Lügende Anwälte
Dem Berliner Anwaltsblatt 03/2009 liegt eine 16-seitige Broschüre eines Sekretariatsservice bei. Ein wahres Schnäppchen!
Das neue Vorzimmer für Ihre Kanzlei
Wir nehmen Ihre Anrufe diskret im Namen Ihrer Kanzlei entgegen und bearbeiten diese genau nach Ihren Vorgaben und Wünschen.
Quelle: Anwaltssekretariat
Schon für eine monatliche Grundgebühr ab 39 € klingelt es nicht im Büro Ihres Anwalts, sondern in einem Callcenter, das sich mit dem Namen der Anwaltskanzlei meldet und Sie bestens geschult nach Ihren Wünschen befragt. Manche nennen es diskret, ich nenne es Betrug. Der Anrufer weiß nicht, daß er mit einem anonymen Mitarbeiter eines Callcenters telephoniert, den der Anwalt nicht einmal persönlich kennt, geschweige denn, ihn in der täglichen Arbeit kontrollieren und überwachen kann. Derselbe Callboy telephoniert ein paar Minuten später im Auftrag des gegnerischen Kollegen mit dessen Mandanten?
Voller Grauen möchte ich dies für eine klare Werbung nutzen: Unsere Anrufer können sehen, mit wem sie sprechen. Ihre Informationen bleiben in der Kanzlei! Wenn Sie eine der Rufnummern unserer Kanzlei anwählen, sprechen Sie mit einem der gut bezahlten Mitarbeiter der Kanzlei und nicht mit einem Unbekannten, der sich nur mit dem Kanzleinamen meldet.
Der Anwalt, der sich eines solchen Service bedient und seine Mandanten derart täuscht, verstößt nach meiner Ansicht gegen das Berufsrecht, das Verbot der Lüge. Ich möchte keinen Anwalt, der mich schon beim ersten Anruf belügen läßt und noch nicht einmal sein Berufsrecht derart auslegt.
Wobei dies natürlich auch ein Auswahlkriterium für den Mandanten darstellen kann :-)
Betrug?? Naja, man kann’s auch übertreiben.
Gerade für Einzelkämpfer, die sich keine RENO leisten können, ist dies doch eine gute Alternative zum AB. Solche Dienste können ja z.B. auch nur stundenweise genutzt werde, wenn man grade mal unterwegs ist.
Was gut für den Anwalt ist, kann schlecht für den Mandanten sein. ‚Betrug‘ ist untechnisch gemeint. Für den Juristen: § 203 StGB ist naheliegend.
Und mit Spezialisten kann das Sekretariat bestimmt auch nicht aufwarten.
@doppelfish: verschwiegen … aber auch selten hässlich. Der Standard-Witz „wer hat Ihnen den Hörner aufgesetzt“ mag dort bestimmt niemand mehr hören.
Das ist nicht nur Betrug, sondern m.E. auch strafrechtlich relevant: Wenn der Callboy zunächst mit dem Mandanten für RA 1 und dann mit dem Gegner für RA 2 telefoniert, wie nennt man das: Interessenkollision, Parteiverrat, Verletzung der Schweigepflicht usw
?
@ JS: § 203 StGB, der RA macht den Mandanten zu seinem Werkzeug :-(
Berufsrechtlich trifft u.a. § 43a II BRAO
Interessant ist auch noch der Gedanke, daß die Anwälte, die sich desselben Service bedienen, eine Bürogemeinschaft eingegangen sind. Wenn sich mehrere Anwälte eine ReNo „teilen“, ist der Gedanke doch naheliegend und zieht erhebliche Tätigkeitsverbote nach sich, vgl. §§ 45ff BRAO.
@Peter:
Ich empfinde Dch auch als häßlich. Witze über Honrträger werden hier übrigens häufig gemacht. Wenn ich einen guten höre, werde ich als Familienangehöriger der Cervidae (Hirsche) gerne über die Bovidae (Hornträger) lachen. Also laß lesen!
Das LG Düsseldorf hat mit Urteil v. 04.12.2008 – 37 O 119/08 entschieden,
Ob wohl der Anrufer einer Nummer der Rechtsanwaltskanzlei auch erwartet, daß ein Mitarbeiter der Kanzlei ans Telephon geht?
Ob das mit dem Lügen sooo wichtig ist. Es ist doch sowieso alles Lüge incl. der Gerichte, der Justiz und deren Mitarbeiter.
Wahrheitsliebe der Juristen ist eine Selbstlüge, die jeder Jurist als Pinocchio mit langer Nase kennt, 07.01.2014
http://blog.justizfreund.de/?p=4879
Auch die Wahrheitsliege ist nur eine abstrakte Ideologie:
In den konkreten Fragen ihres individuellen Lebensschicksals von meist existentieller Bedeutung begegnen die Menschen einer von der gnadenlosen Härte abstrakter Ideologien geprägten Rechtsordnung. So werden sie in ihrem ureigensten Privatbereich zum Spielball und Opfer des jeweils staatlich verordneten “Zeitgeistes”. Seine Flüchtigkeit hüllt sich in den trügerisch tarnenden Mantel der Wahrheit mit Absolutheitsanspruch.”
Wolfgang Zeidler Präsident des Bundesverfassungsgerichts (1984)
Focus Nr. 30, 21.07.2008, Seite 54 “Es ist egal, ob ich Recht habe. Der Jurist Christoph Arnold erklärt den täglichen Betrug vor Gericht.”
“Ich wäre sicherlich ein schlechter Anwalt, würde ich nicht in jedem Fall versuchen, mein Recht zu bekommen. Dabei spielt es heutzutage kaum noch ein Rolle, ob ich tatsächlich im Recht bin. …Das Recht ist eine dehnbare Formel, ein abstrakter Begriff, der mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. Im Prozess geht es um das, was ich beweisen kann und was nicht. Da wird gelogen, dass sich die Balken biegen. ”
http://blog.justizfreund.de/?page_id=74