Aber selten erteilt die Staatsanwaltschaft Haftbefehle.
Zudem werden zwar viele Personen festgenommen, aber selten erteilt die Staatsanwaltschaft Haftbefehle.
So liest sich das heute auf der Titelseite der Berliner Morgenpost. Bei aller, mit wachsendem Vergnügen betriebenen, Journalistenbeschimpfung: Hier ist Schluß!
Ist es zu viel erwartet von einem Journalisten, daß er die Grundzüge der Gewaltenteilung verinnerlicht hat? Das ihm bewußt ist, daß die Freiheitsberaubung ein massiver Eingriff in die Grundrechte ist und grundsätzlich dem Richter vorbehalten ist? Daß es Verfassungen gibt? Wenn schon nicht das Grundgesetz, zumindest die Berliner Verfassung kennt? Zumindest die Grundrechte der Berliner Verfassung, das Grundrecht auf Freiheit der Person in Art. 8 III kennt?[1]
Jeder Verhaftete oder Festgenommene ist binnen 48 Stunden dem zuständigen Richter zur Entscheidung über die Haft oder Festnahme vorzuführen.
Das ist nicht mehr schlampig. Das ist offenbartes Unwissen, dokumentiertes Desinteresse. Und gelangt auf die Titelseite einer Hauptstadtzeitung. Weil keiner mehr Korrektur liest? Oder weil es der CvD auch nicht besser weiß?
Er hat ja Recht: Aber selten erteilt die Staatsanwaltschaft Haftbefehle
Also, der Jede übertreibt! Ich kenne ihn gut, ich darf das mal schreiben.
Genau genommen hat der Journalist doch völlig recht! Ich sehe das doch immer wenn der Jede am Bildschirm sitzt und die Strafakten liest. Ich habe viel bessere Augen als er!
Die Staatsanwaltschaft stellt auf dem Briefpapier des Ermittlungsrichters einen Haftbefehl her. Dort fehlt nur noch das mit der Hand einzutragende Aktenzeichen, die Unterschrift und der Stempel des Richters. Erstes und Letztes mach die Geschäftstelle, die Unterschrift ist unleserlich.
De facto erteilt die Staatsanwaltschaft die Haftbefehle. Sagt der Jede sonst auch immer!
Das ist ja nichts Ungewöhnliches, selbst in „Qualitätszeitungen“ wie der Süddeutschen findet man (meist in den Lokal/Regionalteilen) immer wieder, dass die „Staatsanwaltschaft Haftbefehl erlassen“ habe, dass der Angeklagte Berufung zum BGH einlegt, dass das „BVG“ über eine Verfassungsbeschwerde entscheide, der „Verteidiger“ des Beklagten (wenn nicht gar: des Angeklagten) im Zivilprozess irgendetwas beantragt, 3 Jahre mit Bewährung verhängt wurden oder der „EuGH“ in Straßburg die Türkei oder wen auch immer wegen Menschenrechtsverletzungen verurteilt habe.
Würde im Wirtschaftsteil einer Zeitung ein Journalist Brutto und Netto oder Dividende und Zins verwechseln, der Leser würde es merken und der Schreiber flöge vermutlich hinaus oder würde wenigstens in die Lokalredaktion zur Nachreifung umgesetzt; über juristische Dinge darf jeder schreiben, was er will und die Leserschaft, die es oft auch nicht weiß, nimmt das alles für bare Münze.
Zur Reaktion von Klabauter:
Die Anführungszeichen um „Qualitätszeitungen“ stammen von Klabauter, ich habe sie nicht nachträglich eingefügt. Würde ich nie machen!
:-)