des Unternehmers … nur erfüllt, wenn diese Schaltfläche gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ … beschriftet ist.

Na das ist doch eindeutig und läßt keinen Spielraum und wird vor den Gerichten auch eindeutig feststellbar sein!

Ach ja, das obige Zitag lautet vollständig:

Erfolgt die Bestellung über eine Schaltfläche, ist die Pflicht des Unternehmers aus Satz 1 nur erfüllt, wenn diese Schaltfläche gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist.

Da gibt der Gesetzgeber einen Wortlaut vor, was ich schon für ein Unding halte, und dann reißt er mit der Oder-Regelung wieder ein, was er vorher aufgebaut hat. Viel Spaß den Gerichten bei der Entscheidung, was eine entsprechende eindeutige Formulierung ist!

Wir werden die Wortschöpfung, die dem sprachlichen Ungetüm „zahlungspflichtig bestellen“ am nächsten kommt, prämieren und bitten um Einsendungen.

Die Begründung wollen wir im Auszug auch nicht vorenthalten:

Beschriftungen wie zum Beispiel „kostenpflichtig bestellen“, „zahlungspflichtigen Vertrag schließen“ oder „kaufen“ lassen dagegen unmissverständlich erkennen, dass mit der Betätigung der Schaltfläche auch eine finanzielle Verpflichtung eingegangen wird. Bei eBay oder vergleichbaren Internetauktionsplattformen ist eine Formulierung wie „Gebot abgeben“ oder „Gebot bestätigen“ ausreichend, denn bei der Nutzung von Internetauktionsplattformen muss für den Verbraucher – schon weil er sein Gebot beziffern muss – ohne Weiteres klar sein, dass er die Auktionsware bezahlen muss, wenn er den Zuschlag erhält.

Was dem Verbraucher klar sein muß …!