Jurist

Stahlruten und Totschläger

JuristDas Deutsche Waffenrecht lehrt mich immer wieder die deutsche Sprache neu.

Vielleicht gehören Sie noch zu der Generation, deren Väter mit der Rute drohten?

Nun, Stahlruten sind verboten. Das Waffengesetz führt in der Anlage 2, Abschnitt 1 unter Nr. 1.3.2 Stahlruten, Totschläger oder Schlagringe als verbotene Waffen auf. Schon der Besitz wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe sanktioniert, § 52 III WaffG.

Der Normadressat, der Bürger, kann dann in Abschnitt 2 der WaffVwV, „Ausführungen zu Anlagen 1 und 2 Waffengesetz“ nachlesen:

Stahlruten sind biegsame Gegenstände aus Metall, die zusammengeschoben werden können und in der Regel mit einem Metallkopf versehen sind.

Starre Teleskopschlagstöcke, unabhängig von der Länge im eingeschobenen Zustand, unterliegen nicht diesem Verbot.

Totschläger sind biegsame Gegenstände wie Gummischläuche, Riemen und Stricke, bei denen zumindest ein Ende durch Metall bzw. durch gleich hartes Material beschwert ist.

Da bieten sich für den interessierten Tüftler immense Möglichkeiten und für den Strafverteidiger ganz neue Beweisanträge:

Das Sachverständigengutachten wird ergeben, daß das Ende des Beweisstückes XY aus Gummi besteht, dessen Härte geringer als Metall ist.

Das Thema wird dann ziemlich komplex.

Foto Rhinozeross

Alter Hut

Vor ca. 2 tausend Jahren:

Was ist ferner so königlich, so freigebig, so großmütig, als Hilfe zu leisten den Flehenden, aufzurichten die Niedergeschlagenen, Rettung vom Untergang zu gewähren, von Gefahren zu befreien, die Menschen im Staat zurückzuhalten?
Was ist aber so notwendig, als zu jeder Zeit Waffen zu besitzen, mit denen man sich entweder selbst decken kann oder die Schlechten zum Kampf herausfordern oder, angegriffen, sich rächen?
Cicero, De oratore, Erstes Buch, VIII 32.

Politisch nicht korrekt. Das sollen die Anderen machen, der Staat.

Bild: Messerschmidt-The vexed man

Förster ohne Jagdschein

So'n Pech aber auch!

So’n Pech aber auch!


In diesem Jahr ist bisher in juris erst eine Gerichtsentscheidung zum Waffengesetz nachgewiesen. Die Leitsätze sind harmlos, die Entscheidungsgründe machen betroffen:

1. § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG verpflichtet die zuständige Jagdbehörde vor Erteilung eines Jagdscheins zu einer entsprechenden Prüfung der waffenrechtlichen Anforderungen an Zuverlässigkeit und persönliche Eignung. Bei dieser Prüfung ist auch die Jagdbehörde befugt, zur Klärung von Eignungsbedenken nach § 6 Abs. 2 WaffG vorzugehen und dem Betroffenen die Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses aufzugeben. Kommt der Betroffene dem nicht nach, darf die Jagdbehörde gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 AWaffV auf seine Nichteignung schließen.

2. Die Bezeichnung „Zeugnis“ in § 6 Abs. 2 WaffG und § 17 Abs. 6 BJagdG unterscheidet sich begrifflich nicht von der Bezeichnung „Gutachten“ in § 6 Abs. 4 WaffG.

3. Ein Zeugnis oder Gutachten ist nur dann verwertbar, wenn es gewissen Mindestanforderungen genügt, die es der letztlich zur Entscheidung berufenen Behörde gestatten, die vorgenommenen Bewertungen in eigener Verantwortung soweit wie möglich nachzuvollziehen. Zu diesen Anforderungen gehört es jedenfalls, dass die getroffenen Schlussfolgerungen einzelfallbezogen und in verständlicher Weise aus der Befundlage abgeleitet werden, was seinerseits die Angabe der wesentlichen Anknüpfungstatsachen bedingt.(Rn.53)
(Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. Februar 2014 – 16 A 2367/11 –

Der Volltext des Urteils läßt einen an der Rechtskenntnis der Behörden zweifeln:

  1. Der Kläger, Förster und im Besitz zweier Waffenbesitzkarten, wurde aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichtes in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen.
  2. Ein Jahr später stellt das Landgericht fest, daß der Unterbringungsbeschluß rechtswidrig war.
  3. Zuvor beantragte die Behörde unter Hinweis auf die Vorgänge, die zum Unterbringunsbeschluß geführt haben, einen Durchsuchungsbeschluß für die Wohnung des Klägers, läßt die Wohnung durchsuchen und beschlagnahmt die dort aufgefundenen Waffen und zugehörige Munition.
  4. Erst das Oberlandesgericht stellt fest, daß die Durchsuchung rechtswidrig war.
  5. Die Behörde gab dem Kläger die Vorlage eines amts-, fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über seine Eignung zum Waffen- und Munitionsbesitz auf, das zugleich der Kreispolizeibehörde zur Überprüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit dienen sollte.[1]
  6. Der TÜV Nord, Medizinisch-Psychologisches Institut, erstellte daraufhin ein zwölfseitiges Gutachten. Der Kläger legte dem Beklagten das Gutachten zunächst nur als zweiseitigen Auszug vor, der neben dem Deckblatt und der Gliederung lediglich die zusammenfassende Beantwortung der Fragestellung enthielt. Danach verfügte der Kläger „über die erforderliche persönliche (geistige) Eignung für die Belassung oder Erteilung einer Waffenbesitzkarte“. Anschließend übersandte er ein – im Umfang hinter dem Gutachten zurückbleibendes – fachmedizinisch-psychologisches Zeugnis des TÜV Nord, das zu dem gleichen Ergebnis kam. Das Zeugnis zeichnete im Wesentlichen den Gang der Untersuchung nach, ohne die erhobenen medizinischen Befunde und den Inhalt der diagnostischen Gesprächs zu dokumentieren. Die Vorlage des vollständigen Gutachtens verweigerte der Kläger unter Hinweis auf das Fehlen einer ihn hierzu verpflichtenden Rechtsgrundlage. Ebenso lehnte er letztlich, nachdem er dies zunächst angeboten hatte, auch eine Einsichtnahme in das Gutachten ab.[2]
  7. Die Behörde mißachtet die sie bindende Vorschrift der 6.4. WaffVwV (s.obige Fußnote 2) und widerruft die Erlaubnisse.
  8. Der Förster klagt gegen die Entscheidungen, gibt letztlich doch Einsicht in die vollständigen Gutachten/Zeugnisse, nachdem in seiner Behörde der Spruch vom Förster ohne Jagdschein umging.
  9. Die Behörde erteilt daraufhin neue Erlaubnisse.
  10. Das OVG Münster stellt zurecht fest, daß die WaffVwV die Gerichte nicht bindet und erklärt nachvollziehbar, daß das Gutachten hätte vorgelegt werden müssen.

Quelle: OVG Münster v. 21.02.2014 – 16 A 2367/11

Man kann nur feststellen, daß die Behörde alles falsch gemacht hat. Mit Ausnahme der Aufforderung zur Einholung eines Gutachtens und der Neuerteilung der waffenrechtlichen Erlaubnisse . Das macht betroffen und Angst.

  1. [1]Na endlich!
  2. [2]Das ist verständlich, oder? Das dem Psychiater Offenbarte ist höchstpersönlich, und der Kläger ging davon aus, daß nur das Ergebnis interessiert. Er konnte sich dafür immerhin auf die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz berufen:

    Die Begriffe „Zeugnis“ und „Gutachten“ werden beide vom Gesetz- und Verordnungsgeber gebraucht. Entscheidend ist, dass das der zuständigen Behörde vorzulegende Zeugnis über die Eignung nur die für eine Entscheidung der Behörde erforderlichen Ergebnisse des Gutachtens enthalten darf.

Waffenstatistik

Eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE erbrachte erste Ergebnisse aus dem Nationalen Waffenregister:

  1. Diese über Jahre in den örtlichen Waffenbehörden erfassten Daten waren von höchst heterogener Qualität
  2. Es ist davon auszugehen, dass die „alten“ Datenbestände zu den Erlaubnissen und Waffen teilweise unvollständig oder nicht eindeutig genug im Sinne des neu geschaffenen Standards und daher zwingend korrekturbedürftig sind
  3. Mit Stand 31. Dezember 2013 waren 330 Behörden (ausgenommen die Waffenbehörden) zum Datenabruf im automatisierten Verfahren durch die Registerbehörde zugelassen. Durch diese Behörden gab es bis dahin insgesamt 54 046 Suchanfragen über das Registerportal
  4. Mit Stand Januar 2014 sind rund 1 466 400 natürliche Personen und rund 5 451 000 Waffen in der Zentralen Komponente gespeichert.[1]
    Hierzu zählen nicht nur Personen, die derzeit Schusswaffen besitzen, sondern es handelt sich auch um Verstorbene und ehemalige Waffenbesitzer, deren Daten noch vorzuhalten sind, sowie um Personen, denen ein rechtskräftiges Waffenbesitzverbot erteilt wurde.
  5. Es sind derzeit 647 584 halbautomatische Waffen in der Zentralen Komponente der Registerbehörde gespeichert.
  6. Mit Stand 31. Dezember 2013 waren im NWR insgesamt 18 587 aktive Waffenscheine gemäß § 10 Absatz 4 Satz 2 und 3 WaffG sowie 249 923 kleine Waffenscheine gemäß § 10 Absatz 4 Satz 4 WaffG gespeichert.
  7. Die Datensätze der einzelnen Waffenbehörden werden bereits jetzt und endgültig bis zum gesetzlich festgelegten Stichtag bereinigt. Hierzu ist das Zusammenwirken vieler Beteiligter, u. a. der Waffenbehörden, der Innenministerien der Länder als Fachaufsichtsbehörden und des Bundesverwaltungsamts erforderlich. Um die Datenbereinigung systematisch und zielführend zu gestalten, wurde daher von der durch die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) eingerichteten Bund-Länder-Arbeitsgruppe Nationales Waffenregister ein „Masterplan Datenbereinigung“ beschlossen,…

Quelle: Bundestags – Drucksache 18/723 v. 06.03.2014

Warum fragt man eigentlich nicht die Inhaber der Waffenbesitzkarten (WBK), ob die gespeicherten Daten richtig sind? Ich habe da schon unglaubliche Sachen gesehen: Waffenbehörde ist unzuverlässig.

  1. [1]Ich werde Statistik wohl nie verstehen. Halbe Personen gibt es doch nicht. Die Angabe der natürlichen Personen suggeriert eine Genauigkeit von über 1: 1,4 Mio. Warum dann „rund“?

Verwaltungsgericht Köln bestätigt Praxis des Nationalen Waffenregisters

RevolverSind die Anforderungen des Bundesverwaltungsamtes, das das Nationale Waffenregister führt, an die Identifizierung der Antragsteller rechtmäßig?

Wir berichteten bereits mehrfach: hier

Ich habe den Termin beim Verwaltungsgericht leider persönlich wahrgenommen. Es war kein Vergnügen. Der Richter führte in den Sach- und Streitstand mit den Worten ein, daß das Gesetz vor dem Hintergrund des Amoklaufes in Winnenden geschaffen worden sei. Damit war der Tenor der Entscheidung vorhersehbar. Nebenbei: Die Behauptung ist nicht belegt, der Gesetzentwurf der Bundesregierung stellt zurecht nur auf die Umsetzung der EU – Waffenrichtlinie als Gesetzeszweck ab.

Vom Vorsitzenden erhielten wir Rechtskundeunterricht; ich wurde belehrt, daß die Zulassung der Berufung nicht beantragt werden könne, sondern nur angeregt, ein Kollege durfte sich anhören, daß es nicht die Beklagte, sondern der Beklagte sei und so weiter und so fort.

Das Urteil des VG Köln v. 13.03.2014 – 13 K 3624/13 – steht Ihnen im Volltext zur Verfügung: hier

Rechtlich spannend und die Atmosphäre bezeichnend ist die Überlegung, daß dahinstehen kann, ob mir das Rechtsschutzbedürfnis fehle,

Dahinstehen kann, ob sie [die Klage] (noch) zulässig ist, nachdem der persönlich in der mündlichen Verhandlung anwesende Kläger die ihm ausdrücklich vom Vertreter der Beklagten angebotene Erteilung der begehrten Selbstauskunft abgelehnt hat. Insofern könnte der Klage das erforderliches Rechtsschutzbedürfnis fehlen und sich die Inanspruchnahme des Gerichts als unnötig bzw. nahezu rechtsmissbräuchlich darstellen, weil dem klagenden Rechtsanwalt ein ersichtlich einfacherer Weg zur Verfügung stand, das begehrte Klageziel zu erreichen.