Denn sie wissen nicht was sie tun
Wir haben schon im Zusammenhang mit dem Nationalen Waffenregister Gesetz (NWRG) berichtet, daß auf das Register auch die Geheimdienste zugreifen dürfen und der Bundesrat anregte, eine Regelanfrage bei den Verfassungsschutzbehörden vor der Erteilung waffenrechtlicher Erlaubnisse einzuholen.
Nun hat Niedersachsen im Bundesrat einen Gesetzentwurf eingebracht, der genau dies vorsieht.
Niedersachsen setzt sich deshalb mit Nachdruck für die Einführung einer waffenrechtlichen Regelabfrage bei den Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern ein. Nur so können die Informationsdefizite beseitigt werden. Nur so kann der legale Waffenbesitz von Extremisten wirksam bekämpft[1] werden.
Quelle: BUNDESRAT, Stenografischer Bericht 906. Sitzung Berlin, 1. Februar 2013, Seite 63. Minister Uwe Schünemann, CDU; er wurde zum Beauftragten des Bundesrates bestellt, da war schon klar, daß er nicht mehr Minister ist, die Niedersachsenwahl verlor.
§ 5 Abs. 5 WaffG soll eine Nr. 4 angefügt werden:
4. die Auskunft der Verfassungsschutzbehörden, ob Erkenntnisse vorliegen, die für die Beurteilung der Zuverlässigkeit nach Absatz 2 Nummer 2 und 3 bedeutsam sind.
Quelle: Gesetzentwurf Drucksache 17/12854
Natürlich fällt der Gesetzentwurf der Diskontinuität anheim.
ProLegal hat zum Hintegrund und zur Begründung des Antrages einen sehr lesenswerten Kommentar veröffentlicht.
Nur typischer, dreckiger Wahlkampf?
Nein, tatsächlich ist es das Zündeln an unserer Verfassung. Aus gutem Grund gibt es das Trennungsgebot zwischen Nachrichtendiensten und Polizei. Ich gewinne immer öfter den Eindruck, daß es damit nicht mehr weit her ist. Es gibt schon zu viele gemeinsame Lagezentren, in denen die Informationen zwischen Polizei und Geheimdiensten ausgetauscht werden. Schon das Genehmigungsschreiben der Allierten zum Grundgesetz bezog sich auf den Polizeibrief vom 14.04.1949 an den Parlamentarischen Rat, der darauf verwies, daß der Nachrichtendienst keinerlei polizeiliche Kompetenzen haben dürfe.
Das Trennungsgebot läßt sich ganz einfach beschreiben: Die Geheimdienste dürfen zur Sammlung der Informationen Methoden nutzen, die den Polizeibehörden aus gutem Grund verboten sind. Dafür haben sie keinerlei polizeiliche Aufgaben und Rechte. Hintergrund sind unsere Erfahrungen mit der politischen Polizei ab 1815 und während der NS-Zeit.
Immer öfter fallen diese Grenzen, gruselig liest sich die Entscheidung des BVerfG v. 24.04.2013. Geradezu hilflos mutet es an, wie die Richter versuchen, ein paar Pflöcke einzutreiben.
Wie wehrt sich der Antragsteller, wenn ihm die Polizeibehörde aufgrund einer Auskunft des Geheimdienstes die Zuverlässigkeit abspricht? Relativ einfach, wenn die Auskunft aus allgemein zugänglichen Informationen beruht. Was aber, wenn die Information von einem V-Mann beschafft wurde oder durch Abhörmaßnahmen im Schlafzimmer? Sicherlich wird der Dienst in einem Gerichtsverfahren seine Quellen dann nicht offenlegen.
Wer ist Extremist? Was ist ein Extremist? Darf das jeder Beamte entscheiden? Bin ich auch ein Extremist, weil die Achtung der Menschenwürde für mich oberste Maxime ist?
Paranoia ist ansteckend? Sind wir wirklich bereit, unsere Freiheit den vermeintlichen Sicherheitsansprüchen zu opfern? In der Antiterror-Datei befinden sich 17.000 Personendatensätze! Reinkommen ist leicht – aber wieder rauskommen? Selbst den Verfassungsrichtern wurde ein wenig bange:
Ein paar Sachen allerdings, fanden sie, gingen zu weit: Etwa, dass unter Umständen auch solche Personen im Anti-Terror-Computer landen können, die eine Unterstützer-Vereinigung unterstützen, etwa durch Spenden, ohne etwas von der Verwendung ihrer Hilfe zu ahnen. Ebenso überflüssig sei es, auch solche Kontaktpersonen in den Datenverbund aufzunehmen, die gar nicht genau wissen, zu wem sie da eigentlich Kontakt pflegen. Zu weit geht den Richtern schließlich, dass Bürger als terrorismusnah in den Computer kommen, die im Verdacht stehen, „Gewalt zu befürworten“. Wenn etwa die Verteidigung von Sitzblockaden schon reicht, um ins Visier der Terrorfahnder zu kommen, so das Gericht, werde der Mensch zum Opfer von Maßnahmen, die er „durch rechtstreues Verhalten“ nicht mehr beeinflussen könne.
Quelle: Spiegel Online 24.04.2013
Hier geht es nicht mehr um das Waffenrecht. Es geht darum, aller Informationen habhaft zu werden, die erreichbar sind. Egal, wie sie erlangt wurden. De facto unterliegen die Geheimdienste nicht der Kontrolle – die Ausschüsse der Parlamente kann man wohl kaum als effiziente Kontrolle verstehen. Die Geheimdienstskandale der letzten Jahre sollten eine beredte Mahnung sein!
Finger weg vom Trennungsgebot zwischen Nachrichtendiensten und Polizeibehörden!
- [1]Diese martialische Formulierung muß man sich auf der Zunge zergehen lassen! „Legalen Waffenbesitz bekämpfen“↩
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