Auslagenentscheidung bei Einstellung

Liebe Kollegen Rechtsreferendare in Nordbayern,

gestern hatte ich das besondere Vergnügen, vor einem Amtsgericht in Oberfranken zu verteidigen. Es ging um ein harmloses Kinderspielzeug, das von Polizei, Staatsanwaltschaft und Richter als verbotene Waffe klassifiziert wurde und tateinheitlich um das Führen eines zu langen Messers (15,5 cm).

Einstellung § 153 II StPO

Nachdem das von uns angeregte Gutachten ergab, daß die Zwille nicht dem Waffengesetz unterliegt, stellte der Richter das  Verfahren ein:

1. Das Verfahren wird hinsichtlich des Angeschuldigten[1]  Ratlos Rudi mit Zustimmung der
Staatsanwaltschaft und mit Zustimmung des Angeschuldigten gemäß § 153 Abs. 2 StPO
eingestellt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.

Der Richter Dr. X war über die Beschwerde und die Aufhebung durch das Landgericht echt erbost (zur Geschichte siehe den Link oben) und kam nach kurzer Verhandlung zum erwarteten Urteil. In einer persönlichen Anmerkung nach der Urteilsverkündung ließ er seinem Unmut freien Lauf:

Warum ich es nicht bei der Einstellung belassen hätte? Die notwendigen Auslagen des Angeklagten seien doch von seiner Kostenentscheidung umfaßt, der Kostenbeamte hätte die Verteidigungskosten als notwendige Auslagen des Angeklagten festgesetzt. Meinen Einwand, dies stimme nicht, fegte er mit dem Argument vom Richtertisch, er wisse es besser, er sei schließlich Ausbilder einer Referendararbeitsgemeinschaft und bringe dies so seinen Referendaren bei.

Notwendige Auslagen des Angeklagten

Falls Sie zu den glücklichen Teilnehmern der AG gehören:

  • Werfen Sie einen Blick in das Gesetz: § 464a Abs. 1 Satz 1 StPO definiert den Begriff der Kosten. Die Anwaltsgebühren gehören (mit Ausnahme der Pflichtverteidigergebühren) nicht zu den Kosten und Auslagen des Gerichtes.
  • § 467 Abs. 1 StPO bestimmt den Regelfall, wonach die Auslagen der Staatskasse zur Last fallen.
  • Schauen Sie bitte in die Kommentierung, bspw. Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, 63. Aufl. 2020, § 467 StPO, RN 20:

Werden der Staatskasse nur die Verfahrenskosten auferlegt, so darf das, auch wenn es sich zweifelsfrei um einen Fall des I handelt, nicht dahin ausgelegt werden, dass auch die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten gemeint sind (m. w. N.).

  • Und auch die Kommentierung zu § 464 StPO (a. a. O.) ist eindeutig:

Rn. 12: Beim Fehlen einer ausdrücklichen Auslagenentscheidung verbleiben die notwendigen Auslagen bei demjenigen, dem sie entstanden sind.

 

Moral von der Geschicht: Nicht alles was ein promovierter Amtsrichter in der Arbeitsgemeinschaft erzählt ist richtig. Sie machen nichts falsch, wenn Sie grundsätzlich über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten entscheiden.

  1. [1]nachdem der Richter zuvor einen Strafbefehl erließ, ist diese Bezeichnung natürlich, wie Sie sicherlich wissen, völlig daneben § 157 StPO
Unser Aktenvernichter vernichtet nach den höchsten Sicherheitsanforderungen

Verwaltungsversagen Corona-Nachverfolgung

Verwaltungsversagen nicht nur bei den Bürgerämtern, sondern auch bei den derzeit so wichtigen Gesundheitsämtern wegen der Corona-Nachverfolgung. Seit nahezu 1 1/2 Jahren sind die Gesundheitsämter durch die Pandemie besonders gefordert.

Wir stellen Ihnen heute das Ergebnis dieses Lernprozesses des Gesundheitsamtes Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin vor:

  • Am 13.04.2021 erfolgt in einem der Testcenter ein positiver Schnelltest. Unmittelbar danach wird ein PCR-Test mit negativem Ergebnis durchgeführt. Soweit – so gut!
  • Mit Schreiben vom 04.05.2021 – also exakt drei Wochen später – schreibt das Gesundheitsamt dem Testling einen Brief. Der Briefumschlag trägt das Datum 06.05.2021 und der Brief kommt am 11.05.2021 an. Summa summarum 4 Wochen nach dem positiven Schnelltest.
  • Wofür wird die Mobilnummer beim Schnelltest angegeben, wenn sie nicht genutzt wird?
  • Vom PCR-Test weiß das Gesundheitsamt wohl nicht.
  • Ich habe zwei juristische Staatsexamen absolviert. Mir erschließt sich die Bedeutung des Schreibens nicht. Die Kontaktpersonen sollen sich in Isolation begeben. Die Empfängerin des Schreibens auch?
  • Ein Merkblatt, in welchem die wichtigsten Fragen erläutert werden, soll dem Schreiben anliegen, ist aber nicht beigefügt. Wahrscheinlich interessiert das auch keinen, die meisten Menschen suchen Antworten auf ihre Fragen und wollen nicht, daß ihre Fragen erläutert werden.

Am 12.05.2021 wird für Charlottenburg-Wilmersdorf eine 7-Tages-Inzidenz von 68,4 gemeldet. Dies entspricht bei ca. 335 T Einwohnern einer Fallzahl von 235.  Bei einer 5-Tage-Woche hat das Gesundheitsamt am Tag 47 Corona-Fälle zzgl. der gemeldeten positiven Schnelltestfälle zu bearbeiten.

Und was schreibt dann das Gesundheitsamt mit wochenlanger Verspätung:

Wenn Sie auf das Bild klicken, öffnet sich das Schreiben in seiner ganzen Schönheit.

Überflüssig zu erwähnen, daß unter der angegebenen Rufnummer zu den Sprechzeiten gestern und heute niemand zu erreichen war?

Welcher Bürger ist denn in der Lage aus der Verordnung abzulesen, was ihn konkret betrifft? Allein für diesen Satz gehört der Verfasser geteert und gefedert:

Sie sind daher von der entsprechenden Regelung nach § 21 a der SARS-CoV-2-Infektionsschutzmaßnahmeriverordnung in der jeweils gültigen Fassung betroffen.

Der Sinn erschließt sich mir nicht ohne Kenntnis des § 21a der Verordnung und dem Normadressaten, der die Allgemeinverfügung versteht, sei meine Bewunderung gewiß.

2 Millionen Erwachsene in Deutschland sind totale Analphabeten und weitere 7,5 Millionen Erwachsene funktionale Analphabeten (Illetrismus).  Ich verstehe den Brief nicht. Verwaltungsversagen.

Update 24.05.201

Auf die Beschwerde bekamen wir eine Antwort, die wir Ihnen nicht vorenthalten wollen:

Ihr Beschwerdeschreiben ist an mich als Amtsleitung weitergegeben worden und ich möchte Ihnen gern dazu antworten. Ihr Unmut macht mir deutlich, dass die Transparenz unserer Arbeitsweise noch immer nicht so gegeben ist, dass Außenstehende dies nachvollziehen können und ich möchte daher Ihre Beschwerde zum Anlass nehmen, unsere Vorgehensweise zu schildern.

Zunächst möchte ich zum besseren Verständnis erklären, dass die Abläufe für die meldepflichte Erkrankungen wie der Nachweis von SARS-CoV 2 wie folgt geregelt sind:

Der positive Nachweis von SARS-CoV-2 mittels Antigenschnelltest erfordert eine unverzügliche Nachtestung mit Hilfe einer PCR-Testung. Dies sollen die Teststellen/niedergelassenen Ärzte_Innen den Betroffenen anbieten oder ihnen eine Möglichkeit zur PCR-Testung vermitteln. Ist die PCR-Testung ebenfalls positiv erfolgt unmittelbar danach über das Labor eine Meldung

  1. a) an den Einsendenden (Teststelle, Niedergelassenen …) und
  2. b) an das zuständige Gesundheitsamt, welches dann tätig wird (Kontaktaufnahme, Ermittlung enger Kontaktpersonen usw.).

Ist der PCR-Test negativ erfolgt keine Meldung an das Gesundheitsamt, sondern lediglich eine Meldung an die einsendende Person bzw. den Betroffenen (via QR-Code o.ä.).

Wird nun ein positiver Antigenschnelltest an das zuständige Gesundheitsamt gemeldet, muss das Gesundheitsamt mit dem Betroffenen Kontakt aufnehmen und prüfen, ob eine PCR-Testung erfolgt ist. Sind keine Daten für eine Ansprechbarkeit wie. Z.B. die Telefonnummer des Betroffenen oder eine email-Adresse übermittelt worden, ist zunächst der Kontakt postalisch vorzunehmen. Wird die Durchführung eines PCR-Tests durch den Betroffenen bestätigt und erfolgt im Laufe einer Woche nach Durchführung der PCR-Testung keine weitere Labormeldung über ein positives PCR-Ergebnis, wird der Schnelltest nicht in die Meldestatistik für das Robert Koch-Institut eingepflegt, weil nicht bestätigt.

Während der Zeit zwischen dem positiven Antigenschnelltest und der PCR-Testung unterliegt der Betroffene bereits einer Quarantäne. Dies wurde anfänglich über jeweilige Allgemeinverfügungen der Bezirke und dann über die Berliner Infektionsschutzmaßnahmenverordnung geregelt. Einige Arbeitgeber_Innen erwarten von den Beschäftigen dennoch ein auf die betroffene Person bezogenes Schreiben, aus dem die Grundlage für den möglicherweise entstandenen Zeitausfall ersichtlich ist.  Auch ist es mit diesem Schreiben möglich, einen finanziellen Ausgleich durch die Senatsverwaltung für Finanzen für den Zeitraum Ergebnis positiver Antigenschnelltest und PCR-Ergebnis zu erhalten (als Beleg gilt das Datum des PCR-Ergebnisses).

Bezieht man diese Abläufe nun auf Ihren Fall, war Ihre Ansprechbarkeit über eine Handynummer gegeben und aus den mir vorliegenden Unterlagen kann ich nachvollziehen, dass eine Meldung über Ihren positiven Schnelltest am 14.04.2021 eingegangen ist. Insofern bestand für uns als Gesundheitsamt die Möglichkeit, Sie zu kontaktieren. In wieweit dies versucht wurde, kann ich den Unterlagen nicht entnehmen.

Es ist von Ihnen Fr. X, kein PCR-Test mit einem positiven Ergebnis eingegangen, insofern bestand keine Grundlage für eine 14 tägige Quarantäne und eine Ermittlung von Kontaktpersonen.

Das an Sie versandte Schreiben hatte also lediglich die Funktion, Ihnen zu einem möglichen finanziellen Anspruch für die Zeit vom festgestellten positiven Antigentest bis zum negativ bestätigten PCR- Test zu verhelfen (s.o). Das hierbei entstandene Missverständnis sehe ich daher als fehlende Transparenz unserer Tätigkeit geschuldet.

Unsere Erreichbarkeit ist über die Corona-Hotline des Gesundheitsamts unter der 030 90 29 16662 von Mo – Fr von 8:00 Uhr – 16:00 Uhr und Sa 10:00 Uhr – 14:00 Uhr gegeben. Auch das email-Team ist, wie auf der homepage ersichtlich, unter hygiene@charlottenburg-wilmersdorf erreichbar.

Gern stehe ich auch für einen persönlichen Austausch zur Verfügung, vielleicht gibt es Ihrerseits hilfreiche Hinweise, wie unsere Tätigkeit für Außenstehende nachvollziehbarer gestaltet werden kann.

Zu Ihrer Information sei noch angemerkt, dass seit Beginn der Pandemie 16.210 positive Fälle und an die 35.000 Kontaktpersonen in diesem Bezirk ermittelt und an das RKI weitergegeben wurden, darunter befinden sich natürlich auch Ausbruchsgeschehen mit erhöhtem Beratungsaufwand. Es kann daher sein, dass die Erreichbarkeit nicht immer unmittelbar gewährleistet ist, auch wenn bereits 8-10 Personen ausschließlich die Hotline und die email-Beantwortung innehaben. Automatisierte Antworten sind bei der Hotline von Bürger_Innen nicht gewollt, automatisierte Schreiben, wie ich aus Ihrer Reaktion erkennen kann, können auch missverstanden werden.

Für Anregungen sind wir jederzeit offen,

Verwaltungsversagen. Das lange Schreiben hatte lediglich einen ganz einfachen Zweck:

„Das an Sie versandte Schreiben hatte also lediglich die Funktion, Ihnen zu einem möglichen finanziellen Anspruch für die Zeit vom festgestellten positiven Antigentest bis zum negativ bestätigten PCR- Test zu verhelfen (s.o).“

Amtssprache ist deutsch. Trotzdem wird von der Behörde gegendert. Einen einfachen Sachverhalt in ein paar einfache Sätze packen geht nicht, dafür lang und politisch gegendert. Verwaltungsversagen.

Die Behörde hat arbeitstäglich ca. 160 positive  Fälle und ca. 35.000 Kontaktpersonen an das RKI  weitergeben. Arbeitstäglich rund 160 Fälle.

Vielleicht nehmen wir uns wirklich die Zeit und entwerfen einen Musterbrief für ein Schreiben, das lediglich die Funktion hat, zu einem finanziellen Anspruch zu verhelfen.

Was muß rein?

  • Sie wurden mittels Schnelltest am 00.00.0000 positiv auf SARS-CoV-2 getestet.
Krieger schläft

Mietendeckel nichtig – was nun?

BVerfG hat den Berliner Mietendeckel für nichtig erklärt

Wie von nahezu allen Fachleuten vorhergesagt, hat das Bundesverfassungsgericht am 15. April 2021 entschieden, dass der sog. Mietendeckel (MietenWoG Bln) mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb nichtig ist. Nichtigkeit bedeutet, dass so getan wird, als habe das Gesetz nie existiert.

Was bedeutet das jedoch für Vermieter und Mieter? Wie erfolgt die Rückabwicklung?

Welche Optionen hat der Vermieter?

Vermieter können nunmehr die Differenz zwischen vereinbarter und aufgrund des Mietendeckels ab 1. März 2020 gesenkter Miete nachfordern (mit Zinsen!) und außerdem noch für die zurückliegenden Monate die Differenz zwischen den angehobenen und den tatsächlich gezahlten Mieten (dies betrifft z. B. Staffelmietvereinbarungen).

Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Vermieter nur den Zahlbetrag und nicht die vertragliche Vereinbarung über die Miethöhe geändert haben.

Dem Vermieter stellen sich trotzdem so einige Fragen: Muss er z. B. jeden Mieter schriftlich zur Zahlung auffordern? Welche Fristen hat der Mieter zur Zahlung einzuhalten (Fälligkeit)? Unter welchen Voraussetzungen kann ich dem Mieter bei Nichtzahlung kündigen? Kann ein Vermieter sich aussuchen, von welchem Mieter er die Miete nachfordert und von welchem u. U. nicht (Stichwort: Trennung von unliebsamen Mietern, Behalten der angenehmen und liquiden Mieter)?

Wir können Ihre Fragen beantworten und beraten Sie gerne.

Exkurs: Was ist mit Verwaltungsakten/Bußgeldbescheiden gegen Vermieter? Leider behalten bestandskräftig gewordene Bescheide trotz der Aufhebung des Mietendeckels ihre Wirksamkeit. Wenn dies noch nicht der Fall ist, muss nun unverzüglich Widerspruch oder Klage erhoben werden!

Welche Optionen hat der Mieter nach dem Mietendeckel?

Mieter müssen nun ihrerseits nicht nur die gesamten Mietdifferenzen nachzahlen, sondern müssen auch die vereinbarte Miete ab Mai 2021 zahlen (der beginnt in wenigen Tagen!). Glück für die Mieter, die das Geld vorsorglich zurückgelegt haben – die Konsequenz aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist nämlich, dass die Nachzahlungen sofort, also ab dem 15.04.2021, fällig sind. Es ist allerdings zu erwarten, dass die Gerichte den Mietern nach Treu und Glauben eine Zahlungsfrist von 2 Wochen zubilligen werden.

Was passiert, wenn der Mieter das Geld jedoch nicht zurückgelegt hat bzw. es nicht zurücklegen konnte? Ihm droht die Kündigung! Im Regelfall wird ein Vermieter bei einer fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs auch hilfsweise die ordentliche Kündigung erklären. Selbst wenn also der Mieter die fristlose Kündigung durch Zahlung innerhalb der Schonfrist (vollständige Nachzahlung bis zum Ablauf von 2 Monaten seit Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs) unwirksam werden lässt, bleibt die ordentliche Kündigung im Raum, die auch durch nachträgliche Zahlung nicht unwirksam wird – folglich verliert der Mieter trotz Zahlung seine Wohnung!

Trotzdem lohnt sich eine Beratung durch uns, da auch Vermieter vieles falsch machen können und sich manches Problem durch vernünftige Verhandlungen beheben lässt.

Exkurs: Bausenator Sebastian Scheel von der Linken hat nach der Senatssitzung am 20.04.2021 großzügig behauptet, dass kein Mieter „im Stich gelassen werde“. Wohngeldberechtigte könnten sich bei ihrem zuständigen Bezirksamt melden; dort würde dann geprüft, ob die Nachforderungen im Rahmen des Wohngeldbezugs übernommen werden können. Nicht-Wohngeldberechtigte könnten durch die „Sicher-Wohnen-Hilfe“ des Senats ein Verwaltungsdarlehen bekommen, das unbürokratisch von der Investitionsbank Berlin ausgezahlt werden soll.

Da fragt sich doch der unbefangene Leser, wann jemals eine staatliche Hilfe schnell und unbürokratisch gezahlt wurde (Stichwort November-Hilfe)? Unseres Erachtens nach wird diese Maßnahme keinen Mieter vor einem Wohnungsverlust retten, da die Nachzahlungsforderungen der Vermieter spätestens am 1. Mai 2021 zu zahlen sind, wenn der Mieter Kündigungen vermeiden will.

 

Zwille und der Ärger danach

Zwille und Messer im Fußraum

Die Zwille liegt neben anderem Krempel im Fußraum auf der Beifahrerseite des Kleintransporters, eines Pick-Ups. Rudi Ratlos pfeifts sich eins, er ist auf dem Weg ins Jagdrevier und freut sich auf das lange Wochenende.

Die bayerischen Beamten an der Raststätte freuen sich auch. Sie haben einen großen Fang gemacht. Durch die Scheibe sahen sie die Zwille und daneben das Brotmesser liegen. Beides wird natürlich beschlagnahmt und der lange Arm des Gesetzes schlägt erbarmungslos zu.

Knapp ein Monatsgehalt Strafe

Die Oberfranken, ja, man muß Gott für alles danken, erlassen einen Strafbefehl und Rudi Ratlos soll knapp ein Netto-Monatsgehalt ( 25 Tagessätze) auf den Tisch legen. Er soll die tatsächliche Gewalt über eine verbotene Waffe (eine Präzisionsschleuder) ausgeübt haben und ohne berechtigtes Interesse ein Messer mit einer Klingenlänge von 15,5 cm geführt haben.

Wer sich für das Thema Präzisionsschleuder interessiert wird auf unserem Waffenrechtsblog fündig: Präzisionsschleudern

Saublöd, denn es ist keine Präzisionsschleuder, sondern ein simples Kinderspielzeug. Und das berechtigte Interesse war auch vorhanden, auf der langen Fahrt sollte beim Bäcker Brot und beim Fleischer gute fränkische Wurst gekauft werden; beides mit dem Messer in mundgerechte Stücke zu teilen.

Verteidigungstaktik

Jetzt hätte man Kosten verursachen können, nett übernachten und zur Verhandlung gehen. Dem Richter die Sachlage erläutern, der dann ein Gutachten in Auftrag gegeben hätte, um sodann Wochen später nach Eingang des Gutachtens am neuen Verhandlungstag Rudi Ratlos zähneknirschend freizusprechen. Die Kosten hat dann die Staatskasse zu tragen. Mindestens zwei Anreisen, zwei Verhandlungstage, viel Geld.

Nein, so arbeiten wir nicht.

Wir weisen das Gericht auf den Sachverhalt hin, erläutern die Merkmale einer Präzisionsschleuder, die Rudi Ratlos‘ Schleuder nicht aufweist.

Nö, der Richter guckt sich die Zwille nicht persönlich an, sondern vergibt einen Auftrag an das Kriminaltechnische Institut in München, das nichts besseres zu tun hat, als auf solche sinnfreien Gutachtenaufträge zu warten. Nach ein paar Wochen hat der Richter das Gutachten auf dem Tisch: Das Ding hat mit einer Präzisionsschleuder nichts gemein.

Ein unanständiges Angebot mit der Zwille

Sie denken: Das war’s?

Natürlich nicht. Der Richter fragt, ob wir mit einer Einstellung nach §153 Abs. 2 StPO einverstanden sind. Schließlich sei ja noch der Ordnungswidrigkeitenvorwurf in der Luft. Das hat schon ein Geschmäckle. Eine Anklage, die sich als haltlos erweist und Rudi Ratlos daher freizusprechen ist. Verbunden mit einer Ordnungswidrigkeit und deshalb wegen geringer Schuld die angebotene Einstellung.

Warum das alles? Der Richter will der Staatskasse die Anwaltskosten ersparen und wird bei seinem Einstellungsbeschluß gem. § 467 Abs. 4 StPO davon absehen, diese Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen; der Angeklagte soll darauf sitzen bleiben. Er braucht aber die Zustimmung des Angeklagten zur beabsichtigten Einstellung und fragt daher nur sybillinisch an, ob Einverständnis mit einer Einstellung besteht.

Bedingungsfeindliche Zustimmung

Wer jetzt die Zustimmung unter der Bedingung erklärt, daß die Anwaltskosten ihm erspart werden, wird ins Messer laufen. Die Erklärung ist bedingungsfeindlich, die Zustimmung ist erklärt, der Angeklagte bleibt auf den Anwaltskosten sitzen.

Also erklären wir, wir würden zustimmen wenn die Staatskasse die Verteidigerkosten trägt. Der Richter möge sich bitte erklären.

Der erklärt sich in Form eines kurzen Beschlusses, wie wir es befürchtet hatten: Das Verfahren ist nach Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten eingestellt, die Kosten trägt die Staatskasse.

Kein Wort von den notwendigen Auslagen des Angeklagten. Wenn sie nicht der Staatskasse auferlegt werden bleiben sie beim Angeklagten hängen.

Einfache Beschwerde trotzt § 153 Abs. 2 Satz 4 StPO

Die Entscheidung über die Einstellung kann nicht angefochten werden, § 153 Abs. 2 Satz 4 StPO.

Die Unanfechtbarkeit bezieht sich aber lediglich auf die Ermessenentscheidung des Gerichts über die Einstellung gemäß § 153 Abs. 2 StPO. Die Beschwerde ist hingegen in den Fällen statthaft, in denen eine prozessuale Voraussetzung für die Einstellung fehlt. Dies ist u.a. dann der Fall, wenn eine erforderliche Zustimmung nicht oder nicht wirksam erklärt worden ist.

Jetzt bin ich neugierig was passieren wird. Fragt er nochmal wegen einer Einstellung an, diesesmal mit der gesetzlichen Regel, wonach die notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen sind?

Oder zieht er es durch und verurteilt wegen der Ordnungswidrigkeit?

Verhandlung in Oberfranken

Das Landgericht hob die Einstellung auf unsere Beschwerde auf und hat dem Richter anheimgestellt, erneut einzustellen oder aber zu verhandeln. Was machte er? Natürlich: Er hat zur Verhandlung geladen, morgens um 10 Uhr und das persönliche Erscheinen des Angeklagten angeordnet.

Also Anreise am Vortag, leckeres fränkisches Abendessen mit umfangreicher Verkostung der Produkte der gegenüberliegenden Brauerei und Übernachtung in einem reizenden Dorfgasthaus. Dafür ein herzliches Dankeschön, ich komme bestimmt bald wieder.

Urteil: 200 € wegen des Führens eines Messers mit einer Klinge von 15,5 cm und die Kosten des Verfahrens wurden dem Angeklagten auferlegt.

Ein Aspekt der Verhandlung war mir einen gesonderten Beitrag wert: Beitrag Auslagenentscheidung

 

 

Tragfläche eines Flugzeuges über den Wolken

Geständnis

Lieber Kollege (m/w/d),

das bißchen Strafrecht macht sich doch so nebenher.

Deshalb bestellen Sie sich zum Verteidiger und versichern eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung anwaltlich. Es gibt keine Formvorschriften für die Bestellung zum Verteidiger, die auch mündlich erfolgen kann. Manche toppen das noch und fügen die Vollmacht mit u.U. erheblichen Konsequenzen für den Mandanten bei.

Sie beantragen Akteneinsicht. Sehr gut! Das ist der Anfang. Ohne Aktenkenntnis geht gar nichts. Wir beantragen regelmäßig, daß uns die Akteneinsicht vermittelt wird. Zuständig ist nämlich die Staatsanwaltschaft und nicht die Polizei.

Sie sagen die Übernahme der entstehenden Kosten zu. Das ist aber nett von Ihnen! Die Staatsanwaltschaft wird Ihnen die Pauschale 9003 KV GKG in Höhe von 12 € sowieso in Rechnung stellen und von einer Übernahme kann nicht die Rede sein, Sie sind eh der Auslagen(Kosten)schuldner, § 28 Abs. 2 GKG.

„Bereits jetzt wird die Einstellung des Verfahrens angeregt, da er … eine Spielzeugpistole seines Sohnes mit sich führte.“

Der erste Teil des Satzes soll dafür sorgen, daß die zusätzliche Anwaltsgebühr nicht an Anmerkung (2) zu 4141 VV RVG scheitert. Schließlich wird nunmehr sichtbar, daß durch die anwaltliche Mitwirkung die Hauptverhandlung entbehrlich wird.

Mit dem letzten Teil des Satzes haben Sie dann dafür gesorgt, daß der Verstoß gegen das Verbot des Führens von Anscheinswaffen, § 42a Abs. 1 Nr. 1 WaffG, in Stein gemeißelt ist.

In Stein gemeißelt?

Ich muß noch klären, ob die „Spielzeugpistole seines Sohnes“ diese Merkmale (Anlage 1, Abschnitt 1, Unterabschnitt 1 1.6 der Anlage 1 zum WaffG) aufweist:

insbesondere Gegenstände, deren Größe die einer entsprechenden Feuerwaffe um 50 Prozent über- oder unterschreiten, neonfarbene Materialien enthalten oder keine Kennzeichnungen von Feuerwaffen aufweisen.

„Eine weitere Einlassung erfolgt gfls. nach Einsicht in die Ermittlungsakte.“

Nö, bitte nicht. Ich schlage Ihnen einen Deal vor: Ich mache kein Familienrecht (das macht bei uns der Kollege RA Schulze) und Sie machen bitte kein Strafrecht.